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Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes

Ich habe bereits in meinem Bachelorstudium einen Auslandsaufenthalt absolviert und wusste daher ungefähr was auf mich zukommt. Meinen letzten Austausch habe ich in Estland verbracht und da mir die Kultur, die Sprache und das Klima dort gut gefallen haben, habe ich mich im Master für einen Aufenthalt in Finnland (JYU) entschieden.

Die Bewerbung an meiner Fakultät (Digital Engineering) bestand aus einem Lebenslauf, einseitigem Motivationsschreiben und meiner aktuellen Leistungsübersicht. Letztere wird mit Abstand am stärksten gewichtet.

Nach der Zusage von meiner Fakultät musste ich mich über das Portal der Uni Potsdam (MoveON4) bewerben und wurde dann bei der finnischen Uni nominiert. Dort musste ich dann auch noch in einem Online-Portal (Mobility-Online) meine Daten hinterlegen und hatte damit die Bewerbungsphase abgeschlossen. Die JYU hat nur persönliche Stammdaten, ein paar Informationen zum Studiengang, ein Transcript of Records und später das Learning Agreement benötigt. Weitere Dokumente waren nicht notwendig.

Von der Universität in Finnland gab es dann bereits im Frühjahr mehrere Online-Meetings in denen alle weiteren Schritte erklärt wurden. Dazu zählten unter anderem die Bewerbung auf einen Platz im Wohnheim und die Einrichtung der digitalen Services. Diese Treffen waren sehr hilfreich, aber wahrscheinlich reichen auch die Slides aus um die wichtigsten Informationen zu bekommen. Die Infoveranstaltungen des International Office in Potsdam waren nicht schlecht, aber die meisten Informationen hatte man schon, wenn man seine Mails gelesen hat.

Ich habe mich nach Freischaltung auf einen Platz im Wohnheim beworben und auch einen bekommen. In Jyväskylä gibt es mehrere Wohnanlagen, die teilweise von dem dortigen Studierendenwerk (JYY) betrieben werden. Ich würde auf jeden Fall die Wohnanlage „Kortepohja“ von Soihtu empfehlen, wenn man seine Präferenz angibt. Das ist das große Studierendendorf wo die meisten Studierenden leben. Dort gibt es auch ein Studierendenrestaurant, kostenloses Fitnessstudio, viele Events und Lernräume. Es gibt auch noch andere Anlagen von Soihtu und Koas. Diese sind quer durch die Stadt verteilt.


Studienfach: Cybersecurity

Aufenthaltsdauer: 08/2024 - 07/2025

Gastuniversität: University of Jyväskylä

Gastland: Finnland

Anreise und Ankunft

Für die Anreise gibt es mehrere Möglichkeiten und die meisten Austauschstudierenden haben ein Flugzeug nach Helsinki genommen und sind von dort aus dann mit dem Zug nach Jyväskylä gefahren. Ich möchte andere Wege beschreiben, die länger dauern, aber dafür umweltfreundlicher sind. Von Berlin aus gibt es Nachtzüge nach Stockholm (Snälltåget und SJ) mit denen man abends in Berlin losfährt und dann morgens in Stockholm ankommt. Aus Stockholm fährt dann abends eine Fähre über Nacht nach Turku und von dort aus kann man dann mit dem Zug nach Jyväskylä fahren. Eine weitere, etwas unbequemere Route über das Baltikum kann auch eine Alternative sein. Von Berlin gibt es Direktzüge nach Warschau, von dort aus kann man dann mit dem Bus nach Tallinn und von dort per Fähre nach Helsinki und schließlich mit dem Zug nach Jyväskylä. Ich habe diese Verbindung auch einmal benutzt, aber würde dann einen Zwischenstopp, zum Beispiel im schönen Estland, empfehlen.

Weit vor Anfang des Semesters wird man von seinem Tutor / seiner Tutorin an der JYU kontaktiert und kann auch an der Stelle nach Informationen zur Ankunft fragen. Mein Tutor hat mich vom Zug abgeholt und erstmal mit mir eine Buskarte gekauft. Dann haben wir zusammen meinen Schlüssel abgeholt und sind zu meiner Wohnung gefahren. Er hat mir außerdem noch direkt am ersten Tag die nahgelegenen Geschäfte gezeigt. In Finnland haben Supermärkte jeden Tag auf — zumindest habe ich einen Supermarkt in meinem Jahr vor Ort kein einziges Mal geschlossen gesehen — deswegen muss man sich um Essen direkt nach der Ankunft keine Gedanken machen.

Die Orientierungswoche hat bei mir in der letzten Augustwoche gestartet. Dort kriegt man alle relevanten Informationen zu Studium, Sport, Registrierung in Finnland und mehr erklärt. Vor der Orientierungswoche muss man sich eigentlich keine Gedanken um irgendetwas außer der Wohnung und eventuell Versicherungen machen. Ich würde sehr empfehlen zur Orientierungswoche vor Ort zu sein, dort werden alle möglichen Fragen geklärt. Bei mir wurden manche Programmpunkte aber auch parallel online angeboten.

Wohn- und Lebenssituation

In meinem ersten Semester habe ich in Haus Q in Kortepohja gewohnt. Dort hatte ich eine 3-er WG mit anderen internationalen (Deutschland und Hong Kong) Studierenden. Haus Q ist eines der weniger schönen Häuser, wir hatten als innenliegende Wohnung zum Beispiel keine Fenster in Küche oder Bad. Nachdem mir Mitte Dezember die Verlängerung meines Erasmusaufenhaltes genehmigt wurde, habe ich sehr kurzfristig von Soihtu noch eine neue Wohnung für das nächste Semester (ab Anfang Januar) bereitgestellt bekommen. Diese war in Haus S in Kortepohja und war eine 4-er WG mit 3 Franzosen und mehr Fenstern. Die Einrichtung war in beiden Wohnungen eher alt, aber hat funktioniert. Falls etwas nicht funktioniert hat, wurde es nach einer Online-Meldung sehr schnell kostenfrei repariert. Ich habe für die Miete mit Möbeln (inkludiert auch Zugang zu Sauna und Fitnessstudio) etwa 300 Euro gezahlt.

In Jyväskylä kann man das meiste gut zu Fuß erreichen. Kortepohja liegt allerdings etwas außerhalb und bis zur Uni läuft man etwas 20 Minuten (je nach Campus auch länger). Es gibt viele Busse, die zuverlässig fahren, allerdings kostet das Monatsticket als Student 42 Euro. Stattdessen kann man sich auch bei Teemu für 70 Euro (plus 30 Euro Kaution) ein Fahrrad für das Wintersemester mieten (im Sommersemester ist es etwas günstiger). Die Fahrräder sind nicht von höchster Qualität, aber gut gewartet und bei Problemen fixt Teemu sie kostenfrei. Insgesamt war er sehr bemüht und hat mich zum Beispiel angerufen als er ein Fahrrad mit größerem Rahmen gefunden hatte. Da die Nachfrage groß ist und die Anzahl der Fahrräder begrenzt, lohnt es sich auch schon vor der Orientierungswoche ein Fahrrad abzuholen. Man kann nur bar zahlen, was in Finnland wirklich sehr ungewöhnlich ist, ich glaube ich habe sonst nirgendwo Bargeld gebraucht.

Die Fahrradwege in Jyväskylä und Umgebung sind extrem gut. Es gibt beispielsweise bei größeren Straßen oft Unterführungen. Im Winter werden die Wege sehr zeitnah geräumt, sodass man auch problemlos im Winter das Fahrrad nutzen kann. Neben Unterführungen gibt es auch extrem viele Zebrastreifen für Fußgänger, bei denen aber Autofahrende in der Regel auch für Fahrradfahrende anhalten. Ampeln bei denen man warten muss oder Stellen an denen man ohne irgendwas Straßen überqueren muss gibt es nur sehr wenige weshalb man in Jyväskylä zu Fuß oder auf dem Fahrrad viel schneller unterwegs ist als beispielsweise in Potsdam.

Innerhalb von Finnland kann man das meiste gut und relativ kostengünstig (zumindest für finnische Verhältnisse) per Zug und Bus erreichen. In den hohen Norden gibt es auch einige Nachtzüge.

Finnland ist Teil der EU weswegen die deutsche Krankenversicherung auch dort gültig ist, viele empfehlen aber trotzdem noch eine Auslandskrankenversicherung. In Finnland wird man je nach Wohnort einem Gesundheitszentrum zugeordnet. Wenn man irgendwelche Beschwerden hat, kann man dort in den offenen Sprechstunden hingehen und kann dort nach meist sehr kurzer Wartezeit mit einer Pflegefachkraft sprechen. Falls nötig kommt auch direkt vor Ort ein Arzt / eine Ärztin dazu. Ich hatte ein Gespräch mit einem Arzt und anschließend einen Bluttest und ein Elektrokardiogramm und musste dafür 25 Euro zuzahlen. Was genau wie viel kostet habe ich nicht nachvollzogen, aber habe auch nicht lange recherchiert. In dem Gesundheitszentrum ist mir mit der Krankenschwester das erste Mal eine finnische Person begegnet, die nicht gut Englisch sprechen konnte. Mein Finnisch hat aber für diese Interaktion nach einem Monat Finnischkurs schon einigermaßen ausgereicht.

Bei der Registrierung während der Orientierungswoche bekommt man einen finnischen Identitätscode, der für alle wichtigen Dinge (wie zum Beispiel die Gesundheitszentren) ausreicht.

Wenn man möchte, kann man auch beim finnischen Immigrationsservice (Migri) eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Dafür muss man allerdings nach Tampere fahren und etwas Geld zahlen. Laut Website ist der Schritt sogar verpflichtend, aber mir wurde gesagt, dass es niemand nachverfolgt, wenn man das nicht macht. Zusätzlich kann man einen permanenten Wohnsitz bei der Einwohnerbehörde (DVV) anmelden (falls nicht schon während der Orientierungswoche geschehen) und sich in der Municipality registrieren. Wenn man das alles gemacht hat, kann man bei der Polizei dann einen finnischen Ausweis beantragen. Das kostet allerdings auch noch einmal Geld. Mit dem finnischen Ausweis kann man sich dann beispielsweise einfacher bei manchen Online-Diensten anmelden und ohne Probleme an Kommunalwahlen teilnehmen.

Manche (nicht notwendigen) Online-Services setzen aber auch ein finnisches Bankkonto oder eine finnische Telefonnummer voraus. Ein Bankkonto habe ich nicht erstellt und ich denke für einen Aufenthalt von einem Jahr oder weniger ist das auch nicht notwendig. Fast alles kann man in Finnland mit Karte zahlen, häufig ist die erste Wahl für Einheimische aber MobilePay. Mangels Telefonnummer habe ich das nicht eingerichtet und hatte auch nie Probleme dadurch. Paypal ist in Finnland gar nicht verbreitet. SEPA funktioniert in Finnland problemlos, zum Beispiel für die Mietüberweisungen an Soihtu.

Die Lebenshaltungskosten in Finnland sind sehr unterschiedlich zu denen in Deutschland. In manchen Bereichen wie zum Beispiel öffentlicher Verkehr, Sport und Kultur sind die Kosten meist (die Busse in Jyväskylä sind leider nicht günstig) geringer. Wohnkosten sind (mit Ausnahme von Helsinki) in Finnland niedriger als in Deutschland wobei die Kosten für Wohnheime vergleichbar sind. Die Kosten für Lebensmittel sind deutlich höher als in Deutschland. Bis auf einige einheimische Produkte wie Äpfel, Kartoffeln oder Zwiebeln ist Gemüse und Obst sehr teuer. Auch finnische Produkte wie Blaubeeren oder Pilze sind nicht günstig. Einen regelmäßigen Bauernmarkt gibt es in Jyväskylä nicht. Auch nicht-frische Lebensmittel sind teilweise deutlich teurer als in Deutschland. Das liegt unter anderem an der allgemein höheren Mehrwertsteuer aber auch an gezielten Steuern auf ungesunde Zutaten wie Zucker oder Alkohol. Restaurants sind auch teuer, aber man bekommt überall zumindest gratis Wasser.

Für Studierende sind hohe Lebensmittelkosten allerdings nicht so schlimm, weil es in Jyväskyla ungefähr zehn sogenannte Studierendenrestaurants gibt, die fast alle eine gesunde Mahlzeit für 2,95 Euro anbieten. Dafür bekommt man ein Salatbuffet, unbegrenzt Wasser, ein Glas Milch oder Saft, Sättigungsbeilagen wie Kartoffeln oder Reis, Gemüse, etwas Brot und ein Hauptgericht (zum Beispiel Curry, ein Stück Fisch oder Fleisch oder einen Auflauf. Die Studierendenrestaurants sind außerdem meist eher klein und gemütlich und haben meist einen Tisch mit allen möglichen Gewürzen und oft noch andere (teurere Essensangebote). Die Studierendenrestaurants sind auch ein Ort an dem man zuverlässig vegetarisches Essen bekommt, das ist sonst in Finnland nicht überall ganz einfach.

Freizeit

Ich habe einen Großteil meiner Zeit außerhalb der Universität in Kortepohja selbst verbracht. Dort gibt es ein Studierendenrestaurant welches auch am Wochenende geöffnet ist. Dort finden auch regelmäßig Events statt, zum Beispiel Pubquizzes. Außerdem gibt es mehrere Saunen, ein Fitnessstudio und Arbeitsräume. Waschen ist kostenlos, wenn man dort wohnt. Direkt nebenan gibt es außerdem eine sehr neue Bibliothek, die sich auch sehr gut als Arbeitsplatz eignet. Wenn man sich einen kostenloses Bibliotheksausweis beantragt kann man die Bibliothek auch nutzen, wenn kein Personal vor Ort ist. In Kortepohja gibt es auch Klubs, die sich regelmäßig treffen, zum Beispiel zum Tanzen, Kartenspielen oder Filme gucken.

An der Universität gibt es auch Studierendenklubs welche grob nach Studiengängen oder Fakultäten getrennt sind. Die Klubs organisieren viele Veranstaltungen von denen auch viele ohne Finnischkenntnisse besuchbar sind. Praktisch alle Veranstaltungen werden über die „Kide“ App organisiert und häufig über Instagram beworben.

Ich habe einige Ausflüge mit „Jopa“, einer studentischen Wandergruppe, gemacht. Es gibt außerdem beispielsweise auch einen Klub fürs Fischen, einen für Deutschstudierende, zwei für Computer Science (Linkki und Dumppi) und noch viele mehr. Häufige Formate für Veranstaltungen sind „Appro“s bei denen man durch die Stadt zieht und Stempel für bestimmte Aufgaben sammelt und „Sitsfest“s was meinem Verständnis nach Saufabende sind. Das ESN ist in Jyväskylä ist sehr aktiv und bietet klassische finnische Veranstaltungen auch für Austauschstudierende an.

Die Universität hat auch ein sehr großes Sportangebot. Bei uMove kann man zum einen längerfristige (und kostenpflichtige) Kurse buchen und zum anderen eine Mitgliedschaft für 65 Euro (ein Jahr) kaufen. Mit der Mitgliedschaft kann man dann jede Woche beliebig viele Kurse aus einem riesigen Angebot reservieren. Das Angebot umfasst unter anderem Fitnesskurse, Yoga, Pilates, Turnen und vieles mehr. Mit der Mitgliedschaft kann man auch vergünstigt die Schwimmhalle nutzen. Auch ohne Mitgliedschaft ist das Fitnessstudio in der Sporthalle für alle Universitätsangehörige nutzbar. Auch die Turnhalle kann frei benutzt werden, wenn sie frei ist (das gilt glaube ich eigentlich nur für Sportstudierende, aber das stört niemanden).

Bei vielen Sportkursen wird Finnisch als Sprache angegeben, aber in der Regel ist das nicht notwendig. Ich war bei einigen solchen Kursen und oft wurden mir wichtige Dinge auch auf Englisch erklärt oder finnische Studierende haben für mich übersetzt. Bei vielen Kursen ist es natürlich auch schon ausreichend einfach zu sehen, welche Übung vorgemacht wird. Auch außerhalb der Universität waren Sportvereine immer sehr offen für Austauschstudierende, die kein Finnisch gesprochen haben.

Wenn man in Finnland reisen möchte, würde ich zuerst die Studierendenklubs empfehlen. Manche organisieren zum Beispiel Skiurlaube oder auch kleinere Trips in der Umgebung und sind meist sehr günstig. Timetravels bietet gut organisierte Reisen in den hohen Norden an. Das Betreuungspersonal war meist sehr kompetent, die Reisen allerdings auch deutlich teurer. Es ist auch kein Problem selbst Reisen zu organisieren, selbst in den abgelegensten Ecken sprechen die meisten Personen gutes Englisch. Für Ausflüge in die finnische Natur kann ich „Eräluvat“ empfehlen. Dort kann man zum Beispiel einen Platz in einer geteilten Hütte in der Natur oder teilweise sogar eine ganze Hütte relativ preiswert reservieren. Es gibt außerdem auch offene Hütten bei denen man nichts reservieren muss, aber dafür weniger Komfort hat.

Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden

Für Kontakt zu internationalen Studierenden sind alle Sprachkurse, die Orierntierungswoche und ESN sehr gut geeignet. Leider hat sich dadurch auch relativ schnell eine Erasmus-Bubble gebildet.

Für Kontakte zu einheimischen Studierenden würde ich auf jeden Fall die Studierendenklubs an der Universität und Sportkurse empfehlen. Bei dem Sprachkurs Each One Teach One lernt man zumindest eine finnische Person gut kennen. Mich hat das in die Wandergruppe integriert. Auch der Tutor, den / die Tutorin, die man seit Anfang hat kann hilfreich sein.

Mir ist es trotzdem schwergefallen viel Kontakt zu finnischen Personen aufzubauen.

Studium an der Gasthochschule

Die Uni nutzt das System „Sisu“ für Kursanmeldungen und Moodle für alle Kurse. Beides wird in der Orientierungswoche erklärt, aber es lohnt sich auch schon vorher mal in Sisu reinzuschauen, weil man dort auch als Gast alle Kurse einsehen kann.

Die meisten Kurse setzen als Prüfungsform auf Hausarbeiten. Einige Kurse hatten zusätzlich (oder sogar nur) bewertete Übungen. Bis auf kleinere Tests in meinen Sprachkursen habe ich keine einzige Klausur geschrieben. Die meisten Übungen (oft auch die bewerteten) werden in Gruppen absolviert. Die Anforderungen in den meisten Kursen sind deutlich geringer als an meiner Heimatuni, besonders in den Bereichen Computer Science und Cybersecurity. Durch Übungen und Hausarbeiten ist der Aufwand allerdings trotzdem nicht gering. Betreuung durch Tutoren / Tutorinnen habe ich nicht erlebt. Von dem was ich gehört habe, waren Hausarbeiten auch an anderen Fakultäten üblich, aber die Anforderungen und die Qualität der Kurse war deutlich höher.

Das Angebot an Sprachkursen ist groß und alle Sprachkurse, die ich belegt habe waren sehr gut. Finnen freuen sich auch fast immer, wenn man zumindest versucht Finnisch mit ihnen zu reden, deswegen würde ich Sprachkurse auf jeden Fall sehr empfehlen.

Es gibt einige Sprachkurse, die bereits in den zwei Wochen vor der Orientierungswoche stattfinden. Ich würde einen solchen empfehlen, weil in dieser Zeit auch schon einige soziale Events stattfinden und man so mehr Zeit hat sich einzuleben bevor die Uni startet. Es gibt Sprachkurse, die nur eine intensive Einführung geben und recht schnell wieder vorbei sind und andere, die auch das ganze Semester weitergehen. Ich habe einen „Minun Suomea“ (My Finnish) Kurs belegt, der vor der Orientierungswoche angefangen hat und dann bis in den Dezember stattgefunden hat. Ich fand das sehr gut, weil man schon ganz am Anfang die wichtigsten Dinge gelernt hat, aber dann im Semester noch (etwas langsamer) weitergelernt hat. Insgesamt war der Kurs eher langsam, sodass alle mitkommen. Wenn man mehr lernen möchte, kann man nach Absprache auch noch parallel den zweiten Finnischkurs („Arjen Suomea“ — Everyday Finnish) belegen. Ich habe dadurch noch viel mehr Fortschritte machen können.

Im Sommersemester war die Auswahl an weiterführenden Kursen mangels Nachfrage nicht so groß. Da ich den zweiten Kurs schon im Wintersemester belegt hatte und es den dritten nicht im Sommersemester gibt, blieb für mich nur der vierte Kurs („Yhteiskunnan Suomea“ — Finnish in the Society, B2-Level) übrig. Der Kurs war relativ fortgeschritten, aber mit etwas Mühe war er auch machbar und die Lehrerin war sehr unterstützend. Wir haben unter anderem finnische Dialekte besprochen, finnische Nachrichten geschaut, viel Tageszeitung gelesen und aktuelle Themen diskutiert.

Außerdem würde ich auf jeden Fall den Kurs „Each one teach one“ empfehlen. Es gibt eine Website bei der man einen Partner / eine Partnerin suchen kann, um dann die eigene Muttersprache zu lehren und die Muttersprache der anderen / des anderen zu lernen. Ich habe dort sehr viel Finnisch sprechen können und habe auch sehr viele Einblicke in die finnische Kultur bekommen.

Neben Sprachkursen gibt es auch noch einige weitere Kurse, die interessante Einblicke geben können. Ich habe einen Kurs über die Geschichte von Finnland und einen Kurs zu finnischer Kunst und Kultur belegt. Wenn man nicht so viel Zeit hat, aber trotzdem Interesse, kann man bei den Kursen auch einfach nur zur Vorlesung gehen und die Hausarbeit am Ende nicht schreiben.

Sämtliche Kurse, die ich im Bereich Computer Science oder Cybersecurity belegt habe waren nicht empfehlenswert. Das Niveau war gering, die Unterlagen oft fehlerhaft und Vorlesungen waren meist Videos oder es gab gar keine.

Ich habe kurz in den Kurs „SOA und Cloud Computing“ reingeschaut, dort hat man aber angefangen mit Java SOAP Anwendungen für Apache Tomcat zu schreiben und dann bin ich wieder gegangen.

Sämtliche Kurse von Andrei Costin sind nicht empfehlenswert. Für die Vorlesung gab es nur einen Zoom Link, aber dort habe ich mehrfach nur verwirrte Studierende, aber keinen Dozierenden vorgefunden. Die Slides in Moodle waren veraltet und teils fehlerhaft. Die praktischen Übungen waren etwa 15 Jahre alt und damit vor allem eine anstrengende Toolschlacht bei der man versucht hat alte Software zum Laufen zu bekommen. Die Nutzung der Tools war dann praktisch vollständig (inklusive ganzer Commands) in den Übungsunterlagen vorgegeben. Nachdem die Software lief musste man also nur noch Commands copy-pasten und einen Screenshot davon in die Abgabe packen. Damit hat man aber noch nicht die Bestnote, für 100% musste man dann noch Bonustasks erfüllen. Diese waren zum Beispiel die Übungen nur mit ChatGPT zu lösen oder Untertitel zu CCC-Vorträgen hinzuzufügen (dabei sollte man aber gegen den CCC-Leitfaden verstoßen und beispielsweise nicht auf unabhängige Reviews warten). Leider waren die meisten englischsprachigen Cybersecurity Kurse von Andrei Costin und entsprachen alle ungefähr der Beschreibung oben.

Ich habe noch Cybersecurity Psychology belegt. Das war ein interessanter Einblick in ein für mich neues Themenfeld und war relativ gut vorbereitet. Leider war die Vorlesung nur online und bei den Präsenzdiskussionen war kaum jemand anwesend. Die fachliche Korrektheit von technischen Themen war nicht immer gegeben, aber insgesamt war der Kurs eine Bereicherung für mich. Die Note hat sich aus einer 20-seitigen Hausarbeit nach den Bachelorarbeitsstandards der JYU ergeben.

Ich habe auch den „Cyber Security Base“ MOOC der Universität Helsinki absolviert. Das Niveau (auch von den Advanced Topics) war relativ gering, aber das Prinzip des Kurses war gut. Es gab kleinere Aufsätze, die die Teilnehmenden gegenseitig korrekturgelesen haben und Implementierungsaufgaben. Vor allem im Kryptographie-Teil gab es aber auch einige schwerwiegende Fehler und auf meine Nachfrage auf Korrektur habe ich nie eine Antwort erhalten. Eine Anrechnung an der JYU war entgegen meiner initialen Annahme (für Austauschstudierende) nicht möglich.

Die Ausstattung der Universität war sehr gut. Es gab überall kleine Räume für Meetings und Gruppenarbeiten, aber auch alle Seminarräume konnten genutzt werden, wenn sie frei waren. Alle Räume waren auch reservierbar. Die zentrale Bibliothek hatte immer freie Plätze und hatte immer ein angenehmer Arbeitsklima. Dort gab es auch stille Räume für maximale Konzentration. Viele Arbeitsplätze hatten einen Computer, sodass man theoretisch auch ohne eigenen Laptop auskommen kann. Dort gab es auch große Monitor mit USB-C, wo man seinen Laptop anschließen konnte. Die Bibliothek war nur an offiziellen Feiertagen geschlossen und hatte sonst in der Woche von 07:30 bis 21:00 Uhr geöffnet. An Wochenenden und außerhalb der Vorlesungszeit waren die Öffnungszeiten kürzer. Auch in anderen Gebäuden gab es Arbeitsräume oder kleinere Bibliotheken.

Alle Menschen waren immer sehr hilfsbereit. Es gab einen Service Desk, aber auch die Hausmeister, das International Office (was auch regelmäßig eine Sprechstunde hatte) oder Lehrende konnten immer angesprochen werden.

Kurse

Folgende Kurse habe ich abgeschlossen oder zumindest angeschaut (Kursinformationen in Sisu abrufbar):

  • Authentication, passwords and applied cryptography (KYBS2004): Lerninhalte mindestens veraltet, teils auch falsch.
  • Introductory Penetration Testing and Security Assessment (KYBS2001): Lerninhalte veraltet, das Lernziel einen guten Security Report zu schreiben wird nicht erreicht.
  • System Vulnerabilities (ITKST56): Veraltete Übungen und geringe Anforderungen, aber Gruppenarbeit ist möglich, deswegen kann man finnische Studierende kennenlernen.
  • Cyber Security Psychology (KYBS3040): Der Cybersecurity Anteil war nicht so toll, aber das Themenfeld wurde aus einem für mich noch nicht so gut bekanntem Blickwinkel betrachtet.
  • SOA and Cloud Computing (TIES4560): Einführung in komplett veraltete Technologien mit extrem unansehnlichen Präsentationsfolien.
  • Principles of Programming Languages (TIES542): Ich fand das Format von komplett eigenständiger Arbeit nicht so attraktiv und habe deswegen nur etwas mit dem Dozierenden geredet. Die Inhalte sahen aber wenigstens fordernd aus und der Dozierende war sehr hilfreich.
  • Quantum Algorithms (TIES4525): Dozierender spricht kaum Englisch und hat keine didaktischen Fähigkeiten. Eventuell sinnvoll, um einen Algorithmus für Quantencomputer genauer anzuschauen, der einen interessiert. Über diesen muss dann ein Vortrag gehalten werden und eine Hausarbeit geschrieben werden.
  • Continuous Software Engineering (TJTS5901): Bietet durch Projektarbeit die Möglichkeit andere Studierende kennenzulernen.
  • My Finnish (XSUX1001): Guter Einstieg in Finnisch, sollten meiner Meinung nach alle Austauschstudierenden belegen.
  • Everyday Finnish (XSUX1002): Gute Weiterführung des Einstiegskurs mit mehr Fokus auf Grammatik.
  • Finnish in the Society (XSUX1004): Sehr hilfreich, wenn man finnische Nachrichten verstehen möchte. Man sollte vorher mindestens 2 Kurse sehr gut abgeschlossen haben, eigentlich vorgesehen sind 3 Kurse.
  • Each one teach one / Finnish (XSU0098): Sehr hilfreich fürs Sprechen, aber auch für Einblicke in die finnische Kultur.
  • Let’s Chat in Finnish (XSUX1008): Finnischkurs in dem vor allem gesprochen wird. Lohnt sich nicht mehr wirklich sobald man „Everyday Finnish“ abgeschlossen hat.
  • Introduction to Finnish History (HELA002): Sehr interessant, vor allem die Geschichte des letzten Jahrhunderts. Viele interessante Gastvorträge, lohnt sich auch nur für die Vorträge ohne dass man die Hausarbeit schreibt.
  • Introduction to Finnish Art and Culture (HYTP2001): Interessante Einblicke, mit Praxisanteil wie Museen oder finnischen Instrumenten. Lohnt sich auch ohne die Hausarbeit am Ende zu schreiben.
  • Cyber Security Base MOOC: Sehr gute technische Umsetzung, aber relativ geringes Niveau und teilweise fehlerhafte Inhalte. Nicht anrechenbar für Austauschstudierende an der JYU.

Wenn man Kurse belegen möchte zu denen man formal nicht zugelassen ist, lohnt es sich trotzdem immer nachzufragen, oft kann man trotzdem an dem Kurs teilnehmen!

Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Ich habe nicht das Gefühl, das mein Englisch in meiner Zeit in Finnland deutlich besser geworden ist. Man hat viel mit internationalen Studierenden auf Englisch geredet, aber die haben nicht unbedingt besser Englisch gesprochen als man selbst. Die Dozierenden in meinen Computer Science Kursen waren nicht Finnisch und haben eher schlechtes Englisch gesprochen, da konnte man auf jeden Fall in dieser Hinsicht nichts lernen.

Fast alle Finnen, die ich kennengelernt habe, haben besser Englisch gesprochen als ich, aber natürlich habe ich auch versucht viel Finnisch mit ihnen zu reden.

Mein Finnsich ist hingegen deutlich besser geworden. Ich hatte vorher gar keine Erfahrung mit Finnisch. Allerdings habe ich schon im Rahmen von Erasmus in meinem Bachelor ein Jahr Estnisch gelernt. Das hat meinen Lernfortschritt in Finnisch auf jeden Fall beschleunigt, weil sich die Sprachen sehr ähnlich sind. Ich habe insgesamt vier Sprachkurse abgeschlossen und schätze, dass ich am Ende auf dem A2 Niveau war. Es hat auf jeden Fall für Konversationen mit Finnen ausgereicht und Nachrichten in leichter Sprache kann ich jetzt auch verstehen. Vollständige Nachrichtenartikel fallen mir wegen der komplexen Sprachkonstrukte in offizieller Sprache noch sehr schwer.

Studienfach: Cybersecurity

Aufenthaltsdauer: 08/2024 - 07/2025

Gastuniversität: University of Jyväskylä

Gastland: Finnland

Empfehlungen

  • Ein Fahrrad bei Teemu leihen (siehe oben) ist die mit Abstand günstigste Fortbewegungsmethode.
  • Studierendenrestaurants sind günstig, sehr sättigend und (wenn man es möchte) sehr gesund. Ich sehe wenig Gründe woanders zu essen.
  • uMove ist ein tolles Angebot, selbst wenn man nicht jede Woche zu einem Kurs geht. Die meisten Kurse finden in Liikunta statt und man kann dort danach auch noch kostenlos in die Sauna gehen.
  • Man sollte direkt am Anfang die Kide App herunterladen und dort regelmäßig reinschauen.
  • Es gibt in Finnland sehr viele Nationalparks mit sehr guter Infrastruktur wie Grillhütten oder teils auch Saunen, auch in der direkten Umgebung von Jyväskylä gibt es mehrere.
  • Südlich von Ladun Maja und am Vuorilampi gibt es je eine Grillhütte mit kostenlosem Holz. Beides ist mit den Fahrrad in weniger als 30 Minuten von der Stadt aus erreichbar.
  • Alle Sprachkurse die ich besucht habe waren sehr gut. Finnisch ist eine sehr schöne Sprache und meiner Meinung nach auch nicht so schwierig zu erlernen wie die meisten behaupten — es ist einfach sehr anders als alles andere (außer Estnisch). Finnen haben sich immer gefreut, wenn ich versucht habe Finnisch mit ihnen zu reden und meistens haben sie auch nicht auf Englisch gewechselt, sondern eine Weile mit mir gelitten.
  • Mir haben die Pubquizzes von Brage in Rentukka immer sehr gut gefallen.
  • Wenn es einem gut gefällt kann man den Aufenthalt meist relativ einfach verlängern (hat für mich sowohl in Estland als auch in Finnland geklappt). Das sollte man aber zeitnah (am besten noch im Oktober) angehen, weil die internationale Koordinatorin der Information Technology Fakultät an der JYU relativ lange Antwortzeiten hatte.
  • Soihtu Apartments können nach dem Sommersemester noch für 75% der normalen Miete für Juni und Juli verlängert werden.
  • Anreise mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln können gut mit einem kurzen Aufenthalt auf dem Weg, zum Beispiel in Tallinn oder Stockholm, kombiniert werden.
  • In Finnland gibt es Taco Bell. Ich war nicht begeistert, aber mir wurde gesagt, dass Finnland einer der sehr wenigen europäischen Märkte von Taco Bell ist.
  • Wenn man großes fachliches Interesse an Computer Science oder Cybersecurity hat ist Jyväskylä eventuell die falsche Stadt. Stattdessen kann ich aber Tartu in Estland persönlich empfehlen. Das Studierendenleben außerhalb der Veranstaltungen fand ich aber in Finnland deutlich besser.

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