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Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Lippehne (Lipiany)

Synagoge von Lippehne
Foto: Unsere Heimat. Der Kreis Soldin, Neumark. Federzeichnungen, 1975.
"Judentempel" von Lippehne – Zeichnung von Käte König aus den 1920-30er Jahren.
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Foto: OLF1.1. FrankRuhlLibre

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bildeten die Lippehner Juden schon längst eine kleine selbständige Gemeinde in der Stadt. Dennoch waren sie gezwungen, ihre Gottesdienste in einem Raum über einem Stall abzuhalten. Um diesen unwürdigen Zustand zu beenden, schenkten Moses Abraham und seine Ehefrau Pine Bendix ihrer Gemeinde einen Teil ihres Hofraumes zum Bau eines Bethauses oder Tempels. Die Stadtverwaltung gab nach einigem Zögern die Erlaubnis und kurz vor Weihnachten 1790 wurde die gerichtliche Schenkungsurkunde publiziert.

Die etwa aus 15 bis 20 Familien bestehende Jüdische Gemeinde begann schon im folgenden Jahr 1791 mit dem Tempelbau im schlichten Fachwerkstil. Die Kosten waren auf 1.500 Taler veranschlagt. Der größte Teil dieser Summe kam durch Spenden aus der Jüdischen Gemeinde selbst. Aber zwei Gemeindemitglieder, Schaul Friedemann und Abraham Ascher, wollten von dem Neubau dieser Synagoge nichts wissen: Trotz aller Ermahnungen, gütigen sowie ernsten Aufforderungen waren sie nicht zu bewegen, sich an den auf sie entfallenden Baugeldern zu beteiligen. Sie suchten vielmehr den anderen Gemeindemitgliedern allerlei Widerwärtigkeiten zu bereiten und dem Bau mancherlei Hindernisse in den Weg zu legen. Daher beschlossen die empörten übrigen Gemeindemitglieder, diese beiden Friedensstörer aus ihrer Gemeinschaft auszuschließen. Am 8. Januar 1791 bestätigte der Magistrat den von der gläubigen Judenschaft durch ihre Bevollmächtigten vorgetragenen Beschluss zum Ausschluss der beiden „Störer“.

Am 18. September 1791 war der Bau vollendet. Bei dem öffentlichen Verkaufstermin der (Sitz-)Plätze in der Synagoge wurden für den ersten Platz als Höchstpreis 44 und als Mindestpreis 20 Reichstaler geboten. Der Pachtpreis pro Platz betrug für ein Jahr in der Regel drei Taler. Einige Plätze blieben für ärmere Familien frei. Für die verkauften Plätze gingen ca. 450 Taler ein, sodass dadurch fast die gesamten noch fehlenden Baukosten gedeckt werden konnten. Schaul Friedemann und Abraham Ascher durften nicht mitbieten, ja es wurde ausdrücklich bestimmt, dass auch kein anderes Gemeindemitglied ihnen jemals einen Platz veräußern oder heimlich für sie bieten dürfe. Die Einweihung der Synagoge geschah durch den feierlichen Einzug der Thora-Rollen und der heiligen Geräte.

Jener Hof lag in einer kleinen Durchgangsgasse zwischen zwei größeren Straßen und wurde dann Tempelgasse – im Volksmund „Judengasse“ – genannt. Die Gasse wurde nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise zugebaut und anderweitig benutzt. Nachdem dort für viele Jahrzehnte nichts mehr an die Lippehner Juden erinnerte, ist die Gasse wieder begehbar und hat den Namen Moses-Moser (Ulica Mojżesza Mosera) erhalten. Angebracht wurde außerdem eine Gedenktafel mit einem Bild des Geehrten und einem polnischen Text zu seiner Person.

Moses Moser – ein Sohn der Stadt

Am 29. September 1797 wurde Moses Moser in Lippehne geboren. Später sollte er für die Lippehner Gemeinde eine gewisse Berühmtheit erlangen. Sein Vater war der Lippehner Kaufmann Jaeckel Moses. Dieser schickte den Sohn zur Lehre in das Berliner Bankhaus Moses Friedländer, wo er zunächst als Angestellter arbeitete, aber später Teilhaber des Bankhauses Friedländer & Co. wurde.

Neben seinen Tätigkeiten als Bankier hörte der junge Moses Moser an der Universität in Berlin Vorlesungen zu Geschichte und Philosophie und lernte dort u.a. Georg Wilhelm Friedrich Hegel kennen. Gemeinsam mit Kommilitonen gründete er 1819 den „Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden“ und die „Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums“. Mitglied des Vereins war auch Heinrich Heine. Moser und Heine wurden gute Freunde. Sie pflegten einen regen Briefwechsel. Briefe von Heine an Moser seit 1824 sind erhalten. Leider wurde nach Heines Tod alle Korrespondenz und weiteres schriftliches Material vernichtet – so auch die Briefe von Moser. In den Heine-Briefen erfährt Moser viel von dessen Gemütszuständen, den gesundheitlichen Problemen, aber auch Gedanken zu Politik, Gesellschaft, Religion und immer wieder von seinen Geldnöten. Heine beklagte, dass er immer zu viel Geld ausgebe für ein „leichtes Leben“, „Frauengeschichten“ u. ä. Moser scheint ihm in solchen Situationen oft finanziell ausgeholfen zu haben. In einem Brief vom 8. November 1836 bat Heine um ein Darlehen von 400 Talern.

Die Korrespondenz endete aber spätestens zwei Jahre nach einem Brief von 1836, denn Moses Moser starb am 15. August 1838 bei einem Besuch in seiner Heimatstadt Lippehne. Es ist zu vermuten, dass er auf dem Lippehner jüdischen Friedhof auf dem Sandberg im „Lippehner Tanger“ beigesetzt wurde.

Ingrid Schellhaas

 

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Foto: OLF1.1. FrankRuhlLibre

Literatur und Quellen

Klaus-Dieter Alicke: Aus der Geschichte jüdischer Gemeinden im deutschen Sprachraum, URL: www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/s-t/2367-soldin-brand-neumark (Zugriff: 29.09.2021)

Cmentarze żydowskie w Polsce, URL: cmentarze-zydowskie.pl/lipiany.htm (Zugriff: 29.09.2021)

Heinrich Heine: Hausbuch. Die schönsten Lieder, Gedichte, Reisebilder, Skizzen und Briefe, hrsg. von Marianne Bernhard, Bayreuth 1983.

Alicja Piróg / Michał Poniatowski (Liceum Ogólnokształcące w Lipianach): Patroni nowych lipiańskich ulic, placów i skwerów, Lipiany 2021, URL: www.zs-lipiany.pl/index.php/zainspiruj-sie-nami/518-patroni-nowych-lipianskich-ulic-placow-i-skwerow (Zugriff: 14.10.2021)

Ingrid Schellhaas: Heine, Moser und „das leichte Leben“. Jüdische Geschichte zur Kleinstadt Lippehne im Kreis Soldin / NM, in: Brandenburg Kurier. Informationsdienst des historischen Ostbrandenburg und der Neumark (3) 2020, S. 8f.

Unsere Heimat: der Kreis Soldin, Neumark. Federzeichnungen Soldiner Künstler, hrsg. vom Heimatkreises Soldin, Steinheim an der Murr, 1975.

„Wie sich Juden in Lippehne einen Tempel bauen“, frei nacherzählt aus Paul Biens, in: Heimatkalender Soldin, 1929.

 

Staatsbibliothek zu Berlin, Messtischblätter Lippehne und Schönow: SBB_IIIC_Kart_N 730_Blatt 1488 von 1930; SBB_IIIC_Kart_N 730_Blatt 1489 von 1930.