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01/18 - Sylvio Mannel

Alumnus Sylvio Mannel
Im Pine Ridge Indianerreservat fand Geoökologe Sylvio Mannel prähistorische Büffelhörner.

Geoökologe Professor Dr. Sylvio Mannel lehrte und forschte vier Jahre in einem der bekanntesten amerikanischen Indianerreservate, dem Pine Ridge Indianerreservat in Süddakota. Bei den dort lebenden Lakota-Sioux initiierte er gemeinsam mit Kollegen und der Bevölkerung zahlreiche Hilfs-, Forschungs- und Lehrprojekte.


Wounded Knee ist für mich ein sagenumwobener „Indianerort“, der mich schon in Kindertagen in seinen Bann zog. 2005 war es dann soweit: Ich fuhr durch die endlose Prärien nach Wounded Knee, um am dortigen College Center eine Vorlesung zu halten. Wounded Knee gehört zum Pine Ridge Indianerreservat, in dem ein Großteil der „Great Sioux Nation“ lebt. Mit den Lakota-Sioux assoziiert man die Schlacht am Little Big Horn, das Massaker am Wounded Knee 1890 und die Bürgerrechtsbewegung 1973.

Heute wird in den indianischen Hochschulen und Universitäten auf dem wissenschaftlichen und technischen Gebiet viel geleistet. Noch während meiner Promotion kam ich ans Oglala Lakota College und bekam dort die Gelegenheit, beim Aufbau des Wissenschaftszentrums „Lakota Center for Science and Technology“ mitzuwirken. Ich gründete und leitete einen Teilbereich für Geographische InformationsSysteme (GIS). Zu meinen Aufgaben zählten Lehre, Forschung und Management in den Bereichen GIS, GPS, Fernerkundung, Geographie und Umweltwissenschaften.

"Hilfe von außen" bringt nichts

Aus den Ideen eines Studenten, der auf den dramatischen Namen Charles Comes Killing hörte, entstand 2005 unser „Lakota Land“-Projekt. Durch dieses Projekt verbanden wir indigenes Wissen mit wissenschaftlicher Datenerhebung, Analyse und Öffentlichkeitsarbeit. Wir kartierten und analysierten Plätze, die für die Lakota von Bedeutung waren und stellten zusammen mit Lakota-Kooperationspartnern Videos, Karten und anderes Lehrmaterial her. Neben Kartierungsprojekten entstanden auch zahlreiche flankierende Angebote wie ein Gesundheitscamp. In Kochkursen, Wissensworkshops und Sportprogrammen wurden die Kinder der Lakota-Indianer angeregt, ihre gesunde, traditionelle Lebensweise wiederzuentdecken.

Uns war bewusst: „Hilfe von außen“ ist eine Einbahnstraße. Deshalb setzten wir immer auf Gegenseitigkeit, Mitarbeit und Leitungsverantwortung von Lakota-Kooperationspartnern. Dieser Ansatz und unsere Erfolge führten dazu, dass die US National Science Foundation ein Folgeprojekt für weitere zwei Jahre finanzierte. 2009 wurde mir von der Association of American Geographers der US-weite Burrill-Preis verliehen. Damit wurde meine gesellschaftsprägende, praxisorientierte wissenschaftliche Arbeit in Kooperation mit interdisziplinären Organisationen und Persönlichkeiten gewürdigt.

Eines der ärmsten Gebiete der USA

Insgesamt habe ich vier Jahre im Pine Ridge Indianer Reservat verbracht. In Erinnerung bleiben viele wertvolle Begegnungen, Kooperationen und Erlebnisse, die mich geprägt haben. Bei aller Freude gab es auch Herausforderungen, die typisch für solche Entwicklungsgebiete sind. Das Pine Ridge Indianer Reservat ist eines der ärmsten Gebiete der USA. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 80 Prozent. Es gibt Drogenprobleme. Zivilisationskrankheiten wie Diabetes sind überproportional verbreitet. Vor einigen Jahren erreichte mich beispielsweise die Nachricht, dass Charles Comes Killing mit Ende 40 an den Folgen seiner Diabeteserkrankung verstarb.

Aber seine Arbeit wirkt nach. Durch Kartierung und georäumliche Analysen unterstützten wir Diabetesprojekte, halfen bei Wahlen, unterstützten private Unternehmen und Gewerbe der Lakota. Durch Charles Comes Killing‘s Einsatz und anderer entstand das Tribal Historical Preservation Office und die Verordnung Nr. 77-04 zur Unterschutzstellung des Quiver Hill Creek Pass Basins. Seine Arbeit floss auch in die Bemühungen, Indianergebiete von der Regierung der Vereinigten Staaten zurückzufordern, welches vor einigen Jahren gelang.

Ausmalbücher für Kinder

Ich kehrte 2014 nach weiteren Stationen im Ausland nach Potsdam zurück und arbeite jetzt am Potsdamer Geoforschungszentrum. Der Kontakt zu meinen Lakota-Freunden und
-Kollegen ist nie abgerissen. Auch einige der Projekte wachsen weiter und ich suche immer noch Interessierte, die sich wie ich und mit mir für die Lakota engagieren möchten. Wie vielfältig unser Projekt ist, werden wir auch 2018 wieder beweisen: Im Frühling erscheint eine englische und eine deutsche Auflage unseres Ausmalbuches. Es soll Kinder spielerisch in Kontakt bringen mit den spirituell wichtigen Plätzen der Lakota.  

 Professor Dr. Sylvio Mannel studierte an der Universität Potsdam von 1993 bis 1999 Diplom-Geoökologie.

Text und Foto: Sylvio Mannel
Veröffentlicht: Januar 2018