Zum Hauptinhalt springen

Menschenwürde, Art. 1 GG

A. Einleitung

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ So lautet der erste Absatz des ersten Artikels des Grundgesetzes. Dass diese Worte am Anfang stehen, zeigt, welche Relevanz sie für die Rechtsordnung der Bundesrepublik haben. Die Menschenwürde steht hierbei im deutlichen Kontrast und als Gegenbild zu den Gräueln des Nationalsozialismus. Nicht das Volk, Land oder eine Ideologie soll im Mittelpunkt stehen, sondern der Mensch und dessen Würde.

Dieses Konzept, die Idee der Menschenwürde stammt aus der Zeit der Aufklärung. Denker, wie Kant, der maßgebend an der Entstehung der Idee mitwirkte, setzten sich ab 1700 für den rationales Denken und das Überwinden tradierter Strukturen ein.

 

B. Art. 1 GG

Aufgrund seiner besonderen systematischen Stellung beeinflusst Art. 1 Abs. 1 GG alle anderen Regelungen des Grundgesetzes. Gemäß Absatz 3 binden zum Beispiel die Grundrechte Legislative, Exekutive und Judikative. Sie dürfen nicht gegen die Menschenwürde handeln.  Viele Grundrechte konkretisieren die Menschenwürde und werden daher anhand dieser ausgelegt. So beispielsweise das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs 1 GG, welches vom Bundesverfassungsgericht in das Grundgesetz hineininterpretiert wurde.

Im Gegensatz zu den restlichen Grundrechten wird die Menschenwürde von der „Ewigkeitsklausel“ des Art. 79 Abs. 3 GG geschützt. Sie darf nicht einmal durch eine Grundgesetzänderung eingeschränkt oder gestrichen werden.

Es ist umstritten, ob Art. 1 Abs. 1 GG ein Grundrecht ist, aber das Bundesverfassungsgericht spricht der Menschenwürde Grundrechtsqualität zu. Dies wird unter anderem mit der Überschrift des Abschnitts eins im Grundgesetz „Die Grundrechte“ begründet.

1. Schutzbereich 

Um festzustellen, ob die Menschenwürde verletzt ist, muss erst die Begriffsdeutung geklärt werden, denn sie bestimmt den sachlichen Schutzbereich.

Der Begriff der Menschenwürde ist nicht deskriptiv, er beschreibt nichts Greifbares, sondern bedarf einer Auslegung.

Seit der Entwicklung der Menschenwürde gibt es dafür unterschiedliche Ansätze. So könnte es sein, dass man sich die Würde erst verdienen müsste, sie hätte einen Wert, der im Laufe des Lebens wachse und steige und je nach Mensch unterschiedlich ist. Doch das Grundgesetz möchte mit Artikel 1 Abs. 1 GG jedem Menschen ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seinen Zustand, seiner Leistung oder seinen Status schützen. Somit lässt sich die Menschenwürde positiv als allgemeiner Eigenwert, der dem Menschen kraft seines Menschseins zukommt, beschreiben.

Aber auch hier unterscheiden sich die Meinungen. Um die philosophisch komplizierte Frage nicht klären zu müssen, wird die Menschenwürde rechtlich negativ beschrieben. Das Bundesverfassungsgericht definiert die Menschenwürde anhand der Objektformel: Der Mensch dürfe nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht und damit keiner Behandlung ausgesetzt werden, die die eigene  Subjektsqualität prinzipiell in Frage stellt. Das BVerfG verzichtet damit auf eine abstrakte Definition der Menschenwürde und bestimmt sie anhand der Objektformel im konkreten Einzelfall.

Im Laufe der Zeit haben sich jedoch verschiedene Fallgruppen gebildet, bei denen eine Verletzung der Menschenwürde angenommen wird.

 

2. Fallgruppen - Verletzung der Menschenwürde

a) Ein Eingriff in die körperliche Identität und Integrität kann eine Verletzung der Menschenwürde darstellen. Dies betrifft Fälle der Rettungsfolter, wobei Entführer:innen unter Gewaltandrohung durch staatliche Stellen das Versteck der Geisel preisgeben sollen.

b) Das BVerfG nahm eine die Menschenwürde beeinträchtigende Verletzung der geistig-seelischen Integrität in einem Fall an, in dem ein Straftäter zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde und diese nicht ausgesetzt werden durfte, er also sein ganzes Leben im Gefängnis hätte verbringen müssen. Es soll immer die Möglichkeit geben, bei guter Führung und Sozialprognose entlassen zu werden.

c) Die Menschenwürde schützt ebenfalls verstorbene Personen vor Äußerungen, die selbige herabsetzen, dies wird als postmortaler Persönlichkeitsschutz bezeichnet.

d) Ein Verstoß gegen die Menschenwürde kann bei einem Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung angenommen werden. Höchstpersönliche Gespräche oder Gedanken dürfen nicht abgehört werden. Dies könnte bei Telefonüberwachung, der Überwachung von Wohnungen oder bei Online-Durchsuchungen in Betracht kommen.

 

3. Eingriff

Eigentlich muss bei Freiheitsrechten auch ein Eingriff in den Schutzbereich festgestellt werden, aber die Objektformel enthält Eingriffe dem Grunde nach bereits. Die Menschenwürde gilt absolut, sämtliche Eingriffe sind stets unzulässig.

Damit der Schutz der Menschenwürde nicht inflationär wird, muss der Eingriff erheblich sein. Es ist im Weiteren nicht möglich, einer Verletzung der eigenen Menschenwürde zuzustimmen.

 

C. Werkzeuge

Objektformel: Der Mensch dürfe nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht und damit keiner Behandlung ausgesetzt werden, die die eigene  Subjektsqualität prinzipiell in Frage stellt.

 

Prüfungsschema

I. Schutzbereich

a. Persönlicher Schutzbereich

b. Sachlicher Schutzbereich

Menschenwürde

II. Eingriff (nie gerechtfertigt)

 

D. Anwendung

Frage 1: Von welchem Philosophen gilt die Menschenwürde als inspiriert?

Frage 2: Wie lautet die Objektformel?

Frage 3: Was sind relevante Fallgruppen der Menschenwürde?