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Einführung: Grundrechte

A. Einführung

Das am 23.05.1949 erlassene Grundgesetz bildet den Kern der Rechts- und Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland und somit die Verfassung der Bundesrepublik – es stellt somit die existenziellen Regelungen für ein geordnetes Zusammenleben auf.

Einen wesentlichen Teil dieser Verfassung stellen die Grundrechte dar, welche in den Art. 1 – 19 GG zu finden sind. Hierauf folgen weitere grundrechtsgleiche Rechte. Die hohe Relevanz der Grundrechte lässt sich bereits auf systematischer Ebene erkennen – denn die Grundrechte und die grundrechtsgleichen Rechte folgen direkt auf die Präambel und stellen somit den Kern der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland dar.

Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, deren Verletzung der Bürger mithilfe der Verfassungsbeschwerde geltend machen kann. Die gutachterliche Prüfung von Grundrechten erfolgt nach dem Muster „Freiheitsrechte vor Gleichheitsrechte“.

Der nachfolgende Beitrag zielt darauf ab, den Lesern eine Einführung in die Thematik der Grundrechte zu bieten. Hierbei liegt der Fokus auf den verschiedenen Grundrechtsarten sowie auf den Schutzfunktionen, der Bindungswirkung und der Grundrechtsträger, wobei auch die europarechtlichen Bezüge kurz dargestellt werden. Abschließend wird die gutachterliche Prüfung erläutert.

Hinsichtlich der Prüfung von Grundrechten im Rahmen der Verfassungsbeschwerde wird auf den gesonderten Beitrag zur Verfassungsbeschwerde verwiesen.

 

B. Grundrechte

Alle Grundrechte haben gemeinsam, dass sie Rechte mit Verfassungsrang sind und als solche unveräußerlich, dauerhaft und einklagbar sind. Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, sie können jedoch auch einen Anspruch auf eine Leistung garantieren bzw. die Existenz eines Instituts gewährleisten.

 

I. Arten von Grundrechten

Grundrechte lassen sich in Freiheits-, Gleichheits- und Justizgrundrechte einteilen.

 

1. Freiheitsgrundrechte

Freiheitsgrundrechte schützen verschiedenste Lebensbereiche und Rechtsgüter des Einzelnen vor staatlichen Maßnahmen und bilden den Schwerpunkt der vom Grundgesetz garantierten Grundrechte.

Das Freiheitsgrundrecht ist verletzt, wenn durch eine staatliche Maßnahme in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen wird und dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann.

Neben speziellen Freiheitsgrundrechten wie zum Beispiel der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG, der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG oder der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG existiert die subsidiäre (d.h. gegenüber anderen Freiheitsrechten nachrangige) allgemeine Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG, welche nur anzuprüfen ist, sofern kein spezielleres Freiheitsgrundrecht einschlägig ist.

 

2. Gleichheitsgrundrechte

Demgegenüber stehen die Gleichheitsgrundrechte, welche eine Ungleichbehandlung durch die öffentliche Gewalt verbieten bzw. nur unter bestimmten Auflagen zulassen.

Neben dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG existieren weitere, spezielle und somit vorrangig zu prüfende Gleichheitssätze. Von besonderer Relevanz sind insbesondere das Benachteiligungsverbot aufgrund des Geschlechts oder einer Behinderung (Art. 3 Abs. 3 GG), das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 2 GG, das Verbot der Ungleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder aus Art. 6 Abs. 5 GG, der Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 GG) sowie die Gleichheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG.

 

3. Justizgrundrechte

Die Justizgrundrechte sind in Art. 101 – 104 GG geregelt und stellen so genannte grundrechtsgleiche Rechte dar, somit subjektive Rechte mit Verfassungsrang, die zwar keine Grundrechte sind, gegen deren Verletzung jedoch ebenfalls der Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde statthaft ist.

 

II. Funktion von Grundrechten

1. Abwehrrechte (status negativus)

In erster Linie sind Grundrechte Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Dies bedeutet, dass Grundrechte dazu dienen, den Kern des Miteinanders zu ordnen und den Bürger vor unzulässigen staatlichen Eingriffen zu schützen.

 

2. Leistungsanspruch/ Leistungsrechte (status positivus)

Neben den Abwehrrechten existieren Grundrechte, die dem Einzelnen eine Leistung durch den Staat garantieren. Diese Leistungsrechte zielen primär auf ein aktives Handeln der öffentlichen Gewalt ab. Relevant werden Leistungsansprüche immer dann, wenn der Einzelne Zugang zu oder die Einrichtung von staatlichen Leistungen begehrt.

3. Mitwirkungsrechte (status activus)

In diesem Zusammenhang garantieren die Grundrechte die Teilhabe an der staatlichen Willensordnung.

 

III. Grundrechtsbindung

Hinsichtlich der Bindung an Grundrechte wird zwischen der unmittelbaren Bindungswirkung und der mittelbaren Drittwirkung differenziert.

 

1. Unmittelbare Bindungswirkung

Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG sind die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt sowie die Rechtsprechung unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Dies bedeutet, dass die Grundrechte – anders als in der Weimarer Reichsverfassung – keine bloßen Absichtserklärungen sind, sondern dass die staatliche Gewalt unmittelbar an sie gebunden ist und gegen eine Verletzung der Grundrechte mittels einschlägigem Rechtsbehelf vorgegangen werden kann.

Da es allerdings nicht darauf ankommen darf, wie bzw. durch wen konkret die vollziehende Gewalt ihre Aufgaben wahrnimmt, unterfallen der unmittelbaren Wirkung auch Beliehene, d.h. Private, die hoheitliche Aufgaben im eigenen Namen wahrnehmen.

 

2. Mittelbare Drittwirkung

Durch die Klarstellung in Art. 1 Abs. 3 GG, dass die staatliche Gewalt unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist, ist eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte zwischen Bürger und Bürger abzulehnen.

Allerdings ist eine sog. „mittelbare Drittwirkung“ der Grundrechte anerkannt: Hiernach wirken die Grundrechte nicht unmittelbar im Verhältnis zwischen den Bürgern, sondern nur mittelbar über die Bindung der Rechtsprechung an die Grundrechte – Einfluss in privatrechtliche Streitigkeiten finden die Grundrechte somit über unbestimmte Rechtsbegriffe und über die Auslegung der jeweiligen Normen.

 

IV. Grundrechtsträger

Als Grundrechtsträger kommen sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts in Betracht.

 

1. Natürliche Personen

Der Mensch ist als Träger von Rechten und Pflichten eine natürliche Person im Sinne des Gesetzes. In den einzelnen Grundrechten findet sich jedoch ein Unterscheidungskriterium, wer sich auf welche Grundrechte berufen kann.

Lesen und vergleichen Sie die Formulierungen von Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 GG:

Was fällt Ihnen auf?

In Art. 8 Abs. 1 GG gilt der Anwendungsbereich des Grundrechts für „alle Deutschen“. Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, vgl. Art. 116 Abs. 1 GG.

In Art. 2 Abs. 1 GG hingegen heißt es: „Jeder hat das Recht …“. Diese Formulierung ist weiter und beschränkt den Anwendungsbereich nicht auf „Deutsche“.

 

a) Jedermanngrundrechte / Deutschengrundrechte

Zunächst ist zwischen Jedermann- und Deutschengrundrechten zu differenzieren.

Während sich auf die Jedermanngrundrechte grundsätzlich Jedermann berufen kann, ist der persönliche Schutzbereich bei Deutschengrundrechten deutlich eingegrenzter: Der persönliche Schutzbereich ist nur dann eröffnet, wenn das Grundrecht von einem Deutschen iSd. Art. 116 GG geltend gemacht wird.

Hinsichtlich der Deutschengrundrechte ist jedoch umstritten, ob diese auch auf Ausländer und Unionsbürger angewendet werden können.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit auf Unionsbürger wird vertreten, dass diese lediglich über die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG geschützt seien – mithin, dass die Deutschengrundrechte nicht anwendbar seien. Begründet wird diese Ansicht mit dem Wortlaut. Hierbei wird jedoch verkannt, dass auf europarechtlicher Ebene ein Benachteiligungsverbot existiert (Art. 18 AEUV). Somit ist die entgegenstehende Ansicht, die die direkte Anwendbarkeit von Deutschengrundrechten auf Unionsbürger unter Verweis auf den „effetutile“-Grundsatz aus Art. 4 Abs. 3 EUV bejaht, vorzugswürdig. Hinsichtlich der Anwendbarkeit von Deutschengrundrechten auf Ausländer ist es indes einfacher: Ausländer sind keine Deutschen im Sinne des Art. 116 GG und können sich demnach nicht auf Deutschengrundrechte berufen. Ihnen verbleibt nur der Schutz über die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Hierdurch kann eine saubere Abgrenzung zwischen Ausländern und Unionsbürgern erfolgen.

 

b) Zeitliche Geltung

Fraglich ist zudem die zeitliche Geltung der Grundrechte. Grundrechte gelten zeitlich nicht unbegrenzt, sondern beginnen mit der Zeugung und enden grundsätzlich mit dem Tod des Menschen.

Bereits der Nasciturus, d.h. das bereits gezeugte, jedoch noch ungeborene Kind, hat einen Grundrechtsschutz hinsichtlich seiner Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG sowie seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG inne.

Das grundsätzliche Ende des Grundrechtsschutzes bildet der Tod des Menschen, d.h. mit dem Tod erlischt die Grundrechtsfähigkeit, sodass ein Schutz lediglich noch einfachgesetzlich über die Strafvorschriften der Störung einer Bestattungsfeier (§ 167a StGB), Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) sowie der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) erfolgt. Einzige Ausnahme hiervon ist das postmortale Persönlichkeitsrecht, welches unter strengen Voraussetzungen die Fortwirkung des Persönlichkeitsschutzes eines Menschen über dessen Tod hinaus gestattet.

 

c) Grundrechtsmündigkeit

Die Grundrechtsmündigkeit meint die Fähigkeit, Grundrechte wahrzunehmen und ist von der Grundrechtsfähigkeit strikt zu trennen. Letztere beschreibt die Fähigkeit, Träger von Grundrechten zu sein.

Grundrechtsfähig ist jeder Mensch, mithin auch Minderjährige.

Problematisch ist die Grundrechtsmündigkeit insbesondere bei psychisch Kranken, Kindern und Minderjährigen.

Nach vorwiegender Ansicht kommt es bei der Grundrechtsmündigkeit auf die persönliche Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit des Betroffenen an. Hierfür spricht, dass starre Altersgrenzen im Grundgesetz abschließend geregelt sind (vgl. Art 12a Abs. 1 GG) und keine normative Grundlage für eine altersmäßige Einschränkung der Grundrechtsmündigkeit ersichtlich ist.

Nach anderer Ansicht existiert hingegen eine starre Altersgrenze, welche bei 18 Jahren liegt. Diese Ansicht vernachlässigt allerdings die Kategorie der psychisch Kranken und überzeugt somit nicht.

 

2. Juristische Person öffentlichen Rechts

Fraglich ist, ob sich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts auf die Grundrechte berufen können.

Grundsätzlich wird die Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit dem Argument, dass der Staat nicht zugleich Grundrechtsberechtigter und Grundrechtsverpflichteter sein könne, verneint.

Hiervon sind jedoch die folgenden Ausnahmen anerkannt: Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Universitäten hinsichtlich Art. 5 Abs. 3 GG und Religionsgesellschaften sind hinsichtlich Art. 4 GG grundrechtsberechtigt.

 

3. Juristische Personen bürgerlichen Rechts

Anerkannt ist bezüglich der juristischen Personen des Zivilrechts, dass diese sich auf Grundrechte berufen können, sofern diese gem. Art. 19 Abs. 3 GG „ihrem Wesen nach“ auf die juristische Person anwendbar sind. Ob dies der Fall ist, wird anhand der „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ ermittelt: Eine grundrechtstypische Gefährdungslage ist gegeben, wenn die juristische Person in vergleichbarer Weise wie eine natürliche Person in ihren Aufgaben und Funktionen durch die staatliche Gewalt beeinträchtigt werden kann.

 

V. Prüfung von Grundrechten (in Klausuren)

1. Freiheitsgrundrechte

Freiheitsgrundrechte sind Grundrechte, die ein bestimmtes Tun oder Unterlassen regeln. Die Prüfung von Freiheitsgrundrechten erfolgt in drei Schritten.

a) Schutzbereich

Zunächst müsste der Schutzbereich des entsprechenden Grundrechts eröffnet sein.

aa) Persönlicher Schutzbereich

Im Rahmen dieses Prüfungspunktes wird geprüft, ob der Beschwerdeführer Träger des geltend gemachten Grundrechts sein kann. Hierbei können, insbesondere durch den europarechtlichen Einfluss, zahlreiche Probleme auftreten. Von besonderer Relevanz ist hierbei die Unterscheidung zwischen Deutschen- und Jedermanngrundrechten.

bb) Sachlicher Schutzbereich

Im Rahmen der Prüfung des sachlichen Schutzbereichs wird erörtert, ob das Verhalten des Beschwerdeführers vom Schutzgehalt des geltend gemachten Grundrechts gedeckt bzw. umfasst ist.

Beispiel: B wird wegen seiner Äußerung im sozialen Netzwerk F, Politikerin K sei eine „Drecks F***“, „Sondermüll“ und ein „Stück Sch***“, vom zuständigen Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 1.300,- € verurteilt. Nachdem dieses Urteil auch letztinstanzlich bestätigt wurde, erhebt B Verfassungsbeschwerde zum BVerfG – er sieht seine Meinungsäußerungsfreiheit als verletzt an. Ist der sachliche Schutzbereich vorliegend eröffnet?

Das Beispiel ist dem Fall Renate Künast (näher dazu: hier und hier) entlehnt. Die konkreten Formulierungen werden hier bewusst nicht wiederholt.

Fraglich ist, ob vorliegend der sachliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG eröffnet ist. Nach ständiger Rechtsprechung sind Meinungsäußerungen Werturteile jeder Art, die darauf gerichtet sind, im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung eine Überzeugung zu bilden. Bezeichnet der Beschwerdeführer allerdings wie vorliegend eine andere Person als „Drecks F***“, „Sondermüll“ oder als „Stück Sch***“, so steht nicht mehr die sachliche bzw. geistige Auseinandersetzung und die Bildung einer Überzeugung im Vordergrund, sondern die Diffamierung der Betroffenen. Ebenfalls vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG erfasst sind Werturteile. Werturteile sind anzunehmen, wenn die Äußerung durch Elemente der subjektiven Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, sofern die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Behauptung einer Sache der persönlichen Überzeugung bleibt. Da insbesondere die Richtigkeit der getätigten Äußerungen keine Sache der persönlichen Überzeugung bleibt, scheidet auch das Vorliegen eines Werturteils aus. Mithin ist der sachliche Schutzbereich vorliegend nicht eröffnet.

b) Eingriff

Ferner müsste das staatliche Handeln einen Eingriff in das Grundrecht darstellen.

Nach dem modernen Eingriffsbegriff liegt ein Eingriff bei jeder Beschränkung des Freiheitsbereiches durch den Staat vor. Dieser sehr weite Eingriffsbegriff kann jedoch mithilfe des klassischen Eingriffsbegriffs konkretisiert werden. Demnach ist ein Eingriff mit jeder finalen, unmittelbaren, imperativen Beschränkung des Schutzbereiches eines Grundrechts durch Rechtsakt gegeben. Sofern ein Eingriff nach klassischem Begriffsverständnis gegeben ist, erübrigt sich eine Prüfung nach modernem Begriffsverständnis – bei Zweifeln sollte dem klassischen Eingriffsbegriff gefolgt werden.

c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Zuletzt gilt es zu klären, ob der soeben festgestellte Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann.

aa) Schranke

Im Rahmen des Prüfungspunktes „Schranke“ genügt die Feststellung, wie das Grundrecht eingeschränkt werden kann. Hierbei kann zwischen einem Gesetzesvorbehalt und so genannten verfassungsimmanenten Schranken differenziert werden.

Die Freiheiten, die der Staat durch die Grundrechte seinen Bürgern garantiert, gelten natürlich nicht unbegrenzt. Vielmehr gibt es zahllose Konstellationen, in denen der Staat gewisse Freiheiten, die zwar vom Schutzbereich eines Grundrechts geschützt sind, bspw. durch ein Gesetz einschränkt. Der Staat behält sich vor, grundrechtliche Freiheiten einzuschränken. Dies kann durch oder aufgrund eines Gesetzes geschehen. Daher spricht man vom Gesetzesvorbehalt (s. z.B. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG).

Bei Gesetzesvorbehalten wird außerdem differenziert zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Ein einfacher Gesetzesvorbehalt liegt vor, wenn an das einschränkende Gesetz keine weiteren Anforderungen gestellt werden – ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt liegt dementgegen vor, wenn an das einschränkende besondere Voraussetzungen geknüpft werden. Als Beispiel für einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt ist Art. 5 Abs. 2 GG zu nennen

Eine verfassungsimmanente Schranke liegt dann vor, wenn das Grundrecht zunächst schrankenlos gewährleistet wird (s. z.B. Art. 4 GG). In der Prüfung kommt es dann darauf an, ob es andere verfassungsrechtlich geschützte Positionen gibt, die der Ausübung der Freiheit entgegenstehen. Ziel muss es sein, die beiden Verfassungsgüter in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen (in der Fachsprache nennt man das „praktische Konkordanz“).

bb) Schranken-Schranke / Verfassungsmäßigkeit der Regelung

Wird das Grundrecht „durch oder aufgrund eines Gesetzes“ beschränkt, gliedert sich die weitere Prüfung wie folgt:

In einem ersten Schritt ist zu prüfen ob die einschränkende Regelung formell verfassungsgemäß ist. Hierbei stellen sich beispielsweise folgende Fragen:

War die agierende staatliche Stelle überhaupt zuständig für den Erlass der betreffenden Regelung?

Ist das Gesetz in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen?

Als zweiter Schritt ist sodann zu prüfen, ob „die Schranke“ materiell verfassungsgemäß ist. Neben anderen Fragen, die an dieser Stelle nicht behandelt werden, stellt sich hier die Frage, ob die Regelung verhältnismäßig ist?

d) Ergebnis

Schließlich ist das Ergebnis festzuhalten: Wurde in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen, hängt die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Eingriffs davon ab, ob es dafür eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung gab (s.o. u. c)). Wurde das Grundrecht in verfassungskonformer Weise eingeschränkt (s. aa) und bb)) ist der Eingriff gerechtfertigt. Die betreffende Regelung ist verfassungskonform. Scheitert die Prüfung bspw. daran, dass die Regelung unverhältnismäßig in die Rechte der betreffenden Personen eingreift, ist die Regelung verfassungswidrig.

Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit von Grundrechtseingriffen ist im Übrigen Gegenstand der Individualverfassungsbeschwerde.

 

 

2. Gleichheitsgrundrechte

Gleichheitsgrundrechte regeln, dass gleiche Sachverhalte auch gleichbehandelt werden müssen und verbieten somit ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen. Im Gegensatz zu den Freiheitsrechten unterteilt sich die Prüfung von Gleichheitsgrundrechten in zwei Prüfungsschritte, namentlich der Feststellung einer Ungleichbehandlung und derer verfassungsrechtlicher Rechtfertigung. Nachfolgend wird der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG erläutert, daneben existieren noch weitere, spezielle Gleichheitsrechte, die als lex specialis dem allgemeinen Gleichheitssatz in der Prüfung vorangehen.

 

D. Wiederholungsfragen

Frage 1: Was ist das Grundgesetz?

Frage 2: Was sind Grundrechte?

Frage 3: Welche Arten an Grundrechten kennen Sie?

Frage 4: Definieren Sie den Eingriff.

Frage 5: Welche zwei Funktionen können Grundrechte haben?