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Schwarzfahren

A. Einführung

Wer beim Schwarzfahren erwischt wird, muss sich auf zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen einstellen.
Durch das Einsteigen z.B. in den Bus wird ein Beförderungsvertrag geschlossen. Dieser Beförderungsvertrag besteht zwischen der eingestiegenen Person und dem Busunternehmen. Der vorliegende Vertrag verpflichtet zur Zahlung des Fahrpreis (Entgelt).
Das Busunternehmen kann Ansprüche (Fahrpreis oder erhöhtes Beförderungsentgelt) geltend machen (Zivilrecht). Zudem droht eine Strafe, wenn eine Anzeige erfolgt (Strafrecht).

 

B. Das Schwarzfahren: strafrechtliche und zivilrechtliche Auswirkungen

I. Strafrechtliche Konsequenzen

Die Strafbarkeit des Schwarzfahrens ist in § 265 a StGB geregelt und wird mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft.
Die Norm steht im Abschnitt über ,,Betrug und Untreue‘‘. Diese Einordnung zeigt dass es sich bei § 265 a StGB um ein mit dem Betrug verwandtes Vermögensdelikt handelt. Schwarzfahren heißt juristisch korrekt „Erschleichen von Leistungen“. Die Leistung, die der Täter erschleicht, ua. die Beförderung durch ein Verkehrsmittel, muss entgeltlich sein. Hierauf muss sich auch der Vorsatz des Täters beziehen. Im Gesetz steht: „in der Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten“.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes wird das „Erschleichen von Leistungen“ nur bestraft, „wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist“. Das heißt § 265 a StGB ist subsidiär (nachrangig). Vorrangig kommt häufig Betrug in Betracht, §  263 StGB.

Beispiele:

1. Martin hat ein Schülerticket. Als er zur Schule fährt, vergisst er sein Ticket zu Hause und wird kontrolliert. Martin hat das Entgelt entrichtet und kann dies nur bei der Kontrolle nicht nachweisen. Das Vergessen einer Fahrkarte ist kein Erschleichen von Leistungen, denn er hat ja bezahlt. Wenn Martin später das Ticket beim Unternehmen vorzeigt, hat sich die Sache bis auf eine Bearbeitungsgebühr erledigt. Er hat sich nicht gem. § 265 a StGB strafbar gemacht.

2. Hanna rennt zum Zug. Die Zeit reicht nicht mehr, um ein Ticket zu kaufen. Weil sie einen dringenden Arzttermin hat, springt sie trotzdem in den Zug. Sie wollte eigentlich ein Ticket kaufen, aber es war ihr wichtiger, pünktlich zu kommen. Hanna hat sich befördern lassen, ohne das Entgelt zu entrichten. Dass sie pünktlich kommen wollte ist keine Entschuldigung. Sie hätte früher losgehen müssen. In dem sie ohne Ticket in den Zug einsteigt, zeigt sie die erforderliche Absicht. Sie ist „schwarzgefahren“ und hat sich gem. § 265 a StGB strafbar gemacht.
 

II. Zivilrechtliche Konsequenzen

Im zivilrechtlichen Rahmen ist die Geltendmachung verschiedener Ansprüche des Busunternehmen gegen den ,,Schwarzfahrenden‘‘ möglich.

 

1. § 631 BGB

Gemäß § 631 Abs. 1 BGB kann das Busunternehmen die Entrichtung der vereinbarten Vergütung fordern. Der Beförderungsvertrag ist als solcher namentlich nicht im Gesetz geregelt, er unterfällt jedoch dem Werkvertrag. Die vereinbarte Vergütung ergibt sich durch die vom Busunternehmen vorgegebenen Preise. Durch das Einsteigen nimmt man sein Angebot an, sodass ein Beförderungsvertrag zustande kommt.

 

2. Bußgeldkatalog

Im Bußgeldkatalog ist festgehalten, welche Summe man zusätzlich bezahlen muss, sofern man etwa kein gültiges Ticket oder ein falsches Ticket dabei hatte. Regelmäßig beläuft sich die Summe auf 60 €.

 

3. Bedingungen des Beförderungsunternehmens

Jedes Beförderungsunternehmen hat seine eigenen ,,Bedingungen‘‘, die auch als AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) bekannt sind. AGB sind vom Beförderungsunternehmen einseitig ausgestaltet und regeln vertragliche Aspekte. Beispielsweise kann das Beförderungsunternehmen bestimmen, ob etwa zusätzliche zivilrechtliche Konsequenzen folgen. 
 

C. Werkzeuge

I. Aufbauschema Strafrecht § 265 a StGB

I. Tatbestandsmäßigkeit 

1. Objektiver Tatbestand

a) Entgeltlichkeit 

- der Leistung eines Automaten (1. Var.)

- der Leistung eines Telekommunikationsnetzes (2. Var.)

- der Beförderung durch ein Verkehrsmittel (3. Var.)

- des Zutritts zu einer Veranstaltung / Einrichtung (4. Var.)

b) Erschleichen

- der Leistung eines Automaten (1. Var.)

- der Leistung eines Telekommunikationsnetzes (2. Var.)

- der Beförderung durch ein Verkehrsmittel (3. Var.)

- des Zutritts zu einer Veranstaltung / Einrichtung (4. Var.)

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz

b) Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

 

2. Definitionen

Erschleichen

ist jedes ordnungswidrige Erlangen unter Ausschaltung oder Umgehung von Sicherheitsvorkehrungen.

Beachte: Bei Var. 3 definiert die Rechtsprechung ein Erschleichen wie folgt: Ein ordnungswidriges Verhalten, bei dem sich derTäter mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt.

Entgelt

ist jede in einem Vermögensvorteil bestehende Geldleistung, § 11  Nr. 9 StGB

Automat

Ein Gerät, welches aufgrund eines mechanischen oder elektronischen Steuerungssystems selbstständig Funktionen erfüllt.

Leistung

ist eine entgeltliche Dienstleistung.

Beförderung

Verbringen von Personen oder Sachen an einen anderen Ort.

Verkehrsmittel

Technisches Gerät zum Personentransport.

Telekommunikationsnetz

ist ein jedes Nachrichtenübertragungssystem.

Zutritt

Ist ein körperlicher Eintritt, der eine Nutzung bzw. Teilnahme ermöglicht.


 

D. Anwendung

Fall

Der Bielefelder Arbeitnehmer A möchte sich das Geld für ein Ticket der Stadtbahn sparen. Aus diesem Grund steigt er beim Eingang in den Haltestellenbereich über ein Drehkreuz und setzt sich in den Zug. Um nicht aufzufallen verhält sich A möglichst ruhig.

Hat sich A gemäß § 265 a StGB strafbar gemacht?

 

2. Lösungsvorschlag

[Anmerkung: Hier ist nur nach der Strafbarkeit nach § 265 a StGB gefragt. Ist bei einem solchen Sachverhalt nach der Strafbarkeit von Adam gefragt, sind zuerst die anderen in Betracht kommenden Delikte zu prüfen! (-> Subsidiarität von § 265 a StGB)]

Adam könnte sich wegen Leistungserschleichung gemäß § 265 a StGB strafbar gemacht haben, indem er ohne Ticket mit der Stadtbahn fuhr.

I. Tatbestandsmäßigkeit

Adam müsste tatbestandsmäßig gehandelt haben.

1. Objektiver Tatbestand

Adam müsste den objektiven Tatbestand erfüllt haben.

a) Entgeltlichkeit der Leistung

Die Beförderung mit der Stadtbahn müsste eine entgeltliche Leistung sein. Eine Leistung ist jede entgeltliche Dienstleistung. Entgeltlich ist jede in einem Vermögensvorteil bestehende Geldleistung (§ 11 Nr. 9 StGB). Die Beförderung mit der Stadtbahn ist eine Dienstleistung, für die ein Entgelt zu entrichten ist. Mithin ist die Beförderung mit der Stadtbahn eine entgeltliche Leistung.

b) Erschleichen

Adam müsste die Beförderung mit der Stadtbahn erschlichen haben. Was unter einem Erschleichen zu verstehen ist, ist umstritten. Nach einer Ansicht ist ein Erschleichen jedes ordnungswidrige Erlangen unter Ausschaltung oder Umgehung von Sicherheitsvorkehrungen. Adam übersteigt ein Drehkreuz um auf den Bahnhof zu gelangen. Nach dieser Ansicht hätte Adam die Beförderung mit der Stadtbahn erschlichen. Nach einer anderen Ansicht ist unter einem Erschleichen ein ordnungswidriges Verhalten zu verstehen, bei dem sich der Täter mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt. Adam setzt sich ohne Ticket in den Zug und verhält sich unauffällig. Nach dieser Ansicht hätte Adam die Beförderung mit der Stadtbahn erschlichen. Die Ansichten kommen zum selben Ergebnis, sodass eine Stellungnahme entbehrlich ist. Mithin hat Adam die Beförderung mit der Stadtbahn erschlichen.

c) Zwischenergebnis

Adam hat den objektiven Tatbestand erfüllt

2. Subjektiver Tatbestand

Adam müsste auch den subjektiven Tatbestand erfüllt haben.

a) Vorsatz

Adam müsste vorsätzlich gehandelt haben. Vorsatz ist der Wille zur Tatbestandserfüllung in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Adam möchte mit der Stadtbahn fahren ohne dafür zu bezahlen. Mithin handelte er vorsätzlich.

b) Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten

Adam müsste mit der Absicht gehandelt haben, das Entgelt nicht zu entrichten. Adam möchte die Kosten der Bahnfahrt sparen. Er weiß, dass er zahlen müsste, möchte eben dies umgehen. Mithin handelte Adam in der Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten.

c) Zwischenergebnis

Adam hat den subjektiven Tatbestand erfüllt.

3. Zwischenergebnis

Adam handelte tatbestandsmäßig.

II. Ergebnis

Adam hat sich wegen Leistungserschleichung gemäß § 265 a I StGB strafbar gemacht, indem er ohne Ticket mit der Stadtbahn fuhr.

 

E. Selbststudium

https://www.bussgeldkatalog.org/schwarzfahren/

http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/22123/erschleichen-von-leistungen

Die Verfahren die wegen „Schwarzfahrens“ geführt werden belasten die Justiz übermäßig. Aus diesem Grund gibt es immer wieder Bestrebungen § a StGB abzuschaffen oder das „Schwarzfahren“ nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Aktuell hat sich der deutsche Richterbund auch für eine Reformierung des § 265 a StGB ausgesprochen.

Eine gute Übersicht über die Argumente der Gegner und Befürworter einer Änderung von § 265 a StGB bietet der folgende Artikel: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/schwarzfahren-entkriminalisierung-kosten-justiz-ersatzfreiheitsstrafe-personal/.