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Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Biesenthal

Der Friedhof. Die einzige Erinnerung an einstiges jüdisches Leben in Biesenthal
Foto: Anke Geißler-Grünberg
Der Friedhof. Die einzige Erinnerung an einstiges jüdisches Leben in Biesenthal

Als der nachmalige Große Kurfürst Friedrich Wilhelm 50 jüdischen Familien aus Wien die Ansiedlung in seinem Herrschaftsgebiet genehmigte, lebten bereits Juden in Biesenthal. Für 1683 ist belegt, dass die Schutzjuden Löbell Hetzel, Jacob Moses, David Samuel, Salomon Moses, Koppel Joseph, Gabriel Abraham, Jacob Marcus und Abraham Isaac jeweils vier Taler Schutzgeld an den Landesherrn zahlten. Bis 1692 wuchs die jüdische Gemeinschaft auf eine stattliche Anzahl von 64 Personen,  also acht Familien. Mit einem Bevölkerungsanteil von immerhin fast 10% war das ungewöhnlich hoch. Ursache hierfür dürfte die Bedeutung der Stadt gewesen sein, die sie als Sitz des kurfürstlichen bzw. königlichen Domänenamtes einnahm.  

Die Biesenthaler Juden lebten vom Handel mit Schaffellen und Wolle, die sie in den nahegelegenen Städten Eberswalde, Bernau und sogar Strausberg verkauften. Für ihre Gottesdienste nutzten sie eine Betstube, die sie sich in einem jüdischen Privathaus eingerichtet hatten.  Darüber hinaus legten sie sich in der Nähe des städtischen Friedhofes an der Berliner Chaussee ihren eigenen Friedhof an.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts lebten in Biesenthal 17 jüdische Familien. Der große Stadtbrand vom 14. September 1756 war für die Mehrheitsgesellschaft jedoch Anlass, sämtliche Juden aus dem Ort zu vertreiben. Vereinzelt kehrten sie aber erst nach der Emanzipationsgesetzgebung von 1812 wieder zurück. 1819 zählte man zehn Personen, also zwei oder drei Familien. Noch vor der Auflösung des Amtes Biesenthal 1845 verringerte sich die Zahl der Juden jedoch abermals, auf acht.  Denn die große Anziehungskraft des Industriestandortes Berlins mit ihrer verkehrsmäßig guten Anbindung hatte inzwischen auch das Umland erfasst. Ende des 19. Jahrhunderts schlossen sich daher die wenigen Juden der Stadt Bernau den Biesenthaler Juden für gemeinsame Gottesdienste an.  1925 lebten schließlich nur noch 18 Juden in der Stadt, die organisatorisch zur Jüdischen Gemeinde Eberswalde gehörten.

Zu denen, die in Biesenthal noch bis in die NS-Zeit lebten, zählen die Familien Abraham, Borchardt, Mühsam und der das Berliner Kaiserin-Auguste-Viktoria-Krankenhaus  leitende Kinderarzt Prof. Dr. Langstein. Sie hatten seit vielen Jahrzehnten zur Versorgung und Entwicklung Biesenthals beigetragen. Nun drängten die neuen Machthaber sie mit Gewalt aus der Stadtgesellschaft; ihre wenig verbliebenen nichtjüdischen Unterstützer wurden über die aufgestellten „Stürmer“-Kästen denunziert. Bereits im Juni 1933 beging Leopold Langstein Suizid. 1937 zwang man den Mühlenbesitzer Fritz Mühsam zum Verkauf seiner Mühle. Er überlebte aber die NS-Zeit durch die mit Lebensgefahr verbundene Hilfe durch seinen ehemaligen nichtjüdischen Mitarbeiter Herrn Schott. 1938 wurde das am Markt befindliche Kaufhaus des Textilwaren-Händlers Leo Abraham am Markt „arisiert“ und ging ins Eigentum des Sparkassenverbandes über. Er, seine Frau Johanna und die zwei Kinder Helga und Julius wurden im Januar 1943 in Auschwitz ermordet. Der Butterhändler Gerhardt Borchardt, seine Frau Hildegard und die Kinder Karl-Heinz, Gustav und Grete starben ebendort im März 1943.  Mit ihren Deportationen endete in Biesenthal endgültig eine Tradition, die 300 Jahre zuvor begonnen hatte.

Anke Geißler-Grünberg

Literatur und Internet:

Barnim-Echo: Erinnerungseiche zerstört, vom 31.01.2024.

Michael  Brocke / Eckehart Ruthenberg / Kai Uwe Schulenberg : Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland. (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Berlin 1994, S. 257-260.

Meta Kohnke: Geschichte der jüdischen Gemeinde in Biesenthal von ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1758, in: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte,  53 (2002), S. 90-121.

Gertrud Poppe: Notizen zur Geschichte der Jüdischen Friedhofs und ehemaliger Bewohner jüdischer Herkunft in unserem Städtchen Biesenthal, in: Amtsblatt für das Amt Biesenthal-Barnim vom 27.02.2024 (Nr. 2), S. 26.

W. Riehl / J. Scheu (Hrsg.): Berlin und die Mark Brandenburg mit dem Markgrafthum Nieder-Lausitz in ihrer Geschichte und in ihrem gegenwärtigen Bestande, Berlin 1861, S. 292f.

Rudolf Schmidt : Zur Geschichte unserer heimischen jüdischen Gemeinden, Eberswalde 1929.

Wolfgang Weißleder : Der gute Ort. Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, Potsdam 2000, S. 55.

 

Klaus-Dieter Alicke: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Biesenthal, URL: www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/a-b/397-biesenthal-brandenburg [15.04.2024]

Edition Luisenstadt: Berliner Bezirkslexikon, Charlottenburg-Wilmersdorf, 2009, URL: berlingeschichte.de/lexikon/indlexchw.htm [15.04.2024]

Heimatverein Biesenthal e.V., URL: www.heimatverein-biesenthal.de/index.html [15.04.2024]

Olav Schröder: Erinnerungskultur. Ein Ort für historische Grabsteine, in: Märkische Oderzeitung, vom 15.11.2018, in: https://www.moz.de/landkreise/barnim/bernau/artikel3/dg/0/1/1692124/ [31.12.2018]