Zum Hauptinhalt springen

Geschichte des Jüdischen Friedhofs in Rathenow

Foto: Rolf Blase
Grabsteine auf der linken Seite der hinteren Friedhofsmauer

Der erste jüdische Friedhof in Rathenow wurde 1699 außerhalb der Stadt, vor der Rathenower Zollmauer, angelegt. Dieser lag ebenso wie die 1926 eingeweihte Synagoge an der ehemaligen Fabrikenstraße bzw. am ehem. Töpfergang.

Aufgrund des städtischen Wachstums wurde dieser Friedhof 1904 auf Verlangen der Stadt geschlossen. Die Stadt empfahl die Errichtung eines neuen Friedhofs weit außerhalb. Entgegen dem jüdischen Religionsgesetz, welches vorsieht, einen Friedhof auf ewige Zeiten bestehen zu lassen, vereinbarten Stadt und jüdische Gemeinde bei der Auflassung des Grundstücks am 23. Mai 1906, dass das Gelände für einen Zeitraum von 50 Jahren unangetastet bleiben sollte.

Auf einer Fotoaufnahme aus dem Jahr 1938 ist er noch vollständig erhalten. In den folgenden Jahren wurde der Friedhof im Gegensatz zur Synagoge zerstört. Heute stehen an der Stelle des alten Friedhofs zwei Wohnplattenbauten mit den Hausnummern 83 bis 88, welche Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre errichtet wurden. Daher ist davon auszugehen, dass die Grabanlagen bei deren Bau irreversibel zerstört wurden.

Im Zuge der Auflassung des alten Friedhofs erwarb die jüdische Gemeinde 1906 ein Grundstück am nordöstlichen Rand der Siedlung Neufriedrichsdorf, auf welchem der neue Friedhof angelegt wurde. Die ersten Beisetzungen sind aber erst zehn Jahre später belegt. Bis zum Januar 1939 fanden dort regelmäßig Beisetzungen statt, die letzte im Dezember 1941. Dabei handelte es sich um die Bestattung des Arztes Salomon Markus aus dem Hachschara-Lager Steckelsdorf, der sich das Leben genommen hatte, um der Deportation zu entgehen.

Kurz darauf wurde der Friedhof geschändet, indem vom angrenzenden Wald ein Loch in die Friedhofsmauer geschlagen und sämtliche Grabsteine umgestoßen bzw. demoliert wurde. Die Kriminalpolizei ermittelte Kinder des NS-Jungvolks als Täter. Diese gaben bei der Vernehmung an, es so in Berlin gesehen zu haben.

1944 sollte der Friedhof an die Stadt zwangsverkauft werden. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Desinteresse der Stadt, welche nicht bereit war, mehr als den geschätzten Materialwert der Friedhofsmauer von 69 RM zu zahlen.

Nach dem Krieg geriet der Friedhof in Vergessenheit und wurde als Müllhalde benutzt. Erst in den 70er Jahren fanden erste Aufräum- und Restaurierungsarbeiten statt, bei denen noch dreizehn komplette Grabsteine aufgefunden und auf einem Kiesbett im Halbkreis angeordnet wurden. 1993 wurden sie im Rahmen einer zweiten Restaurierung erneut gereinigt, restauriert und entlang der hinteren Friedhofsmauer aufgestellt. 1997 wurde ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Den Rathenower Holocaustopfern jüdischen Glaubens zum Gedenken“ errichtet.

Rolf Blase