Zum Hauptinhalt springen

Erläuterungen

Bürgerliche Namen (Felder: Nachname, Vorname, Geburtsname)
Nach alter Tradition trug ein Jude zusätzlich zu seinem eigenen Namen den seines Vaters. Das hatte zur Folge, daß schon in der dritten Generation der Familienzusammenhang nicht mehr erkennbar war. Im Emanzipationsedikt von 1812 wurde deshalb vom preußischen Staat das Tragen "beständiger Familiennamen" vorgeschrieben, die von den jüdischen Familien frei gewählt werden konnten. Diese "bürgerlichen Namen" erscheinen fast immer in den deutschen Inschriften der Grabsteine.
Sehr häufig wurden auch neue Vornamen angenommen.

Jüdische Namen (Felder: Jüdischer Name, Jüdischer Vatername)
Die hebräische Inschrift nennt den bürgerlichen Namen nur in Ausnahmefällen. Hier wird die jüdische traditionelle Namensgebung, wie sie bis ins 18. Jahrhundert üblich war, fortgesetzt. Es wird der Vorname des Verstorbenen und der Name seines/ihres Vaters genannt. Dabei stimmt auch der Vorname meist nicht mit dem bürgerlichen Vornamen überein. Der jüdische Vorname ist bei Männern der sog. "Synagogenname", mit dem sein Träger in der Synagoge zur Lesung der Thora aufgerufen wird.
Die Namenszusätze „Ha-Levi“ und „Ha-Cohen“ verweisen auf die levitische bzw. priesterliche Abstammung der Familie. Oft wird dies zusätzlich durch die Darstellung einer Levitenkanne bzw. segnender Hände, wie sie beim Priestersegen (4. Mose 6, 24-26) gehalten werden, ausgedrückt.
Aus den jüdischen Vaternamen lassen sich in vielen Fällen genealogische Zusammenhänge rekonstruieren.

Lebensdaten (Felder: Geburts- und Sterbedatum)
Die Lebensdaten werden nach dem bürgerlichen (gregorianischen) Kalender angegeben. Wir kennen sie in der Regel aus den deutschen Inschriften der Grabsteine und/oder aus den Akten. Wenn beides nicht vorliegt, wird das aus der hebräischen Inschrift bekannte jüdische Datum in das gregorianische umgerechnet. (Zum jüdischen Datum: s.u. "Hebräische Inschriften".)

Geburts-/Herkunftsort
Bei einer Angabe in diesem Feld handelt es sich immer um einen anderen Ort als den des beschriebenen Friedhofs. Es kann dies entweder der Geburtsort oder der letzte Wohnort sein. Die Unsicherheit entsteht daraus, dass sich sowohl auf den Grabsteinen als auch in den Akten häufig nur die mehrdeutige Formulierung: "aus ... " vorfindet.

Verwandtschaftliche Beziehungen (Feld: Familie)
Die verwandtschaftlichen Beziehungen wurden in der Mehrzahl aus den Akten entnommen. In einigen Fällen lassen sie sich auch aus der hebräischen Inschrift rekonstruieren, da hier fast immer der jüdische Name des Vaters genannt wird.

Hebräische Inschriften
Die Mehrzahl der Grabsteine aus dem 19. Jahrhundert tragen sowohl eine hebräische als auch eine deutsche Inschrift. Die beiden Inschriften unterscheiden sich sehr grundsätzlich, und zwar sowohl in den persönlichen Daten (Name sowie Geburts- bzw. Sterbedatum) als auch in dem zusätzlichen Text, der in der Regel ein Lob auf den Verstorbenen ausdrückt
Der Name in der hebräischen Inschrift deckt sich nur in Ausnahmefällen mit dem bürgerlichen Namen. In der Regel werden hier der jüdische Name und der jüdische Vatername genannt.
Die Lebensdaten werden in den hebräischen Inschriften nach dem jüdischen Kalender angegeben. Allerdings wird hier meist nur das Sterbedatum, nur selten auch das Geburtsdatum, genannt.
Der jüdische Kalender ist eine Kombination aus Mond- und Sonnenkalender, das bedeutet u.a., dass die Monate mit dem Neumond beginnen. Die Namen der Monate haben keine Parallelen zu den bürgerlichen Monatsnamen. Das Jahr beginnt nicht am ersten Januar sondern am ersten Tag des Monats Tischri, der im September oder Oktober liegt. Die Jahre werden seit "Erschaffung der Welt" gezählt; zurzeit (2009) befinden wir uns im Jahr 5769. Da wir uns nach der jüdischen Zeitzählung seit dem Jahr 1240 im sechsten Jahrtausend befinden, beginnen die Jahre seit sieben Jahrhunderten mit 5 Tausend. Bereits im Mittelalter entstand der Brauch, die "5 Tausend" nicht zu nennen, sondern die Jahreszahl nur durch ihre Hunderter, Zehner und Einer auszudrücken. Es ist dies die "kleine Zählung". Sie wird auf Grabsteinen fast ausschließlich benutzt. Das bürgerliche Jahr ergibt sich durch Addition der "kleinen Zählung" zu 1240. (In der Zeit vom jüdischen Neujahrsfest bis zum 1. Januar ist das jüdische Jahr allerdings schon ein Jahr weiter als das bürgerliche.)
Jüdisches und bürgerliches Datum stimmen auf manchen Steinen nicht überein. Meist ist dies darauf zurückzuführen, dass der jüdische Tag schon am Vorabend beginnt. Hin und wieder kamen aber auch Rechenfehler vor. Auf Unstimmigkeiten wird in den Zeilen-Anmerkungen hingewiesen.
Zusätzlich zu den persönlichen Daten enthalten die hebräischen Inschriften in der Regel lobende Attribute, wie "der geehrte/verehrte Herr" oder "die teure, sittsame Frau". Besonders die männlichen Ehrerweisungen werden meist in abgekürzter Form wiedergegeben (s. Abkürzungsverzeichnis).
Darüberhinaus enthalten einige Inschriften Zitate aus der Bibel, selten auch aus der späteren religiösen Literatur. Es handelt sich dabei nicht immer um vollständige Zitate eines ganzen Bibelverses, sondern nur um einzelne geläufige Redewendungen; oft werden dabei Wortgruppen aus zwei Bibelstellen miteinander kombiniert. Auf die entsprechenden Stellen in der religiösen Literatur wird in den Zeilen-Anmerkungen hingewiesen.
Die Abschriften der hebräischen Inschriften sind "standardisiert", d.h. es wurde nicht versucht, das Format der auf dem Stein befindlichen Schrift, wie z.B. zentrierte Zeilen, wiederzugeben. Die Abkürzungszeichen sehen fast auf jedem Stein verschieden aus; in den Abschriften wird die allgemein übliche Schreibweise benutzt.
Auf sprachliche Fehler im hebräischen Text wird in den Zeilen-Anmerkungen hingewiesen.

Unvollständige Inschriften
Viele Inschriften sind durch Verwitterung oder Zerstörung nur noch schwer lesbar. Wenn Buchstaben oder ganze Wörter nicht mehr zu lesen sind, so wird das in der Abschrift durch Punktierung wiedergegeben. Wörter, die nur mit Unsicherheiten gelesen werden können, sind in Klammern gesetzt; das gleiche gilt für Ergänzungen von Textteilen, die zwar nicht erkennbar sind, aber im Zusammenhang als wahrscheinlich gelten können.

Stein (Felder: Material, Höhe, Dekor)
Die vorherrschende Grabsteinform war im deutschen Raum bis ins 19. Jahrhundert hinein der Stein im Hochformat von bis zu 70 cm Breite und 15 cm Tiefe mit abgerundetem oder rechteckigem Abschluss. Die Höhen variieren stark, da die älteren Steine noch über keine Sockel verfügten und daher allmählich im Boden versinken. Übliches Bild der älteren Friedhöfe sind zudem die unregelmäßigen Gruppierungen der Steine. Diese sind zum Einen auf das Versinken zurückzuführen, andererseits wurden auch Holzmale als Kennzeichnung des Grabes verwandt, die die Zeit nicht überdauerten. Außerdem war es für bestimmte Personengruppen wie Kindern oder Alleinstehenden mancherorts nicht üblich, Steine zu setzen.
Alle Gräber dauerhaft zu kennzeichnen, wurde erst im 19. Jahrhundert ein allgemeiner Anspruch. Gleichzeitig begann eine Entwicklung zu mehr Pluralität in der Formensprache der Steine. Ein Leben sollte nun jenseits der vormals so wichtigen Inschriften symbolisiert werden. So wurden klassizistische Formen wie die abgebrochene Säule, der Obelisk und die Urne beliebt. Mit Kissen- bzw. Pultsteinen wurden Gräber von Kindern oder Alleinstehenden geschmückt. Vorherrschend ist nun die Vielfalt und das Nebeneinander der Stilrichtungen. Die meisten Brandenburger Friedhöfe bieten jedoch ein eher einheitliches Bild, schließlich waren die meisten Gemeinden klein und homogen in ihrer Gesellschaftsstruktur.

Material
Als Material für die Grabsteine dienten regionale Natursteine, insbesondere Sandsteinarten. Die Verbesserung der Transport- und Verarbeitungsmöglichkeiten ab den 1850er Jahren ermöglichte eine größere Vielfalt. So verdrängten glattpolierte Hartgesteine wie Granit oder Basalt den Sandstein. Ergänzt wurden diese durch Kunststeine aus Zement oder Beton. Beliebt wurden auch gusseiserne Grabeinfassungen, Reliefbuchstaben und Schmuckelemente. Nicht nur dass diese witterungsbedingt leicht aus ihren Verankerungen brachten, vielfach fielen sie auch sogenannten Entschrottungsaktionen in der NS-Zeit zum Opfer.
Die oft vertretene Anahme, dass jüdische Grabsteine meist von christlichen Steinmetzen nach entsprechender Vorlage gefertigt wurden, lässt sich für die jüdischen Friedhöfe Brandenburgs bisher weder bestätigen noch widerlegen; zu selten findet sich auf den Steinen der Name des Steinmetzes.

Dekorelemente und Symbolik
Neben der wichtigen, oftmals kunstvoll komponierten Inschrift schmückten seit dem 16. Jahrhundert vermehrt Symbole die Grabsteine. Sie waren zunächst eine bildliche Ergänzung der Inschrift.
Die folgende alphabetische Auflistung von Grabsteinsymbolen, ihren Bedeutungen sowie von Dekoren ist eine Auswahl und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit:


SYMBOL BEDEUTUNG
   
abgebrochene Säule Hinweis auf einen plötzlichen Tod, auf ein vor der Zeit beendetes Leben
Akanthusfries Bärenklaurelief, Anlehnung an antike Tempel
Akroter Giebelverzierung
Blüten symbolisieren Fruchtbarkeit und Fülle
Challa geflochtenes Schabbatbrot; Hinweis auf eine tüchtige, wohltätige Hausfrau
Davidstern wurde im 19. Jh. zur Kennzeichnung eines jüdischen Grabes schlechthin
Engel sehr altes, in vielen Religionen und Kulturkreisen vorherrschendes Symbol der Vermittlung zwischen der Gottheit und den Menschen; oft auf Kindergräbern
floraler Schmuck symbolisiert Fruchtbarkeit und Fülle
geknickte Pflanze, z.B. Rose Hinweis auf einen plötzlichen Tod, auf ein vor der Zeit beendetes Leben
Kanne Hinweis auf die levitische Herkunft des Verstorbenen
offenes Buch Symbol für besondere Gelehrsamkeit
Palmette/ Palmwedel steht als immergrüne Pflanze für Unsterblichkeit
Schmetterling Hinweis auf die sich verwandelnde, aufschwingende Seele; kein eigentlich jüdisches Symbol
segnende Hände Hinweis auf die Zugehörigkeit des Verstorbenen zum Stamm der Kohanim (Priester) aus; sie zeigen die Handhaltung beim Sprechen des Priestersegens