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Geschichte der Jüdischen Friedhöfe in Brandenburg an der Havel

Informationstafel zur Geschichte des Ortes am Rand der Friedhofsmauer
Foto: Karl Moritz Bauch
Informationstafel zur Geschichte des Ortes am Rand der Friedhofsmauer.

Mit dem Einzug jüdischen Lebens im 14. Jahrhundert in der Stadt Brandenburg an der Havel sollen zwei jüdische Begräbnisstätten existiert haben. Diese wurden mit der Ausweisung der Juden und Jüdinnen im 16. Jahrhundert jedoch eingeebnet. Wo sie sich befunden haben, lässt sich nicht mehr nachvollziehen.

Ein Hinweis auf einen neuen jüdischen Friedhof findet sich erst wieder im Jahr 1720. Dieser befand sich außerhalb der Stadt vor dem Sankt-Annen-Tor. Das Gelände, das als Friedhof diente, war hinter dem neustädtischen Schützenhaus und im Besitz der Jüdischen Gemeinde. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts standen dort noch Grabsteine. Später wurde der Friedhof in einen Hügel umgewandelt, der mit einer Hecke umgeben war. Im Jahr 1901 wurde der Platz planiert.

Friedhof I

Ab dem Jahr 1737 hatte die Jüdische Gemeinde einen Gemeindediener eingestellt, der für Kranken- und Sterbefälle zuständig war. Die Frau von diesem war für die rituelle Waschung der weiblichen jüdischen Verstorbenen verantwortlich.

Aufgrund des starken Anstiegs an Gemeindemitgliedern wurde es bereits 1747 notwendig, einen zweiten jüdischen Friedhof zu errichten. Für hundert Taler kaufte Isaac Lazarus eine Ackerfläche, die sich ebenfalls vor dem Sankt-Annen-Tor befand und zum neuen jüdischen Friedhof wurde. Im Jahr 1906 war der älteste nachweisbare Grabstein auf dem neuen jüdischen Friedhof aus dem Jahr 1756 und mit seiner Inschrift Nathan David gewidmet. Im Jahr 1767 gründete die Jüdische Gemeinde der Stadt Brandenburg den Beerdigungsverein namens „Bikkur Cholim“. Durch diesen entstand 1770 für 331 Taler und 19 Silbergroschen eine Leichenhalle.

Seit 1820 war der jüdische Friedhof von einem Zaun umgeben. Für eine Erweiterung der Fläche kaufte Lewin Simon 1840 ein weiteres, neben dem Friedhof liegendes Ackerstück. Etwa 20 Jahre später, im Jahr 1860, nahm man zahlreiche Neuerungen vor. Es wurde ein Mauer um die alte und neu erworbene Fläche gebaut. Damit bezog die Gemeinde das neu erworbene Grundstück erstmalig mit ein, da man in diesem Jahr auf der alten Friedhofsfläche bereits 204 Grabstellen zählte. Die Leichenhalle wurde in dem Zuge ebenfalls vollständig ausgebaut. Im Jahr 1895 war sie aber in so einem schlechten baulichen Zustand, dass sie durch einen Neubau aus Backsteinen ersetzt wurde. Entworfen wurde der Neubau von J. Nathanson. Die Halle bestand nun aus einem großen Raum für die Trauerfeier, einem für die Leichenwaschung und einem Aufenthaltsraum für die Wächter. Entsprechend einer Notiz in der „Jüdisch-liberalen Zeitung“ vom 21. September 1928 weihte Rabbiner Josef Rosenzweig hier außerdem einen Urnenhain, der durch die Errichtung eines städtischen Krematoriums als notwendig erachtet worden war.

Während des Novemberpogroms 1938 kam es zur Schändung und Zerstörung der Gräber und der Trauerhalle. Die letzte Beisetzung auf dem jüdischen Friedhof fand 1942 statt. Im Jahr 1943 musste die Reichsvereinigung der deutschen Juden als Nachfolgerin der aufgelösten Jüdischen Gemeinde das Gelände des Friedhofes zwangsweise an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg abtreten. Von diesem kaufte dann die Stadt Brandenburg an der Havel das Grundstück im Dezember desselben Jahres und verkaufte es im Januar 1945 weiter an die in derselben Straße befindlichen Brennabor-Werke. Aus dem Vertrag geht hervor, dass die vormalige Trauerhalle mittlerweile als Wohnung fungierte. Die Werke planten, auf dem Gelände einen eigenen Sportplatz zu errichten. Zur Umsetzung dieses Planes kam es durch das Endes des Zweiten Weltkrieges aber nicht mehr.

Durch mehrere Bombentreffer war der jüdische Friedhof nahezu komplett zerstört. Die Überlebenden der Jüdischen Gemeinde forderten von der Stadt, dass diese den Friedhof wieder in einen würdigen Zustand bringen solle. In Hinblick auf den Gedenktag für die Opfer des Faschismus beschloss die Stadtverordnetenversammlung im September 1948, den jüdischen Friedhof in eine Gedenkstätte umzuwandeln. In der Folge wurde der Friedhof beräumt und die noch existenten Grabsteine unter anderem für die Gedenkmauer benutzt. In der Mitte der Ostwand sind auf Stehlen die Namen der während der Shoa aus Brandenburg an der Havel ermordeten Juden und Jüdinnen zu lesen. Rechts und links daneben stehen etwas kleinere Gedenkstelen, auf denen die Namen der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu lesen sind, die auf diesem Friedhof einst bestattet wurden. Am 17. Juni 1951 wurde der nun in eine Gedenkstätte umgewandelte jüdische Friedhof an den Verband der Jüdischen Gemeinden in der DDR übergeben.

Seit 2004 steht eine Informationstafel an der linken Seite vor dem Eingang zur Gedenkstätte. Im Januar 2007 kam es zur Schändung der Gedenkstätte. An die Mauern des jüdischen Friedhofes waren mehrere Hakenkreuze und SS-Runen gesprüht worden.

Friedhof II

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich ein weiterer jüdischer Friedhof in Brandenburg an der Havel. Er wurde als abgesonderter Bereich auf dem Friedhof einer zwischen 1911 und 1915 erbauten Heil- und Pflegeanstalt eingerichtet. Nach unterschiedlichen Nutzungen während des Ersten Weltkrieges wurde im Jahr 1919 der Gebäudekomplex in die Heil- und Pflegeanstalt „Landesanstalt Görden“ umgewandelt.

Die erste Beisetzung auf dem abgesonderten jüdischen Friedhof fand im Jahr 1922 statt. Bis zur letzten Beisetzung 1941 wurden dort insgesamt 46 jüdische Patienten und Patientinnen beerdigt. Die Historikerin Dr. Beatrice Falk und der Historiker Dr. Friedrich Hauer meinen, dass es sich bei den Beerdigten nicht um Opfer des nationalsozialistischen T4-Euthanasie- Programms handelt, sondern um Patienten und Patientinnen, die in der Heil- und Pflegeanstalt auf natürliche Weise gestorben seien. 

Im Rahmen der Übernahme der inzwischen in „Landesklinik Brandenburg“ umbenannten Einrichtung durch die Asklepios Kliniken im Jahr 2006 wurde der Bereich des jüdischen Friedhofs, der bis dato völlig zugewuchert war, wieder hergerichtet. Heute steht dort lediglich noch ein Gedenkstein.

Karl Moritz Bauch