Zum Hauptinhalt springen

Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Beeskow

Umgewidmete Synagoge in Beeskow
Foto: Anke Geißler-Grünberg
Umgewidmete Synagoge in Beeskow

Direkt am Handelsweg zwischen den Messestädten Leipzig und Frankfurt (Oder) liegend, besaß Beeskow auch als Tor zur Niederlausitz eine weitreichende Bedeutung für die jeweiligen Landesherren. Die Stadt an der Spree wurde darum 1706 königliche Immediatstadt und beherbergte zwei Husareneskadronen. Tuchherstellung, Handwerk, Schifffahrt, das Brauereigewerbe sowie Landwirtschaft bestimmten die wirtschaftliche Tätigkeit.

Juden sollen sich hier bereits 1680 angesiedelt haben, also knapp neun Jahre nach der Wiederzulassung von Juden in der Mark Brandenburg durch Kurfürst Friedrich Wilhelm. Entsprechend einer tabellarischen Aufstellung der in Potsdam, Beeskow, Storkow, Trebbin, Belitz, Mittenwalde, Zossen und Teupitz wohnenden vergleiteten und unvergleiteten Judenfamilien lebten im Jahr 1720 die zwei „unvergleiteten“ Familien Isaac Samuel und Bendiches Levin mit Frau, Kindern und Knechten in der Stadt. Sie verlegten die Tuchmacher, Schuster und Weißgerber mit Wolle, Fellen und Häuten und handelten mit „allerhand kleinen Kramwaren“ und Fleisch. An dieser Stelle gab es offenbar immer mal wieder Beschwerden aus der Mehrheitsgesellschaft, wie das Dokument berichtet. In Zivilsachen unterstanden sie dem Beeskower Magistrat, in Kriminalangelegenheiten dem Patrimonialgericht. 

Außerdem beschäftigten beide Familien für die Kinder einen Schulmeister mit Knecht, denen sie Unterhalt zahlten. Bei Isaac Samuel kam man zu gemeinsamen Gottesdiensten zusammen. In Frankfurt (Oder) lebte aber der für sie zuständige Rabbiner, dort begruben sie ihre Toten und nahmen dort auch an Gottesdiensten teil.

1801 lebten in Beeskow 2.402 Menschen, von denen 16 in vier Familien der jüdischen Kultur und Religion folgten und damit unter dem zweifelhaften Schutz des Preußenkönigs standen. Im Sommer 1812 erhielten neun Beeskower Juden – Hirsch Marcus, Esajas Callmann, Esajas Moses (Fließ), Hirsch Daniel, Sina Marcus, Joachim Marcus, Joseph Moses sowie die unverheiratete Henriette Abraham und die unverheiratete Bone Moses – die preußische Staatsbürgerschaft, die ihnen auf Grundlage des Emanzipationsedikts vom März des gleichen Jahres auf Antrag gewährt wurde: Fortan durften sie ihren Wohnsitz sowie ihre Handels- und Gewerbetätigkeit frei wählen. 

Unter Einbeziehung der erhaltenen Grabsteine des Friedhofes lässt sich feststellen, dass die Familien Moses und Marcus in der Stadt blieben – und hier wahrscheinlich als Kaufleute je ein Handelsgeschäft betrieben. Nach einem verheerenden Brand im nahe gelegenen Friedland kamen drei jüdische Familien bei ihren Verwandten in Beeskow unter; Moses Israel nutzte die Chance für einen Verbleib in der Stadt an der Spree. 

Riehl und Scheu berichten, dass die jüdische Gemeinschaft in Beeskow 1861 insgesamt 43 Personen umfasste und einen Betsaal besaß. Dies ist untertrieben, handelte es sich doch bei diesem Ort um ein komplett neues Haus – eine Synagoge, die 1860 in der heutigen Brandtstraße erbaut wurde. Die Juden der Stadt hatten sich also zuvor zu einer Gemeinde zusammengeschlossen und damit auch einen eigenen Friedhof angelegt, weit außerhalb der Stadt. Bei einer auf 3.852 Einwohner angewachsenen Stadtbevölkerung belief sich ihr Anteil auf 1,11%. Während die gesamte Einwohnerzahl bis 1890 auf 5.144 Personen wuchs, vergrößerte sich die Zahl der Juden in der Stadt lediglich auf 53 Gemeindemitglieder. Die Abwanderung der Bevölkerung in die werdende Industrie-Metropole Berlin traf die Beeskower Jüdische Gemeinde besonders schmerzlich. Denn bis 1910 verringerte sich ihre Zahl nochmals auf 32. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges 1918 beschlossen die drei, noch in Beeskow verbliebenen jüdischen Familien die Auflösung ihrer Gemeinde. Sie schlossen sich der Synagogengemeinde in Fürstenwalde an und verkauften ihre Synagoge an eine Privatperson. Damit überstand dieses Gebäude unzerstört die nachfolgende NS-Zeit und ist heute ein Wohnhaus.

1933 gab es noch einige wenige Juden in Beeskow, zu denen Rosa und Ludwig Warschauer gehörten. Denn ihre Textilhandlung Beermann in der Breiten Straße wurde am 10. November 1938 im Rahmen der reichsweiten Pogromnächte gegen jüdische Einrichtungen und Personen vollkommen zerstört. Nach dem Tod von Felix Beermann hatte seine Witwe Rosa das traditionsreiche Geschäft weitergeführt und 1935 den aus Wittstock stammenden Ludwig Warschauer geheiratet. Da sie sich in Beeskow nicht mehr sicher fühlten, tauchten sie im unübersichtlichen Berlin unter. Sie wurden jedoch enttarnt und über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert, wo sie am 9. Oktober 1944 ermordet wurden. 
Im nordwestlich von Beeskow gelegenen Radinkendorf errichtete die Gestapo Potsdam am 1. April 1940 auf einem Gelände der evangelischen Diakoniebund Glaubensdienst GmbH ein „Jüdisches Arbeitsheim“, um hier „wegen Überschreitung der Altersgrenze nicht evakuierungsfähige Juden, die noch transportfähig sind“ zu sammeln. In dieser, von der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland geleiteten Anlage wurden bis April 1943 ca. 300 Menschen festgehalten, die zuvor aus ihren Heimatorten vertrieben worden waren. Auch sie wurden schließlich deportiert. 

Am Ende der NS-Zeit gab es in Beeskow keine Juden mehr, auch verblasste die Erinnerung an sie bis zur Unkenntlichkeit. Erst 2014 erfolgte die Verlegung von zwei Stolpersteinen für Rosa und Ludwig Warschauer. Nur 24 Stunden später waren sie ausgegraben und gestohlen, wurden aber auf Initiatives des Fördervereins Burg Beeskow umgehend erneuert. Selbst die Umgestaltung des jüdischen Friedhofs Mitte der 1980er Jahre als Anerkennung eines besonderen historischen Erbes blieb im Stadtbild dauerhaft und bis heute ohne Resonanz. 

Anke Geißler-Grünberg
 

Quellen, Literatur und Internet

Begräbnißplätze der Juden (No. 196) vom 20.05.1814, in: Amtsblatt der Königlichen Kurmärkischen Regierung (24) 1814, S. 234.

Beitrag zur Statistik. Historisches Gemeindeverzeichnis des Landes Brandenburg 1875-2005. Landkreis Oder-Spree, Bd. 19.9, hrsg. vom Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik – Dezernat Bevölkerung, Potsdam 2006, S. 14.

Tabelle der in Potsdam, Beeskow, Storkow, Trebbin, Belitz, Mittenwalde, Zossen und Teupitz wohnenden vergleiteten und unvergleiteten Judenfamilien vom 26.06.1720, in: Selma Stern: Der preußische Staat und die Juden, Bd. II/2, Tübingen 1962, S. 101-123.

Verzeichnis der in den Städten und auf dem platten Lande des Kurmärkuischen Regierungsdepartements wohnenden Juden, welche nach § 4 und 5 des Edikts vom 11ten März 1812, die bürgerlichen Verhältnisse derselben im Preuß. Staate betreffend und nach der dazu gehörigen Instruktion v. 25sten Juni 1812 Staatsbürgerbriefe erhalten haben, in: Amtsblatt der Königlichen Churmärkischen Regierung zu Potsdam No. 40 (7. Okt. 1814).

 

Friedrich W. A. Bratring: Statistisch-topographische Beschreibung der gesammten Mark Brandenburg, Bd. 2: Die Mittelmark und Ukermark, Berlin 1805, S. 437f.

Michael Brocke / Eckehart Ruthenberg / Kai Uwe Schulenburg: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Berlin 1994, S. 247-250.

Ruth Buder: Stolpersteine werden nach Diebstahl erneut verlegt, in: Märkische Oderzeitung, vom 14.04.2014.

Judith Kessler / Lara Dämmig: Jüdisches im Grünen. Ausflugsziele im Berliner Umland, Berlin 2007, S. 22-24.

Carl Petersen: Geschichte des Kreises Beeskow-Storkow, Beeskow 1922, S. 13ff.

W. Riehl / J. Scheu (Hrsg.): Berlin und die Mark Brandenburg mit dem Markgrafenthum Nieder-Lausitz in ihrer Geschichte und in ihrem gegenwärtigen Bestande, Berlin 1861, S. 326f.

Alfred Roggan / Tobias Preßler: Das Modell Friedland. Vom Zusammenleben deutscher, jüdischer und wendischer Bewohner in einer Niederlausitzer Kleinstadt, Potsdam 2022, S. 127, 136, 153, 170.

Monika Schmidt: Übergriffe auf verwaiste jüdische Gräber. Friedhofsschändungen in der SBZ und der DDR, Berlin 2016, S. 93f, 101f, 117.

Reinhard Schmook: Beeskow (Kreisstadt, Land Brandenburg), in: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Berlin 1992, S. 82f.

Frank Schwarz: Jüdischer Friedhof geschändet, in: Märkische Oderzeitung, vom 17.10.2003.

Wolfgang Weißleder: Der gute Ort. jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, hrsg. vom Verein zur Förderung Antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam e.V., Potsdam 2002.

 

Alemannia Judaica: Jüdische Friedhöfe, URL: https://www.alemannia-judaica.de/brandenburg_friedhoefe_1a.htm [01.08.2025]

Klaus-Dieter Alicke: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, URL: https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/e-g/670-fuerstenwalde-brandenburg [01.08.2025]

Luckauer Juden. Versuch einer Spurensuche, URL: http://www.luckauer-juden.de/Teil9.html [01.08.2025]

Yad Vashem: Radinkendorf, URL: https://collections.yadvashem.org/en/search-results/Radinkendorf?page=1#relevant [01.08.2025]