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Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Schwedt/Oder

Foto: Stadtmuseum Schwedt/Oder
Das denkmalgeschützte Tempeldienerhaus mit dem Eingang zum Ritualbad (Mikwe) in Schwedt/Oder

Ob bereits im Mittelalter Juden in Schwedt gelebt haben, ist nicht mehr nachzuweisen. Der einzige Hinweis, der sich darauf erhalten hat, ist die Erwähnung einer „Jüdenstraße“ aus dem Jahr 1573.
Nach der Vertreibung der Juden aus Brandenburg im 16. Jahrhundert beginnt die neuzeitliche Geschichte der Schwedter Juden Ende des 17. Jahrhunderts. Bendix Levi, der bereits seit 1662 in Oderberg gelebt hatte, wurde 1672 obdachlos, weil sein Haus abbrannte. Daraufhin nahm ihn die Kurfürstin Dorothea in ihren Besitz, die Herrschaft Schwedt, auf. Wenig später erteilte ihm der „Große Kurfürst“, Friedrich Wilhelm die offizielle Aufenthaltserlaubnis, den sog. „Schutzbrief auf Schwedt“.

Bis 1718 blieb die Familie Levi die einzige jüdische Familie in Schwedt. Nur der älteste Sohn, Caspar Levi, erhielt einen „Schutzbrief auf Schwedt“. Die anderen Verwandten durften sich zwar weiterhin in Brandenburg aufhalten, mussten sich aber in anderen Städten niederlassen.

Seit 1720 lebten drei jüdische Familien in Schwedt, die fast bis Ende des 18. Jahrhunderts unter sich blieben. Erst zwischen 1787 und 1805 erhielten vier auswärtige Familienväter Schutzbriefe für Schwedt. Aus dem Jahr 1812, in dem das „Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden“ erlassen wurde und die Juden Staatsbürgerrechte erhielten, liegt uns für Schwedt eine vollständige Liste von 37 erwachsenen jüdischen Einwohnern vor, denen ein „Staatsbürgerbrief“ ausgehändigt wurde. Es waren dies 13 Familienväter, die schon vor 1812 eine offizielle Aufenthaltsgenehmigung hatten, sowie 24 weitere Personen mit sogenannten „Duldungen“, bei denen es sich meist um alleinstehende Bedienstete handelte.

Durch die 1812 neu gewonnene Niederlassungs- und Gewerbefreiheit veränderte sich die Zusammensetzung der Gemeinde im Laufe des 19. Jahrhundert ständig. Insgesamt nahm die Gemeindegröße im Laufe des 19. Jahrhundert zunächst zu, gegen Ende des Jahrhunderts wieder ab. Im Jahr 1860 lebten 180 jüdische Einwohner in Schwedt, davon waren 37 schulpflichtige Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren. Die Geschicke der jüdischen Gemeinde wurden zu diesem Zeitpunkt von 30 stimmberechtigten männlichen Mitgliedern bestimmt. Dagegen zählte die kleine Filialgemeinde in Vierraden zu dieser Zeit nur 12 männliche Mitglieder.

Im Jahr 1841 trat der Rabbiner Nathan Hirsch Kuttner in den Dienst der Schwedter Gemeinde. Neben seinen gottesdienstlichen Verpflichtungen erteilte er den Kindern Religionsunterricht und bis Ende der sechziger Jahre auch allgemeinen Schulunterricht. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten mit einigen Mitgliedern, die sogar zu einer vorübergehenden Spaltung der Gemeinde führten, blieb Kuttner den Schwedtern treu und feierte im Jahr 1891 sein 50 jähriges Dienstjubiläum.

Erst seit 1789 hatten die Schwedter Juden eine Synagoge. Es wurde dazu ein bestehendes Haus erworben und zu einem Betsaal umgestaltet. Mitte des 19. Jahrhunderts war das Gebäude derart baufällig, dass man sich entschloss an anderer Stelle, in der Harlanstraße, eine neue Synagoge zu bauen. Diese wurde am 18. September 1862 eingeweiht. Neben der neuen Synagoge wurde wenig später ein neues Ritualbad („"Mikwe“") errichtet, da das alte im Hof der ersten Synagoge ebenfalls nicht mehr genutzt werden konnte.

In der Pogromnacht 1938 wurde die Synagoge verwüstet und anschließend abgerissen. Die Mikwe sowie das auf demselben Gelände stehende Synagogendienerhaus überstanden die Zeit des Nationalsozialismus. Die Mikwe wurde jedoch bis in die 60er Jahre mit Abfall zugeschüttet. 1988 beräumten Mitglieder der Kulturbund-Gesellschaft für Denkmalpflege der DDR gemeinsam mit anderen ehrenamtlichen Helfern den Kuppelbau der Mikwe von Schutt. In den Jahren 2008/2009 erfolgte eine umfangreiche, denkmalgerechte Rekonstruktion des Gebäudeensembles, das heute eine Einrichtung der Städtischen Museen Schwedt/Oder ist.

Um 1930 haben noch etwa 135 jüdische Einwohner in Schwedt gelebt. In den dreißiger Jahren, als die Verfolgung der Juden im nationalsozialistischen Deutschland immer bedrohlicher wurde, sind viele nach Berlin gezogen, weil sie sich in der Anonymität der Großstadt zunächst sicherer wähnten. Das letzte Protokoll einer Gemeindeversammlung liegt uns von 1939 vor. Es waren bei dieser Versammlung noch 17 jüdische Personen aus fünf Familien anwesend.

Zwar ist einigen Schwedter Juden noch rechtzeitig die Flucht ins Ausland gelungen, jedoch sind mindestens 70 Menschen ermordet worden. Ihre Namen sind in der Datenbank der Gedenkstätte Jad-wa-Schem in Jerusalem festgehalten und können dort eingesehen werden (www.yadvashem.org).

Brigitte Heidenhain

 

Quellen und Literatur:

GStA PK, I. HA, Rep. 21, Nr. 212 s 1, Fasz. 1 bis 5 (1665-1788)
StA Schwedt, Jüdische Akten (1812)
CJA 1, 75 Schw 2, Nr. 1ff.
BLHA Rep. 5 E, Nr. 211 (1939-1941)
BLHA Rep. 2 A I Kom, Nr. 5904/1 (1838)

Hans-Georg Eichler, Jüdischer Friedhof und jüdische Gemeinde zu Schwedt/O., 41. Beitrag zur Denkmalpflege, Schwedt/Oder, 1978, unveröff. Manuskript.

Brigitte Heidenhain, Juden in Schwedt - Ihr Leben in der Stadt von 1672 bis 1942, Potsdam 2010.

Katrin Keßler, Die Bauwerke der jüdischen Gemeinde in Schwedt/Oder, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2007.

Info-Blatt der Städtischen Museen Schwedt / Oder zum Bauensemble Jüdisches Ritualbad und Synagogendienerhaus, Schwedt 2010.

Stadtmuseum Schwedt, Jüdischer Friedhof, 2 Bände, Arbeitsmaterial, 1996.