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Grundsätze für eine gerechte Strafzumessung

A. Einführung

Hat sich eine Person strafbar gemacht und wurde dies durch das Gericht festgestellt, muss der Richter im Urteil eine angemessene Strafe verkünden. Die einzelnen Normen geben Strafrahmen vor. Wurde der jeweilige Tatbestand erfüllt, muss im Anschluss eine Strafe aus dem vorgegebenen Rahmen gewählt werden. Dazu stellt der Richter Abwägungen an, um dem im Einzelfall begangenen Unrecht entgegenzutreten.

Beispiel: Vor einigen Wochen wurde das Fahrrad von Sebastian entwendet. Bis vor einigen Tagen musste er seinen Schulweg deshalb zu Fuß bestreiten und dafür früher aufstehen. Die Polizei hat sein Fahrrad bei einer Kontrolle aufgefunden und der vermeintliche Dieb Daniel hat seine Tat gleich zugegeben. (Wie würden Sie sich in der Sebastians Situation fühlen und worüber würden sie nachdenken?) Sebastian ist froh sein Rad wiederzuhaben. Er ist wütend auf Daniel, weil er ihn um seinen kostbaren Schlaf gebracht hat. Für die Zukunft wünscht er sich, dass ihm so etwas nicht wieder passiert und dass Daniel durch eine Strafe etwas für die Zukunft lernt. Ihre Überlegungen könnten ähnlich gewesen sein. Diese natürlichen Überlegungen sind der Grundstein für das Verständnis der Strafzwecktheorien und der Strafzumessung.
 

B. Thema

Die Normen des StGB bestimmen grundsätzlich breite Strafrahmen, in denen die Strafe der konkreten Tat abzuurteilen ist. Die Grundsätze der Strafzumessung folgen aus § 46 StGB. Wie es bereits die Tatbestände tun, erfasst auch der Strafrahmen eine Vielzahl von Fallkonstellationen.

Der Gesetzgeber verlagert die Verantwortung hinsichtlich des richtigen Strafmaßes auf den Richter. Regelbeispiele und unbenannte Strafänderungen („minder schwere“ oder „besonders schwere“ Fälle) sind zu berücksichtigen, welche nicht unbedingt eine Hilfestellung bieten, sondern eher Unklarheit hinsichtlich ihrer Einschlägigkeit nach sich ziehen. Regelbeispiele sind für Richter nicht abschließend oder zwingend. Auch wenn ein Regelbeispiel vorliegt, kann der Richter daher im Rahmen des Art. 3 GG, eine besondere Schwere ablehnen. Der Richter muss eine Gesamtwürdigung des Falles vornehmen. Wegen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) und dem Prinzip der Gewaltenteilung ist es erforderlich, die legislative Strafbegründungsmacht zu wahren. Daher sind normative Grundlagen – nicht nur für die Strafzumessung – unabdingbar.
 

I. Grundlage der Strafzumessung

Als normative Grundlage der Strafzumessung dient § 46 StGB.

§ 46 Abs. 2 S. 2 StGB enthält die erheblichen Faktoren zur Bestimmung der Strafzumessung und deren Gewichtung (§ 42 Abs. 2 S. 1 StGB). Die aus § 46 Abs. 1 StGB folgende Sozialklausel beinhaltet den Resozialisierungsaspekt der Strafzumessung.

Durch die Verurteilung einer straftätigen Person soll generalpräventiv die Allgemeinheit von der Straffälligkeit abgehalten werden. Zugleich soll die Allgemeinheit vor den Tätern geschützt und ihr Vertrauen in das Bestehen des normativen Systems bekräftigt werden. Der Straftäter soll spezialpräventiv vor der Begehung weiterer Straftaten geschützt werden und sein Verhalten bessern, um sich zukünftig normenkonform zu verhalten und sich zu resozialisieren (relative Rechtfertigung). Die absolute Rechtfertigung der Strafe sieht vor, das geschehene Unrecht zu vergelten und Gerechtigkeit zu üben. Sie ist von gesellschaftlichen Zwecken losgelöst und sieht die Strafe ausschließlich repressiv. Die Vereinigungstheorien vereinen Elemente der absoluten und der relativen Straftheorien.
 

II. Das Unrecht der Tat

Das Unrecht der Tat aus dem Handlungsunwert und dem Erfolgsunwert zusammen. Der Erfolgsunwert richtet sich an das durch die Tat verletzte oder gefährdete Rechtsgut. Der Handlungsunwert erfasst die Art und Weise der Tatbegehung. Der Handlungswille des Täters und der Verstoß gegen Verhaltensanforderungen sind hier anzusiedeln. Ergänzend beschreibt die Vorwerfbarkeit inwieweit der Täter im Zeitpunkt der Tat das Unrecht der Tat einsehen und sich entsprechend verhalten konnte. Die Beweggründe der Tat fallen unter anderem unter diesen Punkt.

Die in § 46 Abs. 2 StGB enthaltenen Strafzumessungsumstände sind nicht abschließend. Erfüllen Umstände den gesetzlichen Tatbestand, sind sie nicht zusätzlich bei der Strafzumessungsentscheidung zu berücksichtigen, sondern gelten grundsätzlich als verbraucht, sog. Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB).

Bei der Strafzumessung spielen zudem viele andere Aspekte eine wichtige Rolle: Handelt es sich bei dem Täter um einen Erwachsenen oder einen Jugendlichen (§ 19 StGB, vgl. § 105 JGG) und ist die Person schuldfähig (§ 20 StGB). Beim Unterlassen (§ 13 Abs. 2 StGB), dem Verbotsirrtum (§ 17 S. 2 StGB), der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) und beim Versuch (§ 23 Abs. 2 StGB) kann die Strafe gemildert werden, § 49 Abs. 1 StGB.

Zudem wirkt sich ein Geständnis strafmildernd aus, entspr. § 46b Abs. 1 StGB. In § 46 StGB ist das Geständnis nicht ausdrücklich als Strafzumessungskriterium erwähnt, in der Praxis spielt es dennoch eine bedeutende Rolle. Dies hat seinen Ursprung in den ansonsten erforderlichen prozessualen Anforderungen, welche durch ein Geständnis nicht mehr notwendig sind und auch dem Opfer zusätzliche Belastungen ersparen (besonders bei körperlichen und seelischen Verletzungen). In einem Geständnis wird ein Wert angesiedelt, welcher dem Handlungsunwert entgegensteht und die Unrechtseinsicht impliziert. Ein fehlendes Geständnis darf dagegen keinesfalls zulasten des Angeklagten verwertet werden (nemo tenetur se ipsum accusare = Niemand ist verpflichtet sich selbst anzuklagen oder gegen sich auszusagen).
 

III. Weitere Strafzumessungsmaßstäbe

Wurden durch eine Tathandlung verschiedene Strafgesetze verletzt, ist durch § 52 Abs. 2 S. 1 StGB faktisch ein neuer Strafrahmen eröffnet: Die Höchststrafe bestimmt sich nach dem Gesetz mit der höchsten angedrohten Strafe und die Mindeststrafe nach der höchsten angedrohten Mindeststrafe.

Bei mehreren selbständigen Handlungen wird regelmäßig eine Gesamtstrafe gebildet, § 53 StGB. Für die einzelnen Straftaten werden zunächst Einzelstrafen bestimmt. Die Gesamtstrafe wird durch Erhöhung der höchsten Strafe gebildet und darf die Summe der Einzelstrafen nicht überschreiten, § 54 Abs. 2 S. 2 StGB.

Die Geldstrafen berücksichtigen durch ihre Tagessätze die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Täters, § 40 Abs. 2 S. 1 StGB.
 

VI. Theorien zur Handhabung der Strafzumessung

Zur Handhabung der Strafrahmen haben sich in der Praxis und in der Literatur einige Theorien etabliert. Sie betrachten die Strafzumessung jeweils anders, wobei herrschend vertreten wird, dass dem Richter ein Ermessensspielraum zusteht.

 

1. Spielraumtheorie

Der Gesetzgeber hat für die Weiterentwicklung der Strafzumessungslehre große Spielräume gelassen. Dabei geht es besonders um die Nutzung und ggf. Ausschöpfung der Strafrahmen, um den Gehalt der Grundlagenformel des § 46 Abs. 1 S. 1 StGB, um die Gewichtung der Strafzwecke und um die Realisierung der Abwägungsformel in § 46 Abs. 2 S. 1 StGB.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung (BGH, OLG) hat sich die Spielraumtheorie etabliert. Sie beruht darauf, dass der Richter zu dem konkreten Fall eine innerhalb des gesetzlichen Rahmens anwendbaren fallbezogenen Schuldrahmen findet und diesen in der Strafzumessung konkretisiert. Im Spielraum des Schuldrahmens, zur Vermeidung von Schuldüberschreitung oder Schuldunterschreitung, sollen die Strafzwecke beachtet werden, soweit sie auf den konkreten Fall zutreffen. Sowohl präventive als auch repressive Aspekte spielen eine ausschlaggebende Rolle. Der Schuldausgleich wird jedoch in keinem Fall den Präventionserwägungen untergeordnet. Das bedeutet, dass die Strafe nicht aus präventionsgründen niedrig angesiedelt wird, ohne den Ausgleich der Schuld zu erreichen.
Für den Schuldausgleich sind die Strafzumessungsschuld und die individuellen Faktoren maßgeblich. Die Strafzumessungsschuld baut auf der die Strafbarkeit des Täters begründenden Schuld auf. Der Täter hätte sich anders verhalten und die Verwirklichung des Unrechts vermeiden können. Sie erfordert zusätzlich eine Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Der Täter ist wegen der rechtswidrigen und schuldhaften Verwirklichung des Straftatbestandes strafbar. Wie er zu bestrafen ist richtet sich nach danach, wie stark er mit seiner Tat die Rechtsordnung gestört hat. Die Störung der Rechtsordnung entspricht dem tatbestandlichen Unrecht, welches sich aus dem Erfolgsunwert und dem Handlungsunwert zusammensetzt.
Beispiel: Für eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB), reicht es aus, dass der Fahrer eines Fahrzeugs vorwerfbar verbotswidrig zu schnell fuhr und dadurch jemand anderen verletzte. Die Strafzumessungsschuld setzt sich aus der vorwerfbaren Verbotswidrigkeit (wie hoch war die Geschwindigkeitsüberschreitung) und den vorwerfbaren Verletzungen (wie hoch ist das Ausmaß und die Schwere der Verletzungen) zusammen.
Der Richter legt bei seiner Entscheidung einen separaten Schuldrahmen – schon schuldangemessen und noch schuldangemessen – fest und findet unter Einbeziehung präventiver Aspekte eine angemessene Strafe. Absolut bindende Maßstäbe für Strafmaßentscheidungen gibt es nicht. Bei dem einführenden Fall fragt sich der Richter also, wie hart muss die Strafe sein, damit Daniel angemessen bestraft ist und seine Tat zukünftig nicht mehr wiederholt.
Dabei muss sich das Schuldstrafmaß als ein Bereich innerhalb eines Strafrahmens – und nicht als einzelner Punkt – vorgestellt werden. Auf dieser Weise wird der Über- oder Unterschreitung der Schuld im Strafmaß durch präventive Aspekte entgegengestanden. Andernfalls entstehen Probleme bei der Legitimierung des Präventionsansatzes, insbesondere bei straferhöhendem Einfluss.
Die Frage nach der einen richtigen Wertung eines Vorfalls ist verfehlt. Feinheiten im Strafmaß hängen vom Einzelfall ab. Lediglich die Grenzwerte des Strafmaßes sind vorgegeben und einzuhalten.
Die Strafe soll grundsätzlich am unteren Rahmen – schon schuldangemessen – angesetzt werden, wenn nicht besondere Umstände für eine höhere Strafe sprechen. Dies erfolgt im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des verfassungsrechtlichen Gebots des sinnvollen und maßvollen Strafens. Die Verhältnismäßigkeit leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ab, Art 20 Abs. 3 GG. Daneben sind die Grundsätze der Geeignetheit der Mittel und das Subsidiaritätsprinzip (ultima ratio des Strafrechts) dort zu verorten. Das Strafrecht muss mit seinen Sanktionen geeignetes Mittel zur Erreichung des gesetzgeberischen Zwecks sein.
Im Verhältnismäßigkeitsprinzip geht es im Kern darum, dass der Staat seine Gewalt über die Bürger schonend und nur bei Notwendigkeit anwendet. Zwischen den Freiheitsrechten jeden Einzelnen und der gesellschaftlichen Einbindung muss ein Verhältnis geschaffen sein. Daraus ergibt sich auch das Übermaßverbot, wobei der Staat nicht stärker eingreifen oder strafen darf, als notwendig. Das Gebot des sinnvollen und maßvollen Strafens knüpft unmittelbar daran an. Es wird besonders bei der lebenslangen Freiheitsstrafe diskutiert. Der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz bezieht sich auf die durch die Strafe betroffene Menschenwürde. Die (lebenslange) Freiheitsstrafe ist wegen dem notwendigen sinnvollen Behandlungsvollzug und der Hinwirkung zur Resozialisierung des Gefangenen nicht verfassungswidrig.[1]
Im Ergebnis bleibt die konkrete Wertung der Einschätzung des Richters überlassen. Die Spielraumtheorie wird dem Umstand gerecht, dass die Strafzumessungsentscheidung die Vertretbarkeit der konkret getroffenen Wertung stützt.
Grenzen der Spielraumtheorie: Zunächst wird bemängelt, dass bereits die Beschreibung des Strafzumessungsvorgangs realitätsfern sei. Im Weiteren wird nicht auf den Schuld- Strafrahmen bei der Urteilsfindung, sondern lediglich auf das Verhängen einer schuldangemessenen Strafe abgestellt.

 

2. Die Punktstraftheorie

Im Gegensatz zur Spielraumtheorie gehen die Vertreter der Punktstraftheorie davon aus, dass es für eine bestimmte Tat nur eine richtige Strafe gegen kann. Dieser Punkt sei zumindest als Annäherungswert erfassbar. Abweichungen sind auf die persönliche Wertung des Richters zurückzuführen.

Die Punktstraftheorie beinhaltet keinen Maßstab zur Konkretisierung einer Strafzumessungswertung. Sie soll hauptsächlich eine Grundlage für eine umfassende Prüfung der Strafzumessung in der Revisionsinstanz bieten, welche sich lediglich auf die Rechtsfehler in einem Urteil bezieht. Darüber hinaus findet keine umfängliche Würdigung des Urteils statt. Wenn die Strafzumessung eine Wertentscheidung darstellt, kann sie nicht mit der Revision angegriffen werden. Durch die Ablehnung eines Ermessensspielraums des Tatrichters bei der Strafzumessung, entfällt der revisionsfreie Bereich der Strafbestimmung. Die Punktstraftheorie geht von lediglich einer bestimmten Strafe aus, weshalb Abweichungen davon als Rechtsfehler behandelt werden und deshalb auch eine Revision möglich ist.
Nach der Punktstraftheorie gibt es für den von Daniel begangenen Fahrraddiebstahl nur eine richtige Strafe.
Verkannt wird von den Vertretern der Theorie, dass die Strafzumessung per se einen Wertungsakt darstellt. Das Finden oder Erkennen des einen ausschließlich richtigen Strafmaßes ist verfehlt. Das Gericht das über das Rechtsmittel entscheidet vermag in seiner Strafzumessungswertung eine eigene Wertung anzustellen. Bei der Überprüfung durch die höhere Instanz, kann es auch um die Vertretbarkeit eines bestimmten Strafausspruches gehen.

 

3. Die Stellenwerttheorie

Die Stellenwerttheorie bestimmt in Form eines Stufenmodells abgrenzbare Wirkungsbereiche für die verschiedenen Strafzwecke. Dabei handelt es sich um die Strafhöhenbemessung für den Schuldausgleich und die Sanktionswahl für präventive Strafzwecke.

All diejenigen Strafzwecke, welche keine Kriterien für die Festlegung einer bestimmten Strafe bieten, sollen von der Bemessung der Strafdauer ausgeschlossen sein. Die Stellenwerttheorie stellt auf den Schuldausgleichsgedanken ab. Problematisch ist, dass dieser Begriff sehr umstritten und unklar ist. Der Theorie steht die in § 46 Abs. 1 S. 2 StGB enthaltene Sozialklausel entgegen, die an Urteile die Anforderung stellt, Auswirkungen zu berücksichtigen die von der Strafe für das zukünftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind. Die Regelung bezieht sich unmittelbar auf die Grundlagenformel der Straffindung in § 46 Abs. 1 S. 1 StGB. Sie erfüllt diese gesetzliche Forderung nicht, indem sie bei der Strafhöhenbemessung spezialpräventive Gesichtspunkte gezielt ausschließt.

 

4. Tatproportionale Strafzumessung

Bei dem Gedanken der tatproportionalen Strafzumessung wird die Tatproportionalität dem Schuldprinzip zugeordnet. § 46 Abs. 1 S. 1 StGB wird so verstanden, dass sich die schuldrelevanten Umstände zur Tat proportional verhalten. Die Tatschwere wird von dem verschuldeten Erfolgsunwert begründet und vom Handlungsunwert begrenzt. Die präventiven Aspekte der Strafzumessung seien dagegen willkürlich. Die spezial- und generalpräventiven Strafzwecke, die Rückfall-Strafschärfung und sonstige strafschärfende Tätermerkmale sollen unberücksichtigt bleiben.

Vergleichbar mit den Auseinandersetzungen zur Punktstraftheorie und Spielraumtheorie, besteht auch bei diesem Ansatz keine Einigkeit: Unklarheiten und Probleme bestehen noch hinsichtlich der Einschätzung von Versuchskonstellationen, Delikten gegen Kollektivgütern, Gefährdungstatbeständen, bei der Strafmilderung für Ersttäter sowie bei der Strafschärfung im Falle mehrerer von einem Täter begangener Delikte und mehrerer Tatschäden. Dennoch kann die Tatproportionalitätslehre die Strafgleichheit fördern.

 

5. Zumessungsmaßstab des Gesetzes

Ergänzend soll der Strafrahmen als kontinuierliche Skala hinsichtlich der Schwere der Tat betrachtet werden. Der schwerste Fall des definierten Delikts soll mit der Höchststrafe, der mittel schwere mit der Mitte des Strafrahmens und der mildeste mit der Mindeststrafe geahndet werden.

Einen Fall in diese Skala einzuordnen ist schwierig, zumal mögliche Extremen berücksichtigt werden müssen und praktisch unendlich viele Verwirklichungsmöglichkeiten eines Tatbestandes denkbar sind. Problematisch ist dabei bereits die Berücksichtigung des § 52 StGB hinsichtlich idealkonkurrierender Delikte. Solche liegen vor, wenn mehrere Straftatbestände oder ein Strafgesetz mehrmals durch eine Handlung verletzt werden (Tateinheit). Mangels objektiver Kriterien, erscheint es zweifelhaft inwieweit eine solche Einschätzung einer präzisen Einordnung in die Skala nahekommen kann. Im Zweifel entspricht das Ergebnis oft der subjektiven Strafzumessung des Richters, was wiederum die Schwereskala überflüssig macht. Zudem erscheint die statische Bindung an den gesetzlichen Strafrahmen systemwidrig. Die Aufgabe des Tatrichters ist, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und dem Täter gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und sie zu bewerten. Sein Spielraum unterliegt nicht der Richtigkeitskontrolle, wenn nicht Sachfremde Erwägungen berücksichtigt wurden. Bspw. kann der Ausspruch einer mittleren Strafe bei Delikten mit einer hohen Strafobergrenze unverhältnismäßig sein. Das für den Fahrraddieb eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren angemessen ist, wird wohl kaum ein Richter annehmen. Die Skala kann daher höchstens als Orientierungshilfe dienen.

 

6. Richterrecht

Bei vergleichbaren Konstellationen kann es hilfreich sein, bereits ergangene Urteile zu berücksichtigen.

Konkrete normative Voraussetzungen liegen dafür nicht vor, jedoch spricht diese Möglichkeit den Wertekonsens an, welcher in den individuellen Wertungen des Richters gesehen wird und dessen Bestätigung den präventiven Aspekten des Strafrechts gerecht wird. Zudem müssen Urteile an Kollegialgerichten auch durch Konsens legitimiert werden, § 196 GVG. Besonders jungen Richtern, bietet dieser Aspekt zumindest eine Orientierung bei der richterlichen Arbeit.

 

C. Werkzeug

§ 46 StGB Grundsätze der Strafzumessung

Spielraumtheorie: In der obergerichtlichen Rechtsprechung hat sich die Spielraumtheorie etabliert. Der Richter trifft zu dem konkreten Fall eine Wertungsentscheidung, indem er innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens einen fallbezogenen Strafrahmen findet und diesen in der Strafzumessung konkretisiert. 
Zur Vermeidung von Schuldüberschreitung oder Schuldunterschreitung, sollen die Strafzwecke beachtet werden, soweit sie auf den konkreten Fall zutreffen. Der Richter legt bei seiner Entscheidung einen separaten Schuldrahmen – schon schuldangemessen und noch schuldangemessen – fest und findet unter Einbeziehung präventiver Aspekte eine angemessene Strafe. Absolut bindende Maßstäbe für Strafmaßentscheidungen gibt es nicht. Dabei muss sich das Schuldstrafmaß als ein Bereich innerhalb eines Strafrahmens – und nicht als einzelner Punkt – vorgestellt werden. Die Frage nach der einen richtigen Wertung eines Vorfalls ist damit verfehlt. Feinheiten im Strafmaß hängen vom Einzelfall ab. Lediglich die Grenzwerte des Strafmaßes sind vorgegeben und einzuhalten.

 

Punktstraftheorie: Für eine bestimmte Tat gibt es nur eine richtige Strafe. Dieser Punkt sei zumindest als Annäherungswert erfassbar. Abweichungen sind auf die persönliche Wertung des Richters zurückzuführen. Die Punktstraftheorie soll hauptsächlich eine Grundlage für eine umfassende Prüfung der Strafzumessung in der Revisionsinstanz bieten, welche sich lediglich auf die Rechtsfehler in einem Urteil bezieht. Wenn die Strafzumessung eine Wertentscheidung darstellt, kann sie nicht mit der Revision angegriffen werden. Durch die Ablehnung eines Ermessensspielraums des Tatrichters bei der Strafzumessung, entfällt der revisionsfreie Bereich der Strafbestimmung.

 

Stellenwerttheorie: Den Strafzwecken sind innerhalb eines Stufenmodells abgrenzbare Wirkungsbereiche zugeschrieben. Dabei handelt es sich um die Strafhöhenbemessung für den Schuldausgleich und die Sanktionswahl für präventive Strafzwecke. All diejenigen Strafzwecke, welche keine Kriterien für die Festlegung einer bestimmten Strafe bieten, sollen von der Bemessung der Strafdauer ausgeschlossen sein. Hauptsächlich wird auf den Schuldausgleichsgedanken abgestellt. Sozialpräventive Gesichtspunkte werden nicht berücksichtigt.

 

Tatproportionale Strafzumessung: § 46 Abs. 1 S. 1 StGB wird so verstanden, dass sich die schuldrelevanten Umstände zur Tat proportional verhalten. Die Tatschwere wird von dem verschuldeten Erfolgsunwert begründet und vom Handlungsunwert begrenzt. Spezial- und generalpräventive Strafzwecke, die Rückfall-Strafschärfung und sonstige strafschärfende Tätermerkmale sollen unberücksichtigt bleiben.

 

Zumessungsmaßstab des Gesetzes: Der Strafrahmen soll als kontinuierliche Skala hinsichtlich der Schwer der Tat betrachtet werden. Der schwerste Fall des definierten Delikts soll mit der Höchststrafe, der mittel schwere mit der Mitte des Strafrahmens und der mildeste mit der Mindeststrafe geahndet werden. Mangels objektiver Kriterien, erscheint es zweifelhaft inwieweit eine solche Einschätzung einer präzisen Einordnung in die Skala nahekommen kann. Im Zweifel entspricht das Ergebnis oft der subjektiven Strafzumessung des Richters, was wiederum die Schwereskala überflüssig macht.

 

Richterrecht: Bei vergleichbaren Konstellationen können bereits ergangene Urteile als Orientierung dienen.

 

D. Wiederholungsfragen 

Frage 1: Welche Umstände dürfen bei der Strafzumessung nicht zulasten des Täters herangezogen werden?

Frage 2: Wie verändert sich der Strafrahmen bei der Bildung der Gesamtstrafe, §§ 53, 54 StGB?

Frage 3: Welche Aspekte wirken sich bei der Strafzumessung aus?

Frage 4: Woraus setzt sich der Unwert der Tat zusammen?