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06/2020 Kornelia Freitag

Kornelia Freitag ist Prorektorin an der Ruhr-Universität Bochum.
Foto: RUB, Marquard
Kornelia Freitag ist Prorektorin für Lehre und Internationales an der Ruhr-Universität Bochum. Ihre Forschungsinteressen sind US-amerikanische Literaturgeschichte und Poesie sowie Literatur- und Kulturtheorie.

In der Portrait-Reihe „Alumni des Monats“ stellen wir jeweils eine Alumna oder einen Alumnus mit ihrem oder seinem beruflichen Werdegang in den Mittelpunkt. Indem wir Ehemalige in den Fokus rücken, spüren wir mit diesem Blick „von draußen“ dem Wirken und der Strahlkraft unserer nunmehr fast 30 Jahre alten Universität Potsdam nach. Für das Juni-Portrait konnten wir nun mit Kornelia Freitag eine ehemalige Studentin gewinnen, die noch an der Pädagogischen Hochschule studierte und promovierte. An der Universität Potsdam habilitierte sie schließlich auch und folgte 2002 einem Ruf an die Ruhr-Universität Bochum auf die Professur für Amerikastudien. Gern stellt sich Kornelia Freitag unseren Fragen.


Frau Professor Freitag, schon 2002 sind Sie als ehemals ostdeutsche Geisteswissenschaftlerin an die Universität Bochum berufen worden. Zu jener Zeit war es längst nicht einfach, sich auf dem Bewerbermarkt zu behaupten. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Wie erklärt man sich die Berufung auf eine Professur? Da unterscheide ich mich nicht von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die habilitiert sind und sich bewerben. Ungewöhnlich ist vielleicht, dass ich im Feld der Amerikanistik erfolgreich sein konnte. Da wird schon mal die eine oder andere Augenbraue hochgezogen, wenn ich mit Fachkolleginnen oder -kollegen zusammensitze und das Gespräch auf den wissenschaftlichen Werdegang kommt. Einerseits sind viele erstaunt, dass es in der DDR die Amerikanistik überhaupt gab. Da kann man nur sagen, es gab sie und sie war wichtig. Andererseits waren die Veränderungen, die Möglichkeiten aber auch die Anforderungen, die sich mit der Wende ergaben, natürlich wirklich weitreichend. Ich hatte ja bis dahin nicht in die USA reisen können, der Zugang zu Fachbüchern und -journalen war beschränkt. Ich habe dann sehr schnell alle neuen Möglichkeiten genutzt, die sich boten. Ich habe Kontakte zu westdeutschen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere am Kennedy Institut der FU Berlin, also in der direkten Nachbarschaft der Uni Potsdam, geknüpft. Ich habe weiterhin Stipendien eingeworben, die mich an die City University New York und an die Stanford University geführt haben. Da ich zunächst ein kleines Stipendium hatte und alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern war, hat die Uni Potsdam den Beginn meiner Forschungen in den USA finanziell unterstützt. Das war für mich sehr wertvoll. Und über die ganze Zeit hinweg haben mich alle meine Kolleginnen und Kollegen, insbesondere die damaligen Lehrstuhlinhaber in der Anglistik/Amerikanistik, Prof. Dr. Wolfgang Wicht, Prof. Heinz Wüstenhagen und Prof. Rüdiger Kunow, ermutigt, meinen Weg zu gehen.

Fühlen Sie sich Ihrer Alma Mater heute noch verbunden?

Ich habe in Potsdam nicht nur Englisch und Russisch studiert, sondern auch promoviert und mich habilitiert. Ich fühle mich daher durchaus dem Institut für Anglistik und Amerikanistik, das ich 2002 in Richtung Bochum verlassen habe, verbunden. Die Universität Potsdam und meine damaligen Kolleginnen und Kollegen in der Literaturwissenschaft haben mich in meiner Entwicklung vor allem bei meiner Qualifizierung nach der Promotion sehr unterstützt, das verbindet bis heute. Und durch meine jetzige Funktion habe ich guten Kontakt zu meinen Amtskollegen, den Vizepräsidenten Andreas Musil und Florian J. Schweigert, sowie zu meiner ehemaligen Kollegin und heutigen Leiterin des International Office, Dr. Regina Neum.

 

Neben Ihrer Anglistikprofessur haben Sie auch schon bald begonnen, sich in Bochum hochschulpolitisch zu engagieren. Sie waren Sprecherin der Sektion Geisteswissenschaften in der fächerübergreifenden Research School der Ruhr-Uni, Dekanin und sind heute Prorektorin für Lehre und Internationales. Was sind für Sie die Beweggründe für dieses Engagement, welches sicher auch mit einer hohen Doppelbelastung verbunden ist?

Ja, ich habe mich niemals auf meine Fachwissenschaft allein beschränken wollen, sondern war immer am Austausch mit Kolleginnen, Kollegen und Studierenden interessiert. Sich im Fach und über dessen Grenzen hinweg auf dem Laufenden zu halten und das, was sich dort tut, auch an die Studierenden weiterzugeben, war mir immer wichtig. Mich faszinieren die unterschiedlichen Zugriffsweisen selbst so eng verwandter Fächer wie der verschieden Philologien. Und seit ich als Prorektorin mit allen 20 Fakultäten der Ruhr Uni von der Ingenieur- zur Rechtswissenschaft, von den Natur- zu den Ostasienwissenschaften zusammenarbeite, hat sich mein Blick noch einmal geweitet.

Das Thema Digitalisierung der Lehre steht nicht erst jetzt in Zeiten von Corona im Fokus Ihrer Arbeit. Wie werden sich Hochschulbildung und universitäre Lehre Ihrer Meinung nach weiter verändern?

Eine zeitgemäße Lehre kommt heute nicht an der Digitalisierung vorbei - weder als Instrument noch als Inhalt der Fächer. Und sie ist ein hervorragendes Instrument, um die Internationalisierung von Lehre und Studium voranzutreiben. Das zeigt ja auch die European Digital UniverCity, mit der die Uni Potsdam in der European University Initiative erfolgreich war. Im Moment kommt uns die Online-Lehre überdies bei der Überbrückung einer pandemischen Situation zur Hilfe, in der wir anders kaum oder doch nur sehr viel beschwerlicher weiter wirkliche Lehre anbieten könnten. Ich denke allerdings, dass jetzt auch die Grenzen der Digitalisierung ganz deutlich zum Vorschein treten werden. Was macht gute universitäre Lehre aus? Neben der zeitgemäßen Darbietung und Vermittlung zeitgemäßer Inhalte, bei denen Digitalisierung eine große Rolle spielt, ist Teil der Lehre der wissenschaftliche Austausch, die Vermittlung einer forschenden Haltung und Methodik in einer Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden. Dieser unmittelbare Austausch, das Erforschen und die akademische Gemeinschaft kann Online-Lehre nur in Ansätzen simulieren. Insofern bin ich sicher, dass die Nutzung der ganzen Bandbreite des digitalen Arsenals von CMS bis zur Künstlichen Intelligenz, dazu dienen muss und wird, den Austausch und das forschende Lernen in Präsenz zu fördern. Die Zukunft gehört dem Blended Learning.

Vielen Dank für das Gespräch!

Lebensdaten

Kornelia Freitag studierte an der Pädagogischen Hochschule Potsdam und schloss mit einem Lehrdiplom für Englisch und Russisch ab. Sie promovierte 1985 und erwarb mit ihrer Habilitation 2001 die venia legendi für amerikanische Literatur und amerikanische Kultur an der Universität Potsdam. Bevor sie 2002 auf den Lehrstuhl an der Ruhr-Universität Bochum berufen wurde, lehrte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam US-amerikanische Literatur. Als Associate and Visiting Scholar verbrachte sie Forschungsaufenthalte am Institute für Research on Women and Gender der Stanford University und am English Department der University of Washington in Seattle. Kornelia Freitag hat zu Themen veröffentlicht, die von der Poesie Stephen Cranes über Sprachexperimente von Gegenwartsschriftstellerinnen bis hin zur asiatisch-amerikanischen Poesie reichen.

Weitere Informationen unter:

https://einrichtungen.ruhr-uni-bochum.de/de/prorektorin-fuer-lehre-und-internationales
www.ruhr-uni-bochum.de/american-studies/team/kornelia_freitag.html.de