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12/2022 - Ralf Leiteritz

Foto: privat

Der Weg des heute in Bogotá, Kolumbien, lebenden und lehrenden Professors für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen begann für Ralf J. Leiteritz mit seinem Diplomabschluss in der Politikwissenschaft an der Universität Potsdam im Jahr 1996. In einem Gespräch berichtet er über sein Studium an der UP und seinem anschließenden Karriereweg durch internationalen Stellen und Studienorte in Italien, den USA und Großbritannien. Das Gespräch gewährt Einblicke über seine internationale Karriere mitsamt den Umbrüchen ihrer Zeit und beschreibt auch seinen Schritt von der Wirtschaft in die Wissenschaft.


Was sind Ihre frühesten Erinnerungen die Zeit Ihres Studiums der Politikwissenschaften an der Uni Potsdam?

Ich habe von Oktober 1990 (also noch zwei Tage in der DDR…) bis März 1996 im Diplom Politikwissenschaft in Potsdam studiert. Im ersten Semester noch an der Hochschule für Recht und Verwaltung, danach ein Semester an der Brandenburgischen Landeshochschule und ab Mitte 1991 an der neugegründeten Universität. Ich komme ursprünglich aus Leipzig und wollte seinerzeit woanders studieren, aber schon in den neuen Bundesländern bleiben. Potsdam war durch die Nähe zu Berlin und die dortige Wissenschaftslandschaft eine attraktive Option und das eher familiäre Ambiente der Hochschule bzw. Universität mit relativ wenigen Studenten und vielen Professoren kam mir sehr entgegen. Man kam mit seinen Kommilitonen sehr schnell und problemlos in Kontakt: sei es im Seminar oder im Wohnheim, wo die meisten der Studierenden untergebracht waren.

Haben Sie noch weitere, besondere Erinnerungen? Die Zeit Anfang der 1990er Jahre war ja politisch sehr ereignisreich.

Meine Studienzeit war durch vielfältige Umbrüche inner- und außerhalb der Universität gekennzeichnet. Anfang 1991 verschwanden plötzlich die meisten der Hochschullehrer im Zuge der sog. Abwicklung. Danach gaben sich diverse Gastdozenten aus den alten Bundesländern semesterweise die Klinke in die Hand, bevor etwa 1994 die ersten Lehrstühle in der Politikwissenschaft dauerhaft besetzt wurden. Ich hatte dabei das Glück und Privileg als studentische Hilfskraft, u.a. bei der 1993 gegründeten Zeitschrift „WeltTrends“, einen Einblick in diesen einzigartigen universitären Transformationsprozess zu erhalten.

Gleichzeitig plagte mich das Fernweh und ich hatte die Absicht nach meinem Vordiplom im Ausland zu studieren. Ich erkundigte mich also 1993 beim Akademischen Auslandsamt der Uni nach derartigen Möglichkeiten und erfuhr dabei vom gerade gestarteten Austauschprogramm mit der Duke University in Durham, North Carolina. Für den verfügbaren Platz im Jahr 1994 war ich bezeichnenderweise der einzige Bewerber. Dieser einjährige Aufenthalt in den USA war eine immens wichtige Erfahrung für mich: Ich wurde für meine Kurse zusammen mit Studenten im Doktorats-Programm eingeteilt und musste daher einem neuen Anspruchs- und Bewertungsniveau gerecht werden. Eine sehr arbeits- und lernintensive Phase, die mir aber gezeigt hat, dass ich mich auch vor „den Großen“ und der weiten akademischen Welt nicht zu verstecken brauche.    

Wie ging es nach Ihrem Studienabschluss für Sie weiter?

Nach meinem Diplom und Wehrdienst habe ich 1997/98 in Bologna und Washington D.C. einen Master in Internationale Beziehungen an der Johns Hopkins University gemacht und anschließend für drei Jahre bei der Weltbank in Washington gearbeitet. Der berufliche Einstieg war erstaunlich unkompliziert: Wie viele andere Studenten in Washington habe ich während meines letzten Studienjahres ein Praktikum bei der Weltbank gemacht und nach meinem Uniabschluss wurde mir dann mehr oder minder sofort ein befristeter Job in der Strategieabteilung angeboten. Nach einem Jahr dort bin ich dann in die Abteilung für soziale Entwicklung gewechselt.

Ihr Karriereweg begann also direkt in der Weltbank – sicherlich waren das eindrucksvolle und intensiver Erfahrungen, gerade rund um die Jahrtausendwende, richtig?

Das waren sehr intensive und mit vielfältigen Erlebnissen und Erkenntnissen verbundene drei Jahre Berufseinstieg. Zu dieser Zeit der sog. Anti-Globalisierungsbewegung stand die Weltbank im besonderen öffentlichen Interesse. Ich erinnere mich noch gut an die Proteste anlässlich der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank im Jahr 2000, wo ich die Aufgabe hatte, einige TeilnehmerInnen vom Hotel in das Tagungsgebäude durch die Absperrungen hindurch zu „lotsen“.

Brachten Ihnen Kenntnisse, die Sie während Ihres Studiums an der Uni Potsdam gewonnen haben, in diesen drei Jahren Vorteile?

Es ist etwas schwer zu beschreiben, welche Fähigkeiten oder welches Wissen aus meiner Potsdamer Studienzeit in dieser Position besonders relevant waren. Politikwissenschaft bildet ja eher Generalisten aus, die sich in verschiedenen Berufszweigen erfolgreich durchsetzen können. Vielleicht hat bei mir eine breitaufgestellte Perspektive über das aktuelle und historische Geschehen in vielen Teilen der Welt, eine „exotische“ Herkunft bzw. Biographie sowie eine (speziell ostdeutsche?) Neugier auf andere Erfahrungen und Menschen dazu beigetragen, sich von anderen zu unterscheiden.

Heute sind Sie Professor in Bogotá, Kolumbien – wie kam es zu diesem Umschwung, nicht nur örtlich, sondern auch von der Wirtschaft und die Wissenschaft?

Ich hatte mich entschieden, langfristig im akademischen Bereich tätig sein zu wollen, da war eine Promotion unumgänglich. Diese habe ich im Herbst 2002 an der London School of Economics and Political Science im Fach “Development Studies” begonnen.

Da ich seit 2002 mit einer Kolumbianerin verheiratet bin und mich in meiner Doktorarbeit auch mit diesem Land beschäftigt habe, lag die Entscheidung nicht fern, im Sommer 2004 nach Kolumbien umzuziehen. Die Chancen auf eine dauerhafte akademische Position waren dort im Vergleich zu Europa einfach wesentlich besser und ich hatte auch große Lust, mich auf ein neues geographisches und berufliches Abenteuer einzulassen. Diesen Schritt habe ich nie bereut. Seit 2006 bin ich nun als Hochschullehrer in dem Bereich Politikwissenschaft/ Internationale Beziehungen in Bogotá tätig. Erst fünf Jahre an der Universidad de los Andes und seit 2011 an der Universidad del Rosario.

In welchem Bereich lehren Sie und was ist Ihnen bei Ihre Lehre von besonderer Bedeutung?

Ich unterrichte vor allem Kurse im Bereich der Internationalen Politischen Ökonomie, einer Teildisziplin der Internationale Beziehungen. Kolumbianische Studierende sind im Vergleich mit Deutschland noch recht jung und haben daher in der Regel wenig direkte Erfahrungen mit der (weiten) Welt, geschweige denn mit Europa, gemacht. Mein primäres Anliegen als Hochschullehrer in Bogotá ist es daher, bei ihnen ein Verständnis für und den Zugang zu unterschiedlichen Sichtweisen auf historische und aktuelle politische Prozesse innerhalb der Weltwirtschaft zu vermitteln. Sehr freue mich immer darüber, wenn hiesige Studierende die Entscheidung treffen, im Ausland und vor allem in Deutschland zu studieren. Andersherum natürlich auch, wenn deutsche StudentInnen an die Universidad del Rosario nach Bogotá kommen.

Und stehen auch Sie selbst heute noch mit Ihrer Alma Mater in Verbindung?

Ich stehe noch in enger Verbindung mit meinem früheren Chef als studentische Hilfskraft bei „WeltTrends“ und an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Potsdam, Herrn Professor Raimund Krämer (seit zwei Jahren emeritiert). Über die Jahre ist aus diesem Verhältnis eine enge Freundschaft erwachsen, die u.a. 2008 zu einer DAAD-Gastdozentur von Professor Krämer in Bogotá führte. Außerdem hatte ich in der Vergangenheit einige Male das Vergnügen auf Einladung von Professor Harald Fuhr Vorträge zu Kolumbien an seinem Lehrstuhl für Internationale Politik halten zu dürfen.

Ich danke Ihnen sehr für das interessante Gespräch und die tiefen Einblicke – ich wünsche Ihnen alles Gute!