Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Über die Möglichkeit, im Rahmen meines Studiums ein Jahr in Frankreich zu verbringen, hatte ich schon früh erfahren. Während meiner Schulzeit erzählte mir eine ehemalige Schülerin von den Studiengängen der Deutsch‑Französischen Hochschule, was mich sofort begeisterte. Als ich mich für Jura entschied, stand für mich schnell fest, dass ich den deutsch‑französischen Studiengang wählen würde.
Ein großer Vorteil dieses Programms ist, dass das Auslandsjahr fest im Studienablauf verankert ist und die Anerkennung der im Ausland erbrachten Leistungen weitestgehend vorgeklärt ist. Die Universitäten Potsdam und Paris Nanterre kooperieren im Rahmen eines Mobilitätsabkommens, sodass Studierende regelmäßig zum jeweils anderen Standort wechseln. Mein Auslandssemester in Nanterre war im dritten Studienjahr (5. und 6. Semester) vorgesehen. Voraussetzung für die Bewerbung ist die bestandene Zwischenprüfung sowie eine Durchschnittsnote in den bereits belegten französischen Fächern in Potsdam.
Weitere Informationen zum deutsch‑französischen Studiengang findest du hier: https://jura-potsdam-paris.de/
Studium an der Gastuniversität
Das französische Universitätssystem ist deutlich verschulter als in Deutschland. Vorlesungen (CM= cours magistraux) und Arbeitsgemeinschaften (TD= travaux dirigés) ähneln zwar den deutschen Vorlesungen und AGs, unterscheiden sich aber in Organisation und Didaktik:
Für die Cours magistraux (Vorlesungen):
- Dauer meist 3 Stunden, (sehr) frontaler Stil
- wenige PowerPoint‑Folien; Studierende tippen nahezu wortwörtlich mit und erstellen so ein Skript
- selten Interaktion, Pausen ungeplant
Für die travaux dirigés (Arbeitsgemeinschaften):
- 1,5 Stunden, Anwesenheitspflicht (max. 2 Fehltermine)
- Mitarbeitsnote und Probeklausur fließen je zur Hälfte in die TD‑Note ein
- oft Präsentationen oder schriftliche Aufgaben über das Semester verteilt
Die Qualität der Lehre war, wie in Potsdam auch, unterschiedlich gut, je nach Rechtsgebiet. Besonders positiv ist mir die Vorlesung im Völkerrecht (droit international public) von Frau Chaumette in Erinnerung geblieben. Die Leistungsbewertung ist grundsätzlich sehr unterschiedlich, jeder Prof entscheidet selbstständig, wie diese gestaltet ist. Am Ende zählt die TD-Note, in die eine Probeklausur, Abgaben, Mitarbeitsnoten o.ä. fließt zu 50% und die Abschlussklausur zählt ebenfalls zu 50%. Meiner Meinung nach führt dieses System dazu, dass man anders als in Potsdam weniger klar abgrenzbare Klausurenphasen hat, sondern in gewisser Weise dauerhaft eine Leistungsüberprüfung stattfindet, was sehr stressig sein kann.
Ob ich ein Fach mochte und gerne besuchte, hing vor allem vor von der Atmosphäre in den TDs ab. Manche TD-Leiter hatten auf dem Schirm, dass einige Deutsche Studierende im Kurs waren und nahmen darauf Rücksicht, andere waren wiederum recht streng und unflexibel.
Der Campus ist recht grün, im Frühling und Sommer kann man zwischen Lehrveranstaltungen auf der Wiese sitzen. Schön ist auch der Sportkomplex, es gibt Beachvolleyball-, Tennis- und Fußballfelder, eine Leichtathletikbahn und mehrere Sporthallen. Mein persönliches Highlight war die moderne Schwimmhalle, die mitten auf dem Campus steht und für Studierende kostenlos nutzbar ist. Leider ist das vegetarische Angebot in der Mensa eher dürftig und die Qualität des Essens mittelmäßig. Viele Hörsäle sind mit unbequemen Holzbänken ohne Steckdosen ausgestattet, während die Bibliothek modern eingerichtet ist und sich gut zum konzentrierten Arbeiten eignet.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Beim deutsch-französischen Studiengang Rechtswissenschaften geht man gemeinsam mit anderen Studierenden, die man in den ersten zwei Studienjahren in Potsdam kennengelernt hat, nach Frankreich. Kontakte zu anderen Erasmus‑Studierenden hatte ich hingegen kaum, und der Kontakt zu einheimischen Studierenden gestaltete sich schwierig, da diese sich bereits untereinander kannten und der Frontalunterricht wenig Raum für Austausch ließ. Sportkurse bieten jedoch eine gute Gelegenheit, französische Studierende kennenzulernen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, habe aber eine französische Mutter und viel Zeit in Frankreich verbracht. Daher hatte ich keine Verständigungsprobleme, doch mein schriftlicher Ausdruck, insbesondere im juristischen Kontext, verbesserte sich deutlich über das Jahr hinweg.
Wohn- und Lebenssituation
Dadurch dass es den deutsch-französischen Studiengang schon einige Jahre gibt, tauschen sich die Studierenden regelmäßig in WhatsApp Gruppen über frei werdende Wohnungen aus. Daher hatten eine Freundin von mir und ich das große Glück, dass wir schon einige Monate vor unserem Aufenthalt eine Wohnung in Montmartre besichtigen konnten und die Abwicklung mit dem Vermieter dann recht unkompliziert war. Der Vermieter vermietet seit mehreren Jahren bevorzugt an Studierende unseres Studiengangs, da er mit diesen gute Erfahrungen gemacht hat. Grundsätzlich sollte man sich in Paris aber auf teure Mieten und kleine Wohnungen einstellen. Wir haben für eine 35 m2 2-Zimmer Wohnung, mit zentraler Lage pro Person 760 Euro Miete gezahlt. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit in Frankreich CAF (Wohngeld) zu beantragen.
Für den öffentlichen Nahverkehr nutzte ich den Navigo‑Studentenpass (forfait imagine R), den man online beantragen kann. Er kostet 380 € und gilt von September bis August. Insgesamt empfand ich die Lebenshaltungskosten in Paris höher als in meinem Wohnort Berlin, da Discounter in der Innenstadt selten sind. Positiv fand ich hingegen, dass Kinos günstiger sind als in Deutschland und viele Museen für unter 25‑Jährige kostenfrei zugänglich sind. Auch die App „too good to go“ kann ich in Paris sehr empfehlen. Um gegen Lebensmittelverschwendung anzukämpfen, bieten viele Restaurants oder Boulangeries das nicht verkaufte Essen günstig über die Plattform an.
Finanziell wurde ich durch die Erasmus‑Basisförderung (540 € monatlich), die DFH‑Mobilitätshilfe (300 €) und den Social Top‑Up (250 €) unterstützt, was mir Planungssicherheit gab.
Studienfach: Deutsch-französische Rechtswissenschaften
Aufenthaltsdauer: 09/2024 - 06/2025
Gastuniversität: Université Paris Nanterre
Gastland: Frankreich
Rückblick
Selbst wenn das Auslandsjahr in Nanterre phasenweise sehr anstrengend und kräftezehrend war, kann ich es nur weiterempfehlen. Ein Jahr in Paris zu leben und zu studieren war einfach toll und hat sich sehr besonders angefühlt. Die Stadt ist unvergleichlich schön und vielseitig, und auch nach einem Jahr habe ich ständig neue Ecken entdeckt. Ich denke, wenn alle Rahmenbedingungen wie Unterkunft, Zusammenleben mit den Mitbewohnern und mentale Balance stimmen, kann das Studium in Nanterre eine sehr bereichernde Erfahrung sein, denn ein Auslandsjahr ist immer das, was man daraus macht. Scheut euch nicht, andere Studierende um Hilfe zu bitten, und behaltet Gelassenheit, andere kochen auch nur mit Wasser!