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Unwirksamkeitsgründe

A. Einführung

Können sämtliche Rechtsgeschäfte ohne Einschränkungen abgeschlossen werden? Dies erscheint zweifelhaft. So kann z.B. ein Kaufvertrag, bei dem es um den Ankauf illegal erworbener Waren geht, kaum von der Rechtsordnung gewollt bzw. gebilligt worden sein. Dementsprechend finden sich im Gesetz zahlreiche Vorschriften, welche sowohl die äußeren als auch die inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten eines Vertrags einschränken.

 

B. Wirksamkeit des Vertrags

In Deutschland gilt der Grundsatz der Privatautonomie, d.h. jeder Einzelne ist frei darin, seine privaten Lebensverhältnisse selbstständig und nach seinem Willen durch Rechtsgeschäfte zu gestalten. Das Kernelement der Privatautonomie ist die Vertragsfreiheit: Dabei ist es jeder Person selbst überlassen, ob und mit wem sie einen Vertrag schließen will (Abschlussfreiheit). Auch über den Inhalt des Vertrages können die Parteien grundsätzlich frei entscheiden (Gestaltungsfreiheit). Unsere Rechtsordnung sieht jedoch Einschränkungen der Privatautonomie vor, um einen Missbrauch der genannten Freiheiten zu vermeiden. Im Folgenden wird erläutert, wo im Gesetz solche Einschränkungen zu finden sind und was für Folgen es hat, wenn diese nicht beachtet werden.

 

I. Form des Rechtsgeschäfts

1. Sinn und Zweck der Formvorschrift

Ein Element der Vertragsfreiheit ist die Formfreiheit. Grundsätzlich sind Rechtsgeschäfte also formlos wirksam, d.h. der Erklärende kann frei wählen, ob er seine Erklärung mündlich oder schriftlich abgeben will. Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Grundregel in Fällen, in denen die Parteien etwas Abweichendes vereinbart haben oder das Gesetz die Einhaltung einer bestimmten Form vorschreibt. Eine solche Formvorschrift erfüllt verschiedene Funktionen: Zum einen erfüllt sie eine Beweisfunktion, da durch die Formeinhaltung Klarheit darüber herrscht, ob bzw. zu welchen Bedingungen die Parteien einen Vertrag geschlossen haben. Des Weiteren kommt der Einhaltung einer bestimmten Form eine Warnfunktion zu, welche den Schutz vor übereiligen Abschlüssen eines wichtigen Rechtsgeschäfts mit weitreichenden Konsequenzen bezwecken soll. Letztlich soll, sofern die notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist, auch eine juristische Beratung über die Auswirkungen des Rechtsgeschäfts erreicht werden. Es wird also eine Beratungsfunktion bezweckt.

 

2. Einzelne Formvorschriften

a) Schriftform

Sofern das Gesetz die Einhaltung der Schriftform vorschreibt, muss gem. § 126 Abs. 1 BGB eine Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden. Unter einer Urkunde ist die schriftliche Verkörperung einer Erklärung zu verstehen. Die Unterzeichnung muss unter dem Text stehen, sie muss diesen also abschließen. Eigenhändig bedeutet, dass die Unterschrift handschriftlich abgegeben werden muss. Durch die Eigenhändigkeit wird eine mögliche Stellvertretung jedoch nicht ausgeschlossen. Solange der Vertreter deutlich macht, dass er nicht im eigenen Namen handelt, kann er die Erklärung mit seinem Namen und einem die Vertretung kennzeichnenden Zusatz (z.B. „in Vertretung“, „im Auftrag“) unterschreiben.

Beispiel: Gem. § 568 Abs. 1 BGB bedarf die Kündigung eines Mietverhältnisses der schriftlichen Form.

 

b) Elektronsiche Form

Gem. § 126 Abs. 3 BGB kann die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Für die Einhaltung der elektronischen Form ist es nach 126a Abs. 1 BGB erforderlich, dass der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versieht. Elektronische Dokumente sind alle Daten, die in Schriftzeichen umgewandelt und somit lesbar gemacht werden. Die elektronische Signatur ersetzt die bei der Schriftform erforderliche handschriftliche Unterschrift.

 

c) Textform

Zur Einhaltung der Textform muss gem. § 126b S. 1 BGB eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Es ist ausreichend, wenn sie sich Person des Erklärenden aus dem Text selbst ergibt. Eine eigenhändige Unterschrift ist nicht erforderlich. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, die an ihn persönlich gerichtete Erklärung entweder so aufzubewahren (Erklärung auf Papier) oder zu speichern (elektronische Erklärung), dass sie ihm während eines für ihn angemessenen Zeitraums zugänglich ist. Zusätzlich muss der Datenträger dazu geeignet sein, die Erklärung unverändert wiederzugeben (z.B. Papier, USB-Stick, CD-ROM, Computer-Festplatte, externe Festplatte).

Beispiel: Gem. § 559b Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Mieterhöhung dem Mieter in Textform zu erklären.

 

d) Notarielle Beurkundung

Insbesondere bei dem Abschluss risikoreicher oder folgenreicher Geschäfte ordnen einige Vorschriften die notarielle Beurkundung an. Die notarielle Beurkundung ist ein gesondert geregeltes Verfahren vor dem Notar, welches genauer im Beurkundungsgesetz geregelt ist. Zunächst erfolgt eine Beratung durch den Notar. Daraufhin wird die rechtliche Erklärung dem Notar gegenüber abgegeben, niedergeschrieben, dem Erklärenden vorgelesen, von diesem genehmigt und unterschrieben. Anschließend unterzeichnet der Notar die Niederschrift. Ist für die Wirksamkeit eines Vertrages die notarielle Beurkundung vorgeschrieben, müssen Angebot und Annahme grundsätzlich nicht gleichzeitig beurkundet werden. Es reicht aus, wenn erst das Angebot und dann die Annahme notariell beurkundet werden. In diesem Fall kommt der Vertrag bereits mit Beurkundung der Annahme zustande und nicht erst mit deren Zugang beim Erklärenden des Angebots.

Beispiel: § 311b Abs. 1 S. 1 BGB schreibt die notarielle Beurkundung bei solchen Verträgen vor, durch welche sich eine Partei verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben.

Gem. § 518 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf auch das Schenkungsversprechen der notariellen Beurkundung.

 

3. Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung

a) Nichteinhaltung gesetzlich vorgeschriebener Formvorschriften

Wird eine gesetzlich vorgeschriebene Form von den Parteien nicht eingehalten, ist das Rechtsgeschäft grundsätzlich gem. § 125 S. 1 BGB nichtig. Diese angeordnete Nichtigkeitsfolge ist zwingendes Recht; sie kann von den Parteien also weder wirksam abbedungen noch beschränkt werden. Es kann auch sein, dass bei einem formbedürftigen Rechtsgeschäft bloße Nebenabreden formlos abgeschlossen worden sind, während der Hauptteil des Geschäfts formgerecht ist. In einem solchen Fall ist die Nebenabrede gem. § 125 S. 1 BGB nichtig. Die Wirksamkeit des Hauptteils richtet sich dagegen nach § 139 BGB. Gem. § 139 BGB ist, sofern ein Teil des Rechtsgeschäfts nichtig ist, im Zweifel das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde

Allerdings besteht bei bestimmten formbedürftigen Rechtsgeschäften die Möglichkeit, dass der Formmangel geheilt wird. Durch die Heilung wird das formlos abgeschlossene Rechtsgeschäft wirksam.

Beispiel: Gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt jedoch, dass ein Vertrag bei dem diese Formvorschrift nicht eingehalten wurde seinem ganzen Inhalt nach gültig wird, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.

Gem. § 518 Abs. 2 BGB wird der Formmangel beim Schenkungsversprechen durch Bewirkung der zugesagten Leistung geheilt.

 

b) Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Form

Wie bereits erwähnt sind die Parteien eines Vertrags nach dem Grundsatz der Privatautonomie frei darin, die Einhaltung einer bestimmten Form zu vereinbaren. Sollte die vereinbarte Form nicht eingehalten worden sein, hat dies nicht zwingend die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Durch Auslegung ist zu ermitteln, welchen Zweck die Parteien mit dem Formerfordernis erreichen wollten. Sehen die Parteien die Form als Wirksamkeitsvoraussetzung an (=konstitutive Wirkung), so ist das Rechtsgeschäft bei Nichtbeachtung der Form unwirksam. Andererseits können die Parteien die Form lediglich als Beweissicherungsmittel (= deklaratorische Wirkung) gewollt haben. In einem solchen Fall bleibt das Rechtsgeschäft auch dann wirksam, wenn die vereinbarte Formvorschrift missachtet wurde.

II. Inhaltliche Schranken des Rechtsgeschäfts

Im Rahmen der Vertragsfreiheit sind die Parteien grundsätzlich frei darin zu entscheiden, welchen Inhalt sie ihrem Vertrag geben möchten. Diese Freiheit muss jedoch zum Schutz überragender Interessen der Allgemeinheit eingeschränkt werden. Diese Beschränkung findet sich in den §§ 134, 138 BGB wieder.

 

1. Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, § 134 BGB

Gem. § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

 

a) Verbotsgesetz

Zunächst ist erforderlich, dass überhaupt ein Verbotsgesetz vorliegt. Ein Gesetz im Sinne des BGB ist jede Rechtsnorm (Art. 2 EGBGB). Dieses Gesetz muss die Vornahme eines bestimmten Rechtsgeschäfts untersagen. Dabei ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Rechtsnorm ein solches Verbot ausspricht. Formulierungen wie „kann nicht“, „darf nicht“ oder „ist unzulässig“ liefern dafür Anhaltspunkte. Es kommt jedoch in erster Linie darauf an, ob es mit Sinn und Zweck der Vorschrift unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung bestehen zu lassen.

Beispiele: Ankauf gestohlener Sachen, § 259 StGB; verbotenes Glücksspiel, § 284 Abs. 1 StGB; Schenkung zur Bestechung eines Amtsträgers, § 334 Abs. 1 StGB

 

b) Folgen des Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz

Ferner ist zu beachten, dass nicht jeder Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt. Ein Rechtsgeschäft wegen eines Gesetzesverstoßes ist gem. § 134 BGB nur dann nichtig, wenn sich aus der Verbotsnorm nicht ein anderes ergibt. Es ist also stets nach Sinn und Zweck der Norm zu entscheiden, ob der Verstoß zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen soll. Insbesondere Ordnungsvorschriften wenden sich nur gegen die Art und Weise in der das Rechtsgeschäft vorgenommen wird. Der Erfolg des Rechtsgeschäfts soll dagegen nicht verhindert werden, sodass ein Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt.

Beispiel: Die Ladenschluss- bzw. Ladenöffnungsgesetze sollen nicht verhindern, dass sonntags überhaupt Waren verkauft werden. Diese Regelungen dienen insbesondere dem Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe. Sie gebieten ihrem Sinn und Zweck nach aber keine Nichtigkeit des geschlossenen Kaufvertrages und sind deshalb keine „Verbotsgesetze“ im Sinne des § 134 BGB.

Anders verhält es sich dagegen bei § 1 SchwarzArbG. Um Schwarzarbeit zu verhindern, soll gerade das Rechtsgeschäft (und dessen wirtschaftlicher Erfolg) als solches nicht rechtswirksam sein.

Sofern die Verbotsnorm den konkreten Inhalt des Rechtsgeschäfts verhindern will, führt dies jedoch regelmäßig zu dessen Nichtigkeit.

 

2. Verstoß gegen die guten Sitten, § 138 BGB

a) Sittenwidrigkeit

§ 138 Abs. 1 BGB bestimmt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Dabei stellt sich die Frage, was unter dem Begriff „gute Sitten“ überhaupt genau zu verstehen ist. Sittenwidrigkeit liegt nach der von der Rechtsprechung entwickelten Formel vor, wenn „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstoßen wird. Allerdings bietet auch diese Formel keine konkreten Anhaltspunkte. Es soll jedoch zum Ausdruck gebracht werden, dass von durchschnittlichen Anschauungen der Gesellschaft oder der Gruppen, denen der Handelnde angehört, auszugehen ist. Ob ein Rechtsgeschäft letztendlich sittenwidrig ist, muss im Wege einer Gesamtwürdigung und einer umfassenden Interessenabwägung festgestellt werden. Für die Beurteilung der Frage nach einem Sittenverstoß ist regelmäßig auf den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses abzustellen.

Voraussetzungen:

Damit die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts bejaht werden kann, wird zum einen objektiv vorausgesetzt, dass ein Sittenverstoß vorliegt. Zum anderen ist subjektiv erforderlich, dass der Handelnde die Umstände kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt. Grundsätzlich müssen bei dem Vertrag beide Parteien sittenwidrig handeln. Handelt nur eine Person sittenwidrig, kann die andere Partei ein berechtigtes Interesse daran haben, dass das Rechtsgeschäft dennoch wirksam ist.

Rechtsfolge:

Gem. § 138 Abs. 1 BGB führt ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Grundsätzlich ist nur das Verpflichtungsgeschäft, nicht auch das Verfügungsgeschäft nichtig. Darüber hinaus hat der durch das sittenwidrige Rechtsgeschäft Geschädigte, dem selbst kein Verstoß gegen die guten Sitten vorgeworfen werden kann, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Schädiger nach § 826 BGB.

Fallgruppen:

Im Laufe der Jahre hat die Rechtsprechung einige Fallgruppen entwickelt, die unter den Begriff der Sittenwidrigkeit fallen und die Generalklausel des § 138 BGB ausfüllen sollen. Z.B. kann ein Rechtsgeschäft schon wegen seines Inhalts sittenwidrig sein, weil es auf die Vornahme von allgemein missbilligten Handlungen gerichtet ist.

Beispiel: A verspricht B eine Belohnung dafür, dass dieser eine strafbare Handlung (z.B. einen Mord) begeht.

Ein anderes Beispiel sind die sog. Knebelungsverträge. Darunter sind Verträge zu verstehen, durch die ein Vertragspartner in seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Freiheit übermäßig beschränkt wird und er damit mehr oder weniger dem anderen ausgeliefert ist.

Beispiel: Eine Brauerei verpflichtet einen Gastwirt, in seiner Gastwirtschaft 30 Jahre lang ausschließlich die Erzeugnisse der Brauerei auszuschenken.

 

b) Wucher

Als Sonderfall des sittenwidrigen Geschäfts nennt § 138 Abs. 2 BGB das wucherische Geschäft. Der Tatbestand der Norm enthält objektive sowie subjektive Voraussetzungen.

Objektiv wird ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gefordert. Um ein solches Missverhältnis bestimmen zu können, müssen sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden (z.B. Risikoverteilung, allgemeine Marktlage, Marktüblichkeit).

Auf subjektiver Ebene setzt § 138 Abs. 2 BGB voraus, dass der Wucherer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen ausbeutet. Ausbeuten wird definiert als das bewusste Ausnutzen der schlechten Situation des Geschäftsgegners, um einen übermäßigen Gewinn zu erzielen. Eine Zwangslage ist gegeben, wenn wegen einer gegenwärtig dringenden, meist wirtschaftlichen Bedrängnis ein zwingendes Bedürfnis nach Sach- oder Geldleistungen besteht. Unerfahrenheit ist ein allgemeiner Mangel an Lebens- und Geschäftserfahrung. Jemandem mangelt es hingegen an Urteilsvermögen, wenn dieser Person in erheblichem Maße die Fähigkeit fehlt, sich bei seinem rechtsgeschäftlichen handeln von vernünftigen Beweggründen leiten zu lassen oder die beiderseitigen Leistungen und die wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts richtig zu bewerten. Ein solch mangelndes Urteilsvermögen kommt z.B. bei besonders unklaren oder sonst schwer zu durchschauenden Geschäften in Betracht. Dagegen liegt eine erhebliche Willensschwäche bei verminderter psychischer Widerstandsfähigkeit vor. Diese Situation kann insbesondere bei alkohol- oder drogenabhängigen Menschen auftreten.

Als Rechtsfolge des Wuchers sieht § 138 Abs. 2 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts vor. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit erfasst i.d.R. nicht nur die schuldrechtliche Seite, sondern auch das damit zusammenhängende Erfüllungsgeschäft.

 

III. Scheingeschäft, § 117 BGB

§ 117 BGB regelt die Fälle des sog. Scheingeschäfts.

Eine Scheinerklärung liegt vor, wenn der Erklärende eine empfangsbedürftige Willenserklärung mit Einverständnis des Erklärungsempfängers nur zum Schein abgibt. Die Parteien wollen äußerlich den Anschein erwecken, sie hätten ein Rechtsgeschäft abgeschlossen. Jedoch sind die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht gewollt. Es fehlt also der Rechtsbindungswille der Parteien. Gem. § 117 Abs. 1 BGB ist eine solche Scheinerklärung nichtig.

§ 117 Abs. 2 BGB regelt den Fall, in dem durch das Scheingeschäft (=simuliertes Geschäft) ein anderes, ernstlich gewolltes Geschäft (dissimuliertes Geschäft) verdeckt werden soll. Die Parteien wollen zwar nicht die nach außen erklärte, aber dennoch eine andere Rechtsfolge hervorrufen. In diesem Fall ist das verdeckte (dissimulierte) Geschäft grundsätzlich wirksam, da es ernstlich gewollt ist. Für die Wirksamkeit dieses Geschäft müssen jedoch die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften (z.B. Formvorschriften) eingehalten werden.

 

C. Werkzeuge

Ausbeuten

Das bewusste Ausnutzen der schlechten Situation des Geschäftsgegners, um einen übermäßigen Gewinn zu erzielen.

Zwangslage

Diese ist gegeben, wenn wegen einer augenblicklichen dringenden, meist wirtschaftlichen Bedrängnis ein zwingendes Bedürfnis nach Sach- oder Geldleistungen besteht.

Unerfahrenheit

Der Mangel an Lebens- und Geschäftserfahrung.

Mangel an Urteilsvermögen

Einer Person fehlt in erheblichem Maße die Fähigkeit, sich bei seinem rechtsgeschäftlichen handeln von vernünftigen Beweggründen leiten zu lassen oder die beiderseitigen Leistungen und die wirtschaftlichen Folgend des Geschäfts richtig zu bewerten.

 

Erhebliche Willensschwäche

Eine verminderte Widerstandsfähigkeit.

Scheingeschäft

Eine Scheinerklärung liegt vor, wenn der Erklärende eine empfangsbedürftige Willenserklärung mit Einverständnis des Erklärungsempfängers nur zum Schein abgibt.

 

D. Anwendung

Fallbeispiel

V und K vereinbaren mündlich, dass sie einen Kaufvertrag über ein Grundstück zu einem Preis von 500.000€ abschließen wollen. Um Notariatsgebühren zu sparen, entschließen V und K sich dazu beim Notar einen Kaufpreis von nur 400.000€ anzugeben. Einige Tage später lassen V und K bei dem Notar einen Kaufvertrag über das Grundstück zu einem Preis von 400.000€ notariell beurkunden. Kurz darauf meldet sich V bei K und verlangt von ihm den mündlich vereinbarten Kaufpreis i. H. v. 500.000€.

Frage: Hat V gegen K einen Anspruch auf Zahlung von 500.000€ aus dem mündlich geschlossenen Kaufvertrag über das Grundstück?

Lösung Frage 1

V könnte gegen K einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung i. H. v. 500.000 € aus dem mündlich geschlossenen Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 2 BGB haben. Dies ist der Fall, soweit zwischen ihnen ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist.

I. Einigung

V und K müssten sich auf einen entsprechenden Kaufvertrag geeinigt haben. Eine Einigung setzt zwei inhaltlich übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB, voraus. Hier waren sie sich mündlich darüber einig, dass K das Grundstück zum Preis von 500.000 € erwerben soll. Die Vertragsparteien, der Vertragsgegenstand sowie der Kaufpreis stehen fest, sodass die essen-tialia negotii des Kaufvertrags vorliegen. V und K waren zu dem Zeitpunkt auch Anwesende, sodass die jeweiligen Willenserklärungen ohne weiteres abgegeben und zugegangen und somit wirksam geworden sind. Eine Einigung liegt folglich vor.

II. Wirksamkeit

Die Einigung müsste allerdings auch wirksam sein. Dies könnte vorliegend an einem Formmangel, § 125 S. 1 BGB scheitern.

1. Unwirksamkeit gem. § 125 S. 1 BGB

Der Kaufvertrag könnte aufgrund eines Formmangels gem. § 125 S. 1 BGB nichtig sein. Für Grundstückskaufverträge ordnet § 311b Abs. 1 S. 1 BGB eine notarielle Beurkundung i. S. v. § 128 BGB und dem i.V.m. BeurkG an. V und K haben von N jedoch nur den Kaufvertrag zum Kaufpreis von 400.000 € beurkunden lassen. Eine Beurkundung der Einigung über 500.000€ erfolgte nicht. Somit wurde das Formgebot der §§ 311b Abs.1 S. 1, 128 BGB, BeurkG nicht gewahrt. Zwar besteht gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB die Möglichkeit einer Heilung des Formmangels durch Eintragung und Auflassung im Grundbuch gem. §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine solche Heilung ist jedoch nicht erfolgt. Mithin ist der Kaufvertrag zum Kaufpreis von 500.000€ gem. § 125 S. 1 BGB formnichtig.

2. Zwischenergebnis

Der mündlich geschlossene Kaufvertrag von K und V über das Grundstück ist wegen des Formmangels gem. § 125 S. 1 BGB nichtig.

III. Ergebnis

Eine Einigung von V und K liegt zwar vor, diese ist jedoch unwirksam. Der Anspruch des V aus § 433 Abs. 2 BGB ist nicht wirksam entstanden. V hat damit keinen Anspruch auf Zahlung von 500.000 € aus dem mündlichen Kaufvertrag gegen K.

 

 

Frage 2: Hat V gegen K einen Anspruch auf Zahlung von 400.000€ aus dem notariell beurkundeten Kaufvertrag?

 

Lösung Frage 2

V könnte einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung i. H. v. 400.000 € aus dem notariell beurkundeten Kaufvertrag mit K gem. § 433 Abs. 2 BGB haben. Dies ist der Fall, soweit dieser Vertrag wirksam ist.

I. Einigung

V und K müssten sich auf einen entsprechenden Kaufvertrag geeinigt haben. Eine Einigung setzt zwei inhaltlich übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB, voraus. Sie haben vor dem Notar erklärt, dass K das Grundstück des V zu einem Preis von 400.000 € kaufen soll. Eine Einigung über die essentialia negotii eines Kaufvertrags liegt somit nach außen hin vor. V und K waren im Zeitpunkt der Einigung anwesend, sodass ihre gegenseitigen Willenserklärungen auch zugegangen sind. Eine Einigung zwischen V und K ist somit gegeben.

II. Wirksamkeit

1. Unwirksamkeit gem. § 117 Abs. 1 BGB

Allerdings könnte der Vertrag nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig sein. Demnach ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, nichtig, wenn sie mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn zwar der äußere Schein des Abschlusses eines Vertrags hervorgerufen werden soll, die damit verbundenen Rechtsfolgen von den Parteien aber nicht gewollt sind. Es fehlt ihnen also der tatsächlich geäußerte Rechtsfolgenwillen. Hier haben K und V vor dem Notar erklärt, dass der Kaufpreis für das Grundstück 400.000 € betragen soll. Tatsächlich waren sie sich jedoch einig, dass der Preis bei 500.000 € liegen sollte. Der Vertrag zum Preis von 400.000 € sollte nur deshalb von dem Notar beurkundet werden, um Notariatsgebühren zu sparen (sog. Unterverbriefung). Diese Rechtsfolge war allerdings tatsächlich nicht gewollt. Es liegt somit ein Scheingeschäft vor. Der Vertrag ist gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig.

III. Ergebnis

Der Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB ist nicht wirksam entstanden. V hat damit auch keinen Anspruch auf Zahlung von 400.000 € aus dem notariell beurkundeten Kaufvertrag gegen K.

 


 

E. Selbststudium

http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20160/nichtigkeit

https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/22188/formvorschriften

https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/22880/sittenwidrigkeit

https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/23266/wucherhttp://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/22828/scheingeschaeft