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Geschichte der Juden in Reppen (Rzepin)

Gedenkstein für die ermordeten Zwangsarbeiter im Zentrum von Rzepin
Foto: Matthias Diefenbach
Gedenkstein für die ermordeten Zwangsarbeiter im Zentrum von Rzepin
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Foto: OLF1.1. FrankRuhlLibre

Es existieren nur wenige Informationen über Juden in Reppen (heute Rzepin). Erste Erwähnungen jüdischen Lebens in der gegenwärtig circa 6.600 Einwohner fassenden Stadt gibt es im 14. Jahrhundert. Jedoch liegen für die folgenden Jahrhunderte kaum weitere Informationen vor, auch die Existenz einer Synagoge oder einer Betstube kann nicht belegt werden. Rechtliche Erwähnung von Juden und Jüdinnen in Reppen finden sich in den Jahren 1808 durch das „Recht zur Niederlassung und Verheiratung der Schutzjuden zu Reppen“ sowie in Aufenthaltserlaubnissen für jüdische Familien in den Jahren 18012 bis 1829. Es ist anzunehmen, dass sie eine enge Anbindung an jüdischen Gemeinden der Umgebung besaßen. Wie Dokumente aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv belegen, wurde 1854 offiziell ein Synagogenbezirk Reppen gegründet. 1855 besaß Reppen knapp 3.500 Einwohner, von denen 26 Juden waren.

Aus Reppen sind die zwei jüdischen Familien Dresel und Simon namentlich bekannt. Abraham Dresel (geb. am 15.10.1818 in Grätz als Sohn von Freide [sic], geb. Neumann, und Itzig Dresel; gest. am 17.08.1895 in Chemnitz) arbeitete als Kaufmann und war Vorsteher der Jüdischen Gemeinde in Reppen. Gemeinsam mit seiner Frau Susanne (geb. am 02.08.1824 in Fraustadt als Tochter von Dorothee, geb. Brunn, und Samuel Simon; gest. am 08.01.1885 in Chemnitz) hatte er zwei Söhne: Wilhelm und Hugo. Beide waren ebenfalls als Kaufmann tätig. Wilhelm (geb. am 15.03.1852 in Reppen; gest. am 26.11.1927 in Berlin) heiratete Sophie Simon am 26.08.1876 in Guben. Hugo wurde 1857 ebenfalls in Reppen geboren und heiratete Anna Sobersky. Er starb am 17.08.1895 in Chemnitz.     

Der Kaufmann Samuel Simon (geb. 1765 in Reppen; gest. vor 1875 in Crossen) und seine Frau Henriette (geb. 1790 in Tirschtiegel als Tochter des Tabakfabrikanten Wolff Hamburger; gest. am 11.09.1875 in Berlin) hatten mit Seelig, Philipp, Marianne und Rosalie mindestens vier Kinder. Seelig (geb. 1817 in Reppen; gest. am 05.02.1891 in Berlin) war Kleiderhändler und heiratete Johanna Guttmann (geb. 1818 in Brandenburg an der Havel als Tochter des dortigen Kantors; gest. am 16.04.1903 in Berlin). Philipp (geb. am 09.07.1817 in Reppen; gest. am 22.02.1900 in Berlin) heiratete Minna Kaplan aus Posen (geb. 1829; gest. am 22.04.1900 in Berlin). Ihre Schwester Marianne (geb. 1827 in Reppen; gest. am 16.12.1903 in Berlin) war mit Bernhardt Gebhardt verheiratet und lebte zuletzt in Berlin. Rosalie (geb. 1829) heiratete 1860 in Berlin Elias Eduard Hamburger und gründete mit ihm eine Familie. Ihre genauen Lebensdaten konnten bislang nicht ermittelt werden; sie befinden sich wahrscheinlich im Sterberegister der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Namentlich nachweisbar ist außerdem die 1828 in Reppen geborene Tochter von Wolff Fürst, Therese, die 1856 in Berlin den Kaufmann für Kolonialwaren David Ball heiratete. Mit ihm ging sie in seine Heimatstadt Lübben, wo sie am 07.02.1895 starb.    

Diese jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner stehen stellvertretend für die rasche Urbanisierung im Laufe des 19. Jahrhundert, da sie allesamt nach Berlin oder in aufstrebende Industriestädte wie Chemnitz umzogen. In den 1920er Jahren lebten in Reppen noch 30 bis 40 Juden; 1932 stellte die 33 jüdischen Einwohner einen Anteil von 0,6% der Bevölkerung. Allerdings war die Jüdische Gemeinde von Reppen ein Zusammenschluss der Juden von elf Orten der Umgebung. Ihre Gottesdienste hielten sie in Ziebingen.

Für die Zeit zwischen 1933 und 1945 verzeichnet die Datenbank der Gedenkstätte Yad Vashem sechs Personen mit Geburtsort Reppen und späterem Wohnort Berlin, die allesamt Opfer der Shoah wurden. Mordka Bromstejn wurde am 06.11.1893 als Sohn von Abraham und Sura, geb. Kamorowska, geboren. Er war mit Rachel verheiratet und wurde am 01.09.1942 in Auschwitz ermordet. Henriette Levy wurde am 17.11.1868 in die Familie Marcuse geboren und am 29.10.1941 ins Ghetto Lodz deportiert, wo sich ihre Spuren verlieren. Richard Wolffsky kam am 22.09.1873 zur Welt und wurde am 24.10.1941 ebenfalls ins Ghetto Lodz deportiert. Auch er ist verschollen. Paula Pauline Phillipp wurde am 09.09.1877 in die Familie Marcuse geboren und am 24.10.1941 nach Lodz deportiert. Am 12. Mai 1942 wurde sie in Kulmhof ermordet. Anna Oel, geborene Lewin, kam am 07.05.1888 zur Welt und wurde im Februar 1945 in Ravensbrück ermordet. Der am 31.05.1890 geborene Willi Marcuse wurde am 03.02.1943 nach Auschwitz deportiert. Minni Rosenberg wurde am 20.08.1904 geboren und bereits am 29.01.1943 nach Auschwitz deportiert.

Außerdem finden sich weitere Einträge über Juden aus dem Lodzer Ghetto, die sich zeitweise in Reppen aufgehalten haben sollen. Wahrscheinlich hängt dieser Umstand mit einem besonderen Kapitel der neueren deutschen Geschichte zusammen, der bislang weniger im Fokus stand. Ende 1940 begann das NS-Regime nach mehr als einem Jahr Planung mit dem Bau einer Reichsautobahn von Frankfurt (Oder) über Posen nach Lodz. Da hierfür keine deutschen Arbeiter mehr eingesetzt werden konnten, griffen die Planer massenhaft auf Zwangsarbeiter zurück, die sich aus ausländischen Kriegsgefangenen sowie aus Juden des Ghettos in Lodz und aus „Provinz-Ghettos“ des Warthegaus zusammensetzten. In die auf 37 Standorte an der zu bauenden Strecke verteilten Arbeitslager wurden zwischen 12.000 und 20.000 Menschen deportiert. Zwei dieser Lager befanden sich bei Reppen. Unter schwersten Bedingungen lebten und arbeiteten hier bis zum Sommer 1943 jeweils ca. 200 bzw. 360 jüdische Zwangsarbeiter; sehr viele starben. Begraben wurden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Friedhof der Jüdischen Gemeinde von Reppen in Massengräbern. Ende 1942 wurde der Autobahnbau aufgrund der Kriegsentwicklung eingestellt; die Arbeitslager löste man jedoch erst im August 1943 auf und deportierte die noch Lebenden nach Auschwitz.

Nach 1945 gab es in Rzepin, wie die Stadt seit ihrer Zugehörigkeit zur Republik Polen hieß, keine Juden mehr. Jedoch erinnerten sich Zeitzeugen an den Ort des Friedhofes. Am 9. Mai 1985 weihte man im Stadtzentrum von Rzepin einen Gedenkstein in Erinnerung an die ermordeten Zwangsarbeiter des Ortes, ohne jedoch auf ihre jüdische Herkunft und den Autobahnbau hinzuweisen.

Lukas Seidel, Anke Geißler-Grünberg

 

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Foto: OLF1.1. FrankRuhlLibre

Quellen und Literatur

Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA) Rep 8 Stadt Reppen, Nr. 198 [Bildung eines jüdischen Synagogenbezirks in der Stadt Reppen und Wahlen zu diesem Zweck 1854 – 1858].
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA) PK, I. HA Rep. 146, Nr. 706 [Recht zur Niederlassung und Verheiratung der Schutzjuden zu Reppen 1808].

Staatsbibliothek zu Berlin, Messtischblatt Reppen: SBB_IIIC_Kart_N 730_Blatt 1985 von 1923.

 

Klaus Dieter Alicke: Frankfurt / Oder (Brandenburg), in: Aus der Geschichte der Jüdischen Gemeinden in Deutschland, URL: www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/e-g/638-frankfurt-oder-brandenburg [23.09.2020]

Anne Frank Zentrum: Stadtrundgang „Auf den Spuren jüdischen Lebens“, URL: www.annefrank.de/ausstellung-berlin/begleitangebote/stadtrundgang-auf-den-spuren-juedischen-lebens-berlin-gaeste-familien [23.09.2020]

Matthias Diefenbach / Michał Maćkowiak: Zwangsarbeit und Autobahn zwischen Frankfurt (Oder) und Poznań 1940–1945. Die nationalsozialistischen Arbeitslager entlang der Reichsautobahnbaustelle für Juden, sowjetische Kriegsgefangene, Polizeihäftlinge und andere Zwangsarbeiter, Frankfurt (Oder) / Poznań 2017.

Führer durch die jüdische Gemeindeverwaltung und Wohlfahrtspflege in Deutschland 1932-33, hrsg. von der Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden, Berlin 1932, S. 68.

Institut für Angewandte Geschichte: Im Fluss der Zeit. Jüdisches Leben an der Oder, URL: www.instytut.net/im-fluss-der-zeit [ 23.09.2020]

Dass.: Zwangsarbeit zwischen Frankfurt (Oder) und Poznań. Reichautobahn – Audioguide und Broschüre, URL: www.instytut.net/zwangsarbeit-zwischen-frankfurt-oder-und-poznan-audioguide [10.12.2020]

Andrzej Kirmiel: Jüdische Spuren im Lebuser Land, in: Eckhard Reiß / Magdalena Abraham-Diefenbach (Hrsg.): Makom tov – der gute Ort: Jüdischer Friedhof Frankfurt (Oder) / Slubice, Berlin 2012, S. 219-229.

Sylvia Kolley: Namensverzeichnis, in: Luckauer Juden – Versuch einer Spurensuche, URL: www.luckauer-juden.de [23.09.2020]

Wirtualny Sztetl: Rzepin, URL: sztetl.org.pl/pl/miejscowosci/r/567-rzepin [23.09.2020]

Yad Vashem: The Central Database of Shoah Victims’ Names, URL: yvng.yadvashem.org [23.09.2020]