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Chaos als Weg aus der Krise?

Im Anschluss an ihre Vorträge stellten sich Prof. Dr. Heine und Prof. Dr. Proeller den Fragen des Publikums und unseres Moderators Christian Erhardt. Dabei entstand eine aufschlussreiche Debatte u.a. über die Notwendigkeit finanzieller Mittel, die Rolle des Datenschutzes sowie die Chancen und Grenzen von Pandemieplänen bei der Digitalisierung von Verwaltungen.

 

Nachdem Moreen Heine von ihrer Vorstudie über die Digitalisierung von Verwaltungen gesprochen hat und Isabella Proeller ihre Untersuchung zum Homeoffice in der Pandemie vorstellte, begann die Fragerunde im Plenum.

Was sich sowohl in den Untersuchungen als auch deutlich in unseren Workshops zeigte, ist, dass es an der technischen Ausstattung fehlt. Deshalb lag eine der ersten Fragen des Moderators an Frau Proeller nah: Würde sich Homeoffice verbessern, wenn (noch) mehr in Technik investiert werden würde?

Ihre Antwort darauf war eher ernüchternd. Es kann viel Geld in Endgeräte, in VPNs oder in besseres Internet gesteckt werden, doch nützt all das nichts ohne die E-Akte. Die E-Akte ist das elektronische Pendant zur Papierakte und soll das Arbeiten und den Zugriff auf Dokumente erleichtern. Solange diese nicht eingesetzt wird, wird sich das Arbeiten von zuhause weiterhin schwierig gestalten.

Vielleicht auch deshalb prophezeit Moreen Heine, dass nach der Corona-Krise das Homeoffice oder die neue Unterschriftenregelung zu jenen Prozessen gehören, die wieder rückgängig gemacht werden oder zumindest weniger eingesetzt werden. Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen von Proellers Studie. Beide Beispiele sind Prozesse, die aus der Situation heraus entstanden sind und mit dem Ende dieser Situation könnte ihre Notwendigkeit infrage gestellt werden. Exakt herauslesbar ist es aus den Daten von Heines Studie nicht, welche Prozesse bald wieder der Vergangenheit angehören.

Welche Reaktion erwarten die Professorinnen, wenn die Corona-Krise vorbei ist und Ordnung geschaffen werden kann? Dr. Proeller glaubt, dass einiges bleiben wird, jedoch hat sich ihrer Meinung nach vor allem das Level des Vorstellbaren langfristig und tiefgreifend verändert. Der wichtigste Schritt zur Veränderung – die Überzeugung der Mitarbeitenden – wurde erreicht, einfach weil die Mitarbeitenden während dieser Zeit miterleben konnten, welcher Wandel plötzlich möglich ist. Die Verwaltung wird sich (noch) nicht grundlegend ändern, allerdings löste die Pandemie eine Schwerpunktverschiebung und eine Verkürzung der Dauer der Digitalisierung aus.

 

Fragen zur Digitalisierung hängen immer mit Fragen zur finanziellen Ausstattung zusammen. Laut Dr. Heine sei diese extrem wichtig. Je mehr auf individuelle Lösungen gesetzt wird, desto wichtiger ist die finanzielle Ausstattung. Sie bestimmt letztendlich auch bedeutende Rahmenbedingungen wie das Aussehen und die Leistungsfähigkeit der IT.

Schadet das nicht insbesondere ärmeren Kommunen, die das Risiko tragen, hinten herunterzufallen und als Arbeitgeber noch unattraktiver zu werden? Die Unterschiede seien spürbar, so Heine, in Zukunft wird jedoch mehr standardisiert und der Plattformgedanke ausgeweitet und umso weniger wird die finanzielle Ausstattung eine Rolle spielen. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) ist hierfür ein erster Schritt, der jedoch nicht weit genug geht.

Neben finanzieller Möglichkeiten wird auch oft der Datenschutz als Hemmschuh der Digitalisierung benannt. Dem kann man laut Moreen Heine zwar nicht widersprechen, man sollte den Datenschutz allerdings nicht trotzdem vollständig verdammen. Isabella Proeller fügt hinzu, dass es an der Zeit ist, die Rolle des Datenschutzes zu klären und zu entscheiden, was als prekäre Daten gelten und welche sichergestellt werden müssen.

Gegen Ende fragt Christian Erhardt, was als Kernpunkt dieses Tages betrachtet werden kann: Führten und führen die fehlenden Strategien zu mehr Innovation? Ist Chaos der Weg aus der Krise?

Pläne geben zwar Bedingungen und Regeln vor, so Prof. Dr. Heine, sie sind aber nicht in der Lage, jedes Detail vorauszuplanen. Sie stellt die für sich interessantere Frage: „Ist das wirklich eine Innovation oder sind das provisorische Lösungen, die da gefunden wurden? Wo fängt eine Innovation an und wo finden wir irgendwie eine Ersatzlösung?“ Es ist unentschieden, ob es tatsächlich innovativ ist, eine eingescannte Unterschrift zu akzeptieren. Da Verwaltungen heutzutage in einem turbulenten Umfeld mit verschiedensten Einflüssen agieren müssen, ist es gut, dass diese Offenheit und Kreativität gegenüber neuen Lösungen vorhanden ist und Provisorien ausprobiert werden sollten.

Laut Prof. Dr. Proeller sind Bottom-Up-Lösungen allein jedoch nicht ausreichend, wenn es weiterhin an der Infrastruktur fehlt. In der Pandemie zeigte sich: Die Ermessensspielräume konnten plötzlich ausgeweitet und genutzt werden. „Auf einmal [musste] eben nicht mehr geklärt werden, warum etwas nicht geht, sondern es ging einfach“.

 

Für die Zukunft lässt sich hoffen, dass diese Einstellung fortgeführt wird.

Autorin: Julia Gräfe