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Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes

Der Name meines Studienganges verrät schon, wo ich mein Auslandssemester absolvieren wollte: in Osteuropa. Ein Auslandssemester ist laut Studienordnung nicht verpflichtend, aber wird sehr empfohlen, allein schon wegen der Sprachkenntnisse. In unserem Studiengang ist es möglich, ein Auslandssemester in Haifa, Polen oder Russland zu machen. Schon bei Beginn meines Studiums wurde stark dafür geworben, unsere Dozenten sprachen oft davon und natürlich organsierte auch das International Office viele Informationsveranstaltungen dazu. Da ich schon lange Russisch lerne, wollte ich unbedingt nach Russland und zwar so weit gen Osten wie möglich. So entschied ich mich für ein Auslandssemester in Irkutsk, Sibirien. Nachdem ich unserer Studiengangsorganisatorin und dem International Office davon erzählte, ging auch alles ganz schnell. Ich erhielt Mailadressen von Studierenden, die bereits da waren und das IO teilte mir zügig mit, welche Unterlagen ich benötigte. Ebenso erhielt ich den Kontakt von Frau Kudashova, unserer Ansprechpartnerin in Irkutsk. Welche Dokumente waren nötig? Einen Sprachnachweis über das Niveau B2, ein Learning Agreement, eine in Russland gültige Auslandsversicherung, ein negativer HIV-Test, Passkopien und natürlich ein Visum, welches ich nach Terminvereinbarung innerhalb einer Woche wirklich schnell und unkompliziert erhielt. Impfungen waren nicht nötig, aber empfohlen. So ließ ich mich vorab gegen Zecken, Tollwut und Hepatitis impfen. Meine Studentenkrankenversicherung ließ ich lediglich um die mehr benötigten Tage verlängern. Im Vorfeld teilte mir Fr. Kudashova auf Nachfrage mit, welche Kurse ich belegen könne, sodass ich vorab ein Learning Agreement abschließen konnte. Ebenso klärte ich mit dem IO in Irkutsk, dass ich dort einen Platz im Wohnheim haben möchte, was komplett reibungslos ablief. Jedoch war der Preis am Ende bei Weitem teurer, als uns gesagt wurde. So erhielten wir dann ziemlich knapp aber noch ausreichend eine Einladung der Gastuni, mit der wir dann ein Visum beantragen (120€) konnten. Ich empfehle, einfach auf gut Glück schon vorab einen Termin bei der Visumstelle zu beantragen, da es dort im Sommer sehr voll und ein Termin nötig ist. Letztlich hat alles geklappt und ich durfte eine Woche vor Studienbeginn (01.09.) einreisen.


Studienfach: Osteuropäische Kulturstudien

Aufenthaltsdauer: 09/2018 - 12/2018

Gastuniversität:Baikal State University

Gastland:Russland

Studium an der Gastuniversität

In Irkutsk wurde ich von Ludmilla, ebenfalls Mitarbeiterin im IO, abgeholt und zum Wohnheim gebracht. Bereits am gleichen Tag gab es allerhand Papierkram im IO zu erledigen, zahlreiche Vereinbarung und Regelungen mussten unterschrieben werden und schließlich mussten wir auch registriert werden. Das nahm alles einige Tage in Anspruch, also ruhig etwas eher anreisen. Besonders streng genommen wird die neue Visaregelung für Studierende. Sobald man Irkutsk verlässt, muss man sich erneut registrieren lassen und dem IO davor und danach unbedingt Bescheid geben, sonst gibt es Ärger. Für längere Reisen muss man auch handschriftlich eine Erklärung schreiben, warum und zu welchem Studienzweck man dorthin reist. Im IO bekamen wir eine Art Stundenplan, wie ihn alle russischen Studierenden erhalten. Es ist ein Stundenplan wie man ihn sich vorstellt mit Unterricht von morgens bis abends, von Montag bis Samstag. In Russland darf man sich die Lehrveranstaltungen nicht aussuchen. Doch keine Panik, auch wenn Fr. Kudashova das so meint, ihr müsst nicht alle Veranstaltungen belegen. Haltet euch etwa an euer Learning Agreement. Es fiel dem IO immer schwer Angaben zu machen, wie vielen ECTS die Veranstaltungen entsprechen, da dieses Punktesystem dort nicht existiert. Lasst euch also nicht zu viel reinreden. Ich machte insgesamt zwei Sprachkurse, 2 Vorlesungen und 2 Seminare. Allerdings brauchte ich auch nicht mehr viele Punkte, um mein Studium in Potsdam zu beenden. Die Sprachkurse entsprechen etwa 3 ECTS und gleichen unseren sprachpraktischen Übungen. Da in Irkutsk sehr viele Studierende aus Asien sind, hatte ich die Sprachkurse fast überwiegend mit Chinesen zusammen, welche eindeutig die größte Gruppe ausländischer Studierender ausmachen. In den Lektionen bzw. Vorlesungen läuft es so ab: Lehrer kommt und wird begrüßt, dann liest er 1,5h vor und wir müssen fleißig Wort für Wort mitschreiben, denn genau so wird es in den häufigen mündlichen oder schriftlichen Schnelltests auch abgefragt. Eine reine Lern- und Fleißarbeit. In den Seminaren werden dann die sehr umfangreichen Hausaufgaben besprochen. Das waren bei mir meistens Gedichtanalysen, Werkvergleiche, die Besprechung von Fachliteratur oder das Vorbereiten von Übungen, deren Methoden in der Vorlesung besprochen wurden. Ich musste mich anfangs sehr daran gewöhnen, doch so ist es halt. Also quantitativ ist der Aufwand bei Weitem größer als in Deutschland, qualitativ jedoch nicht. Und wenn man immer etwas sagt, ab und zu was abgibt und seine Hausaufgaben macht, bekommt man am Ende auch relativ einfach eine gute Note. Mehr Spaß am Unterricht und einen höheren Kenntnisgewinn habe ich jedoch an deutschen Universitäten. Die Studierenden selbst sind sehr jung und an den Klassenverband gewöhnt. Wir Masterstudierenden waren mit Abstand die Ältesten an der Uni, was schon ein wenig komisch war. Die Studierenden sind allerdings sehr nett, helfen immer gerne mit ihren Notizen, Bibliotheksanmeldungen oder Sonstigem. Vor allem sind sie auch daran interessiert, was einen Deutschen hierhin verschlägt. Die Mitarbeiter der Uni sind auch hilfsbereit, wenn sie auch sehr streng und ernst erscheinen. In Russland herrscht halt unglaublich viel Bürokratie. Ich habe aber keinen einzigen Fall erlebt, in dem mir nicht geholfen wurde. An der Uni gibt es mehrere kleine Bibliotheken, je nach Fachbereich, wo man sich sehr unkompliziert und für die Dauer eines Semesters Bücher ausleihen kann. Drucken und Kopieren kann man an einem speziellen Center an der Uni. Am gesamten Campus gibt es WLAN. Jedoch haben die PCs in den Bibliotheken und Lesesälen keinen Zugang zum Internet, sondern nur zum Onlinekatalog. Es gibt mehrere Cafes und eine Mensa, die wirklich sehr günstig ist, aber sehr kleine Portionen verkauft. Die Uni hat auch mehrere Vereine, wo man tanzen, Sport treiben oder singen kann. Prinzipiell sind die Studierenden sehr stolz auf ihre Uni und zeigen dies auch gerne. Besonders ist der Korpus 10, die russisch-chinesische Fakultät. Dort studieren alle, die Russisch als Fremdsprache erlernen. Dieser Korpus hat seine eigene Dynamik und organisiert oft Feste und kleine Wettbewerbe. Wettbewerbe sind generell sehr beliebt, sie gibt es eigentlich für alles. Ich hatte also meine Sprachkurse mit Chinesen, Koreanern, Mongolen und Japanern zusammen und die anderen Kurse mit russischen Studierenden. Jeder Studierende bekommt auch einen Hausausweis, ohne den man die Uni nicht betreten kann.

Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden

 Im Bachelor hatte ich bereits ein Auslandssemester in Italien gemacht, wo die Kontaktaufnahme zu Einheimischen eindeutig schneller gelang. Aber Italien und Sibirien sind halt auch zwei verschiedene Welten. Das erste Problem war, dass meine Kommilitonen alle zwar sehr nett, aber auch erst um die 18 Jahre alt waren. Personen in meinem Alter, Mitte zwanzig, zu finden, gestaltete sich tatsächlich etwas schwerer. Ganz wichtig: einfach ansprechen. Auch wenn sie etwas mürrisch und sehr ernst erscheinen mögen, traf ich immer auf äußert liebenswürdige und hilfsbereite Leute. Mit den Chinesen und Koreanern ging die Kontaktaufnahme etwas schneller, da wir ja alle irgendwie in der gleichen Lage waren. Leider gab es im Wohnheim keine Küche, was ja meistens der beliebteste Treffpunkt ist, auch lebten wir in unserem „Lehrerflur“ etwas isoliert von den anderen Studierenden im Wohnheim, doch nach und nach fanden wir immer mehr Freunde. Ich würde persönlich sagen, dass ich schon einen ganzen Monat gebraucht habe, um mich wirklich wohl zu fühlen. Doch dann umso mehr, sodass ich am Ende tolle Freunde hatte und gar nicht mehr weg wollte. Interessant war vor allem, dass ich mich mit vielen Russischlehrern, die auch erst Mitte 20 waren, angefreundet habe, die mich dann wiederum ihren Freunden vorstellten usw. Was ich besonders an Irkutsk schätze, ist die Vielfalt. Russen, Burjaten, Chinesen, Koreaner, Japaner, Mongolen, Deutsche, Zentralasiaten etc.  Japanische Busse auf russischen Straßen, chinesische Durchsagen im Wohnheim, burjatische Spezialitäten. All das hätte ich in dem Maße in Moskau oder Petersburg nicht erlebt.

Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

 Überraschend war erstmal, dass ich im Alltag mit meinen Russischkenntnissen gut klargekommen bin. Im Unterricht sah das dann schon anders aus. Die Sprachkurse waren allerdings meistens nur Wiederholung, da wir dort mit Chinesen zusammen waren, die erst vor Kurzem angefangen hatten, Russisch zu lernen. Einen Kurs auf höherem Niveau gab es nicht. In den Kursen mit den russischen Studierenden war es dann anfangs besonders schwer, doch genau das ist die beste Methode. Ich würde sagen, dass sich besonders mein Hörverstehen und  Leseverständnis verbessert haben. Lesen mussten wir genug und jeden Tag Russisch zu hören, hilft sehr viel. Ich hätte mir mehr Kurse gewünscht, in denen wir mehr sprechen müssen. Meine Sprechfertigkeiten müssen noch ausgebaut werden, aber passiv verstehe ich nun äußerst viel.

Wohn- und Lebenssituation

Im Wohnheim wohnten wir deutschen Studenten in einem sehr modernen, gut ausgestatteten Flur, der eigentlich für Lehrkräfte gedacht ist. Wir bezahlten pro Monat circa 90€. Das scheint für Deutschland nicht viel zu sein, in Irkutsk hätten wir uns allerdings davon auch eine eigene Wohnung mieten können. Das hat mich ein wenig geärgert, da uns auch Preise um die 20€ genannt wurden. Wir wohnten zu zweit in einem sehr sauberen Zimmer mit eigenem Waschbecken und Toilette und zwei Duschen im Gang. Ebenso hatten wir einen Kühlschrank, Mikrowelle und Wasserkocher.  Auch hatten wir WLAN, was es sonst nicht im Wohnheim gab. Leider gab es im gesamten Wohnheim keine Küche und im „Lehrerflur“ lebten wir etwas isoliert. Fragt also lieber direkt nach und sagt, dass ihr so wie die russischen Studenten wohnen möchtet, wenn ihr schnell Kontakt finden wollt. Beim nächsten Mal würde ich mir tatsächlich von dem Geld lieber eine Wohnung teilen, dann hätten wir auch eine Küche gehabt. An der anderen Uni in Irkutsk waren die Deutschen in Zweier-Zimmern mit Gemeinschaftsdusche und -küche sowie Toilette für 4 Personen untergebracht. Der Standard war längst nicht so hoch wie bei uns, aber sie zahlten halt auch nur 25 Euro im Monat. Die Miete mussten wir jeden Monat bar in der Uni zahlen. Die Waschmöglichkeiten im Wohnheim waren gut und günstig und sowohl die Bushaltestelle als auch der nächste Supermarkt waren nur fünf Minuten entfernt. Mit dem Bus braucht man 20min zur Uni, ich bin fast immer zu Fuß gegangen, was etwa 35min benötigt. Das Personal im Wohnheim war auch sehr freundlich und es fühlte sich fast wie eine kleine Familie an. Im Wohnheim selbst gab es auch einen kleinen Laden und einen Lesesaal. Die Öffis fahren an jedem Tag in der Woche im 5-10min Takt für ca.25 Cent pro Strecke. Ab 22 Uhr wird es schwer, doch dafür sind die Taxis unglaublich günstig.
Banktechnisch gab es keinerlei Probleme, mit Master- oder Visacard kann man überall in Irkutsk problemlos Geld abheben. Eine Simkarte mit unbegrenztem Internet kostet circa fünf Euro pro Monat. Zu beachten ist, dass das Visum nach 90 Tagen verlängert werden muss, was heißt, dass ihr circa drei Wochen ohne Visum seid, in denen sich die Uni darum kümmert. Das heißt wiederum drei Wochen nicht reisen. Reisen ist meiner Meinung nach sowieso etwas problematisch, da der Stundenplan so voll ist und die Anwesenheit hier auch strenger genommen wird. Außerdem sind die Entfernungen in Russland nicht zu unterschätzen. Ich war zum Beispiel in Listwjanka und auf Olchon am Baikalsee, in Arschan in den Bergen, in Angarsk und am Ende bin ich mit der Transsib nach Wladiwostok gefahren und von da aus nach Seoul geflogen, um meine koreanischen Freunde aus dem Wohnheim zu besuchen. Aber auch in Irkutsk selbst kann man sehr viel machen. Die Stadt hat alles, was man braucht, viele Museen und eine sehr schöne Uferzone an der Angara. Zum Baikalsee sind es nur ca. 1,5 Stunden mit dem Bus. Vor allem Kino und Theater sind sehr günstig, es wimmelt von westlichen Shoppingmalls, es gibt herrliche Märkte mit tollen Waren aus der Mongolei und China, viele kleine niedliche Cafes und im Winter ist die Stadt ein einziges Märchen mit riesiger Eislaufbahn, einem kleinen Disneyland aus Eis, Schneefiguren und allem was zum Winter dazugehört.
Da wir keine Küche hatten, aßen wir meistens mittags außerhalb. Ich würde sagen mit 500 Euro im Monat kann man hier sehr gut leben und auch reisen. Prinzipiell ist alles dank des günstigen Wechselkurses sehr billig (Kaffee, gute Schokolade und Marken-Make-Up sind auf deutschem Niveau).

Studienfach: Osteuropäische Kulturstudien

Aufenthaltsdauer: 09/2018 - 12/2018

Gastuniversität:Baikal State University

Gastland:Russland


Rückblick

Ich glaube, ich habe oben alles gesagt. Ich würde wiederkommen und bereue meine Entscheidung nicht. Vor allem wenn man sich für russisch-chinesische Beziehungen interessiert, ist Irkutsk ein faszinierender Ort. Natürlich auch für Naturliebhaber, denn davon gibt es hier mehr als genug. Das Einleben braucht etwas Zeit, doch dann ist es umso schöner und mir fiel der Abschied unglaublich schwer. Da die Studierenden hier sehr jung sind, wird man von den Vorgesetzten oft auch noch wie ein Kind behandelt. Das hat mich sehr gestört und ich musste mich des Öfteren zusammenreißen, um nichts Unüberlegtes zu sagen. Doch ihnen geht es eigentlich nur darum, dass niemandem etwas passiert.

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