Tagung der DVPW-Sektion Politikwissenschaft und Politische Bildung in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Politische Bidlung der Universität Potsdam
Zwischen Technokratisierung und Demokratieanspruch
Zur Relevanz technisch-naturwissenschaftlichen Wissens in Politik und politischer Bildung
Die Coronapandemie verdichtete den Blick auf technisch-naturwissenschaftliche Expertise und ihre Wirkkraft im politischen Diskurs. In den Mittelpunkt der Kontroverse rückt, welchen Einfluss wissenschaftliche Implikationen, insbesondere technisch-naturwissenschaftliche Evidenz, auf politische Entscheidungen haben sollten. Diese Frage beschränkt sich nicht nur auf die Pandemiepolitik, sondern entfaltet auch im Kampf gegen den Klimawandel Relevanz. So stießen wissenschaftliche Erkenntnisse über Treibhausgase (FCKW) ein Umdenken in der globalen Politik an. Zugleich warnte etwa Priester (2019) vor der Gefahr der Technokratisierung. Hieran schließt sich die Frage an, ob Krisen – und damit auch der Ruf nach wissenschaftlicher Expertise - eher die Ausnahme sind oder ob diese Krisenhaftigkeit ein konstitutives Merkmal der Demokratie ist. In beiden Fällen gilt (wenn auch in verschiedener Dringlichkeit): Das Verhältnis von Wissen und Macht bedarf einer demokratischen Aushandlung (z. B. Schuppert et al. 2022). Hierbei gilt es auch, die Effekte technisch-naturwissenschaftlicher Einsichten auf politische Beteiligung zu beleuchten. So beleben diese einerseits die Zivilgesellschaft (bspw. die Umweltbewegung, fridays-for-future), andererseits bergen sie Konfliktpotenzial (so im Falle der Aktionen der Gruppe Last Generation).
Im Bildungskontext stößt zuvorderst die Dominanz evidenzbasierter Verwertungslogiken auf Kritik: „Die Tendenz zur Datifizierung vieler Handlungsbereiche unter anderem in der Bildung [...] wirft grundlegende Fragen nach der Veränderung des Sozialen und des Pädagogischen auf, die in immer stärkerem Maße von der allgemeingesellschaftlichen technologischen Veränderung betroffen sind“ (Höhne/Kracher 2022: 60). In Bezug auf politische Teilhabe und Bildung lässt sich fragen, wo Möglichkeiten und Grenzen einer kritischen Perspektive gegenüber entgrenztem Wissen und einer inkorporierten technologiegeprägten Wirklichkeit bestehen. Unvermeidlich scheint eine Erweiterung des datenbasierten Wissens (data, statistical bzw. digital literacy) und die Verbindung zur Informations- und Medienbildung. Gerade die hohe gesellschaftliche Relevanz bei vergleichsweiser dünner struktureller Verankerung in der (schulischen) politischen Bildung provoziert die Frage nach Schnittmengen von mathematisch-naturwissenschaftlicher und politischer Bildung. Wechselseitige Vorteile naturwissenschaftlicher und gesellschaftlicher Bildung scheinen mithin nur unzureichend ausgeschöpft.
Die Tagung will daher die verschiedenen Disziplinen ins Gespräch bringen, Hindernisse und Herausforderungen identifizieren und nach innovativen Lösungswegen suchen.