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Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes

Die Vorbereitungsphase für meinen Estlandaufenthalt war mit vielen organisatorischen Hürden verbunden, da mein ursprünglich geplantes Auslandssemester in Sankt Petersburg annulliert werden musste durch den zweiten russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Über die engagierte Juristische Fakultät war es schlussendlich möglich sehr kurzfristig nach Tartu, an meine alternative Wunschuni, entsendet zu werden, da es im Bereich Politik-, Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaften schon keine freien Plätze mehr für Tartu gab und die Slavistik von Grund auf noch keine Partnerschaft mit der Tartu Ülikooli hatte. Ab dem Zeitpunkt der Zusage ging alles seinen gewöhnlichen Gang und Annika Kalda, die Erasmus-Koordinatorin in Tartu, war stets hilfsbereit und gut erreichbar.


Studienfach: Interdisziplinäre Russlandstudien

Aufenthaltsdauer: 08/2022 - 01/2023

Gastuniversität: University of Tartu

Gastland: Estland

Studium an der Gastuniversität

Zu Beginn des Wintersemesters gab es eine allgemeine Informationsveranstaltung zur Registrierung, Events zum Semesterbeginn, Unistruktur do’s and don’ts. Auch ‘SIS‘ (vergleichbar mit Puls an der Uni Potsdam) und Moodle mit ihren entsprechenden Funktionsweisen wurden erklärt. Über SIS konnte man sich unkompliziert für Kurse einschreiben, wobei es sich bei kleinen beliebten Seminaren im Bereich Politik oder auch estnischen Sprachkursen Kursen empfiehlt nicht zu lange zu warten, da sie durch begrenzte Plätze schnell voll sein können. Reinschnuppern konnte man trotzdem in alle Kurse und über Wartelisten gab es die Möglichkeit nachzurücken. In überfüllten Seminaren wurden in einigen Fällen diejenigen Studierenden bevorzugt, die den entsprechenden Kurs in ihrem Learning Agreement verankert hatten und somit eher darauf angewiesen waren. Ab- und umwählen war ein paar Wochen nach Semesterstart noch möglich, um inhaltlich und zeitlich den bestmöglichen Kursplan zu erstellen. Die Fristen dafür haben mitunter stark variiert zwischen, aber auch innerhalb von Fakultäten. Auch diese Informationen waren in SIS einsehbar. Ich habe ausschließlich Kurse im Bereich Politik und Wirtschaft belegt und gerade der Bereich Politik hatte mitunter sehr fordernde Kurse. Die Qualität der Kurse, die ich belegt habe, war sehr hoch, genau wie auch die Anforderungen. Die Studienorganisation unterscheidet sich von der deutschen insofern, dass viel mehr kleine Leistungen während des Semesters erbracht werden müssen, die mit in die Endnote einfließen. In den meisten Kursen gibt es ein mid-term- und final exam wie auch eine Hausarbeit (vor allem im Bereich Politik), die eingereicht werden muss. Somit hängt nicht die ganze Note von der letzten Prüfung ab und man setzt sich intensiv mit den Inhalten auseinander. Es gibt natürlich Unterschiede von Lehrveranstaltung zu Lehrveranstaltung, aber die meisten Dozierenden haben sehr anschaulichen von digitalisierten medienunterstützten Unterricht gehalten und es wurde viel diskutiert. Am Anfang wirkte auf mich alles sehr streng, aber nachdem man sich etwas eingefunden hatte wurde deutlich, dass die Dozierenden sich bemühen erreichbar zu sein und auf individuelle Belange einzugehen. Auch die Leistungsbewertung war am Ende nicht so streng wie anfangs befürchtet. Technisch war die Uni super ausgestattet mit Computerpools und gerade die Bibliothek hat überzeugt mit einem Musikraum voll mit CDs, Platten, wie auch CD- und Plattenspieler und einem Klavier, einem eigenen kostenfreien Fitnessstudio im Gebäude, einem großen freundlichen Lesesaal und vielen guten Lerntischen im gesamten Gebäude verteilt. Auch das Wirtschaftsgebäude ‘Delta ‘ war ein beliebter Ort zum co-worken mit anderen.

Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden

Zu den vielen anderen Erasmusstudierenden hat man schnell Kontakt aufbauen können, da das Erasmus Student Network für viele Events in der Anfangsphase gesorgt hat, angefangen mit Quiznights, Parties und pub crawls über Spieleabende und Spaziergänge. Auch in den Seminaren und Vorlesungen konnten schnell Kontakte geknüpft werden. Zusätzlich war natürlich das Wohnheim auf der Raatuse-Straße DER soziale Hotspot. Wenn auch architektonisch keine Augenweide, so gab es doch viele gemütliche Abende in den dortigen WGs. Zu estnischen Studierenden habe ich persönlich weniger Kontakt gehabt, da die meisten englischen Kurse an der Uni hauptsächlich von internationalen Studierenden besucht wurden. Auch das Wohnheim war ausschließlich für internationale Studierende. Generell sind die Esten pauschal gesprochen sehr freundlich und gelassen, aber auch etwas reserviert zunächst. Mir wurde einmal von einer Estin gesagt, dass sie schwer zugänglich sind anfangs, aber wenn man sich einmal kennengelernt hat, wird man auch sehr schnell Teil der Familie.

Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Vor dem halben Jahr hatte ich Englisch C1 zertifiziert, wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Einstufungen immer so stimmen, denn ich hatte trotz alledem noch Unsicherheiten zu sprechen und viel Luft nach oben. Es war eine tolle Übung komplett auf Englisch zu studieren, Hausarbeiten zu schreiben und viel zu lesen, wodurch mein akademisches Vokabular enorm gewachsen ist. Vorort bin ich schnell reingekommen und es hat Spaß gemacht zu merken, wie jeden Tag sprachliche Hürden abgebaut wurden. Im Nachhinein kann ich sagen, aus der Sparte heraus war der Aufenthalt ein voller Erfolg.

Wohn- und Lebenssituation

Da ich zu spät war für die Bewerbung auf einen Wohnheimplatz, habe ich mir auf eigene Faust eine Wohnung suchen müssen und letztendlich auf derselben Straße eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Mitstudentin untergemietet für das halbe Jahr. Es gab einige Facebook-Gruppen (International students in Tartu, ESN-Tartu, Tartu 2023- International & Erasmus Students), in denen wir zwei/drei Monate vor Antritt des Semesters Anzeigen geschaltet hatten. Andere wiederum haben Untermietangebote geschaltet, worüber wir letztendlich die Wohnung gefunden haben - was großes Glück war, da einige es auch nicht so leicht hatten bei der Suche. Leider kamen einige Wohnheimabsagen erst relativ spät, weswegen die Suche dann sehr kurzfristig erfolgen musste. Trotz alledem haben am Ende alle eine Wohnung gefunden, notfalls etwas weiter außerhalb. Ich kann die Facebookgruppen sehr empfehlen, da einige Studierende, die selbst ins Ausland gehen, dort ihre Wohnung zur Untermiete reinstellen, was in den meisten Fällen unkomplizierter ist als eigenständig eine Wohnung anzumieten. Ich wurde auf meine Anzeige hin auch kontaktiert von zwei, drei Vermietern, die speziell an Kurzzeitstudierende vermieten. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich vorsichtig zu sein und keinen suspekten Mietvertrag zu unterschreiben. Persönlich habe ich aber von keinen Betrügen gehört. Alternativ gibt es viele Seiten ähnlich zu Immoscout, die interessanterweise alle komplett möbliert vermieten und meistens auch mit Sauna (in Estland wird prinzipiell erst die Sauna gebaut und dann das Haus drumherum) ausgestattet sind, damit habe ich selber aber keine Erfahrung gemacht, weil ich dann schon die Wohnungszusage hatte. Mit der European Health Insurance konnte ich ohne Probleme zum Arzt gehen, worüber ich sehr dankbar war. Nachdem man sich registriert hatte, konnte man sich eine Busfahrkarte besorgen und für nicht viel Geld öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Ich war nur sehr selten darauf angewiesen, weil alles in Fußnähe erreichbar war. Die Lebenserhaltungskosten waren vergleichbar mit Deutschland, wobei die Inflation in Estland mit die höchste der EU war, was sich sehr stark in Lebensmittelpreisen niedergeschlagen hat. Auch sonst muss man für Lebensmittel etwas mehr einplanen. Die Uni bietet Sportkurse an und hat regelmäßig spannende Veranstaltungen und Konferenzen, an denen man teilnehmen kann mit Anmeldung. Außerdem gibt es die Student-days, in denen ein cooles einwöchiges Programm für Erstsemestler und Erasmusleute zusammengestellt wird. So gab es beispielsweise ein gemeinsames gratis Pfannkuchenessen für alle auf dem Rathausplatz und viele andere Möglichkeiten neue Leute kennenzulernen. Ich habe extern einen Salsa Tanzkurs gemacht, der sehr kostengünstig war und die Barszene war beschaulich, aber gemütlich. Das ESN Netzwerk bietet verschiedene Reisen über das Semester verteilt an, nach Lappland, Saaremaa, den Süden Estlands und noch weitere Reiseziele, die wärmstens zu empfehlen sind. Sie sind teilweise verhältnismäßig teuer, aber dafür dass die komplette Organisation übernommen wurde und mit Klassenfahrtsflair spannende Orte erkundet werden können, hat es sich für viele gelohnt. Ich war mit auf Saareema und es war definitiv eine meiner schönsten Reisen. Generell ist Estland wunderschön und perfekt für alle die mit viel Wald, Moor und Meer glücklich sind. Auch Tallinn, Riga, Helsinki (zwei Stunden mit der Fähre von Tallinn aus) und Vilnius sind allesamt ein Traum und einen oder viele Besuche wert. Aber auch in Tartu lässt es sich leben mit seiner pittoresken Altstadt, vielen gemütlichen Cafés und Flussspaziergängen.

Studienfach: Interdisziplinäre Russlandstudien

Aufenthaltsdauer: 08/2022 - 01/2023

Gastuniversität: University of Tartu

Gastland: Estland


Rückblick

Alles in Allem war es eine wundervolle Zeit in Estland, mit vielen spannenden neuen Bekanntschaften, unglaublichen Landschaften und coolen Uni-Kursen!! Ehrlicherweise muss ich sagen, dass das Semester sehr stressig war, weswegen ich empfehle etwas länger zu bleiben um noch Zeit zum Reisen zu haben.

Meine Tipps:

  • RMK wird vom Forstwirtschaftsministerium herausgegeben und gibt im Internet oder auch als App eine Karte heraus, auf der alles von rental huts über campfire sites, free camping spots (ist überall in Estland erlaubt und klappt super, weil die Esten sehr umweltbewusst leben und nie Müll hinterlassen), hikes und und und… verzeichnet sind. Ist wirklich der Hammer für alle, die gerne in die Natur fahren!

  • Moortrips und Naturspaziergänge (kann man super am Wochenende in der Umgebung machen).

  • Blaue Busse (Bus go oder so ähnlich hießen sie) sind kostenlos für Studierende und fahren verschiedene Ziele in der Umgebung an, wie zum Beispiel die Altgläubigendörfer am Peipusee.

  • Kauft euch eine Coop-Karte, damit spart ihr enorm beim Einkaufen in Coop (dortige Supermarktkette), man brauch dafür eigentlich eine estnische Telefonnummer, die ich nicht hatte, aber es hat bei mir trotzdem geklappt.

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