[Bibliographie] [Zitierhinweis] [Quelle I: Autobiographie (1806)] [Quelle II: Biographie (1917)]
von Christina Feist
Frühe Jahre
Lazarus Bendavid wurde 1762 in Berlin geboren und genoss eine „bei den Juden jener Zeit allgemein übliche Erziehung“ [1] in Talmudschulen, wuchs allerdings in einem Elternhaus auf, in dem „freiere religiöse Anschauungen als bei den anderen Juden“ [2] herrschten, und wo er mit Hilfe von Hauslehrern und Freunden schon als Jugendlicher auch unsystematische Kenntnisse in Philosophie, Fremdsprachen, Mathematik, Mechanik, Literatur, Künsten und Musik erwarb. So berichtet er in seiner Autobiographie und erzählt dort, dass die Einhaltung der jüdischen Glaubensvorschriften im Elternhaus nicht so genau genommen wurde. Als junger Erwachsener bricht er nach dem Tod seines Vaters endgültig mit der Synagoge,[3] „[s]ein religiöses Bekenntnis deckte sich seitdem mit den rationalistischen Anschauungen der Aufklärungstheologie“. [4]
Privatdozent in Wien
Nach einigen Jahren der freiberuflichen Tätigkeit als Mathematiker und Hauslehrer, sowie ersten mathematischen Veröffentlichungen, studierte Bendavid 1790 in Göttingen und Halle auch Physik, Kirchengeschichte und Philosophie, bevor er im Jahr 1791 nach Wien zog. Dort verdiente er als Privatgelehrter seinen Lebensunterhalt. Während seiner Zeit in Wien beschäftigte ihn vor allem die Verbreitung der Philosophie Immanuel Kants. Im Rahmen von öffentlich zugänglichen Vorlesungen zu den Kritiken Kants, die er in Privathaushalten abhielt, bemühte er sich, die kantische Philosophie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Bendavids gesammelte Kant-Vorlesungen wurden 1795/96 in Wien publiziert (siehe Bibliographie). In Wien wurde die kantische Philosophie als revolutionär empfunden, die Vorlesungen waren dennoch gut besucht. 1797, nach einem kurzen Berlin-Aufenthalt, wurde Bendavid die erneute Einreise sowie der Aufenthalt in Wien aufgrund verschärfter politischer Umstände jedoch verwehrt.
Rückkehr nach Berlin
Er kehrte nach Berlin zurück, arbeitete dort als Privatgelehrter und Rechnungsprüfer, gewann 1801 mit der Schrift „Philotheos, oder über den Ursprung unserer Erkenntniss“ den ersten Preis der Akademie der Wissenschaften, und wurde schließlich 1806 Direktor der aufklärungsorientierten Jüdischen Freyschule in Berlin. In dieser Funktion versuchte er die Finanzen der Schule in Ordnung zu bringen, um ihr weiteres Bestehen zu sichern. Das gelang ihm bis 1825, als die Schule wegen Geldmangels schließen musste.[5]Bendavid beschäftigte sich allerdings nicht nur mit den finanziellen Mitteln der Schule, sondern setzte sich auch mit pädagogischen Angelegenheiten wie dem Angebot an Unterrichtsfächern, Didaktik, sowie Disziplinarmaßnahmen auseinander. Details zu diesen Themen und zur jeweils aktuellen Situation der Schule lassen sich in Bendavids „Nachricht[en] vom Zustande der jüdischen Freischule in Berlin“ (siehe Bibliographie) nachlesen.
Werk und Wirken
Bendavid engagierte sich auch in wissenschaftlichen Vereinen. So wurde er 1797 in die „Gesellschaft der Freunde der Humanität“ aufgenommen und fungierte einige Jahre lang als deren Vorsitzender. Ab 1800 war er Sekretär der „Philomathischen Gesellschaft“. Als Mitbegründer des „Vereins für Cultur und Wissenschaft der Juden“ 1819/20 publizierte er Artikel in der „Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums“(1822/23) und leistete so einen Beitrag zu den Anfängen der heutigen Jüdischen Studien. Bendavid war „Philosoph, Judaist und Pädagoge […] am Ursprung des jüdischen Kantianismus“.[6] Seine wissenschaftliche Tätigkeit umfasst insgesamt neun Bücher und unzählige weitere Artikel zu kantischer Philosophie, sowie Bücher und Schriften zu Themen der Mathematik, zu Reformbestrebungen für das Judentum und (jüdischer) Religion. Seine literarische Produktivität umfaßte auch einen Roman und ein Lustspiel.[7] Bendavids Leserschaft erstreckte sich gegen Ende der Aufklärung über ganz Zentraleuropa, seine Werke stießen sowohl bei Juden als auch bei Christen auf Resonanz.
Er starb 1832 in Berlin.
Literatur: Lazarus Bendavid, Autobiographie, in: Bildnisse jetztlebender Berliner Gelehrten mit Ihren Selbstbiographien, hrsg. v. M. S. Lowe, 2. Sammlung, J. F. Starke Verlag, Berlin 1806, S. 1–72. Dominique Bourel, Eine Generation später: Lazarus Bendavid (1762–1832), in: Moses Mendelssohn und die Kreise seiner Wirksamkeit, hrsg. v. Michael Albrecht et alii, Niemeyer Verlag, Tübingen 1994. Dominique Bourel, Lazarus Bendavid et l'éducation des juifs à Berlin au début du XIXe siècle, in: Plurales Deutschland – Allemagne Plurielle, Festschrift für Etienne François, hrsg. v. Peter Schöttler et alii, Wallstein Verlag, Göttingen 1999. Jacob Guttmann, Lazarus Bendavid. Seine Stellung zum Judentum und seine literarische Wirksamkeit, S. 31, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 1917, Nr. 1, S. 26–50; Nr. 2, S. 176–211.
[1] Jacob Guttmann, Lazarus Bendavid. Seine Stellung zum Judentum und seine literarische Wirksamkeit, S. 31, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 1917, Nr. 1, S. 26 – 50; Nr. 2, S. 176 – 211. [2] Ibid. [3] Lazarus Bendavid, Autobiographie, in: Bildnisse jetztlebender Berliner Gelehrten mit Ihren Selbstbiographien, hrsg. von M. S. Lowe, 2. Sammlung, J.F. Starke, Berlin, 1806; S. 53 – 54. [4] Jacob Guttmann, Lazarus Bendavid. Seine Stellung zum Judentum und seine literarische Wirksamkeit, S. 33. [5] Vgl. Dominique Bourel, Eine Generation später: Lazarus Bendavid (1762 – 1832), in: Moses Mendelssohn und die Kreise seiner Wirksamkeit, hrsg. v. Michael Albrecht et alii, Niemeyer Verlag, Tübingen 1994. [6] Dominique Bourel, Lazarus Bendavid et l'éducation des juifs à Berlin au début du XIXe siècle, in: Plurales Deutschland – Allemagne Plurielle, Festschrift für Etienne François, hrsg. v. Peter Schöttler et alii, Wallstein Verlag, Göttingen 1999. [7] Lazarus Bendavid: Ferdinand und Madam Weber. Ein kleiner Roman, in: Österreichische Monatsschrift, 1794 und Sophia, oder Rache macht ihn tugendhaft. Ein Originallustspiel in Prosa und fünf Aufzügen, ungedruckt; vgl. Jacob Guttmann, Lazarus Bendavid. Seine Stellung zum Judentum und seine literarische Wirksamkeit.
Zitierhinweis: Christina Feist: Lazarus Bendavid. Biographie, in: haskala.net. Das online-Lexikon zur jüdischen Aufklärung / hg. von Christoph Schulte u. Marie Ch. Behrendt, URL<>, letzter Zugriff [Datum, Uhrzeit].
zusammengestellt von Christina Feist
Die vorliegende Bibliographie basiert auf einer früheren Version von Dominique Bourel für haskala.net. Diese Version finden Sie hier.
Zitierhinweis: Christina Feist: Lazarus Bendavid. Bibliographie, in: haskala.net. Das online-Lexikon zur jüdischen Aufklärung / hg. von Christoph Schulte, URL<>, letzter Zugriff [Datum, Uhrzeit].