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Kooperationspraktikum im Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien der Universität Wroclaw

Insgesamt war dieses halbe Jahr wohl eine der spannendsten Zeiten meines Lebens. Ich bin auf viele Herausforderungen gestoßen, das meiste ist anders gekommen als gedacht und ich habe mich durch ein ständiges Auf und Ab bewegt, aber im Endeffekt hat es sich auf jeden Fall gelohnt und ich kann sagen, dass ich mich sehr stark weiterentwickelt habe und tolle Erinnerungen gesammelt habe.

 


Studienfach: Geschichte, Politik und Gesellschaft

Aufenthaltsdauer: 09/22 - 02/23

Praktikumsgeber: Willy-Brandt-Zentrum für Deutsch- und Europastudien der Universität Breslau

Gastland: Polen

Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes

Über die Website des International Office habe ich von der Möglichkeit der Kooperationspraktika erfahren. Beim Durchstöbern der Angebote ist mir ganz besonders das Willy-Brandt-Zentrum (WBZ) in Polen mit der Möglichkeit eines Forschungspraktikums aufgefallen. Ich fand Polen vor allem deshalb spannend, weil ich es bis vor meinem Praktikum kaum kannte, von einer einwöchigen Gedenkstättenfahrt aber einige Eindrücke gesammelt hatte, die ich gern vertiefen wollte. Außerdem mag ich es neue Sprachen zu lernen und auch die Möglichkeit mein Englisch zu verbessern war ausschlaggebend. 

Nach Kontaktaufnahme und Rücksprache mit den Mitarbeiterinnen des International Office konnte ich mich einfach über das Bewerbungsformular mit Motivationsschreiben, Lebenslauf etc. auf der Website bewerben. Noch vor meiner richtigen Bewerbung hatte ich außerdem ein Zoom-Gespräch mit dem Direktor des WBZ, der mir die Grundzüge des Praktikums erklärte und von seinem eigenen Forschungsprojekt berichtete. Für alle weiteren Informationen und Dokumente habe ich per E-Mail mit der Sekretärin des WBZ auf Deutsch geschrieben. Sie hat immer sehr schnell geantwortet, was sehr hilfreich war. Was ich allerdings nicht wusste war, dass das WBZ im August geschlossen ist und somit auch keine E-Mails beantworten konnte. Da ich wegen Corona kurzfristig noch eine Bestätigung für das Erasmus+-Stipendium brauchte, war das ein kleines Problem, das sich am Ende aber auch lösen ließ. Auch die Unterstützung durch das International Office war in Vorbereitung sehr hilfreich. 

Da es sich um ein Kooperationspraktikum gehandelt hat, gab es einen vorgefertigten Praktikumsvertrag, der viele verschiedene Bereiche abdeckte. 

Finanzierung des Aufenthaltes

Für die Finanzierung des Praktikums habe ich mich auf ein Erasmus+-Stipendium beworben. Dazu musste ich ein Motivationsschreiben verfassen, meinen Lebenslauf zusenden und ein Empfehlungsschreiben eines Dozenten hochladen. 

Das Praktikum selbst wurde nicht bezahlt, die Finanzierung durch Erasmus+ zusammen mit dem Kindergeld war aber ausreichend. 

Aufenthalt im Gastland

Ich habe mich Anfang Juni auf Wohnungssuche begeben, da ich davor große Sorge hatte. Nachdem ich mich ein wenig über die Wohnsituation informiert habe, bin ich auf die Website „Pepe-Housing“ gestoßen, die speziell auf wohnungssuchende Erasmus-Studierende spezialisiert ist. Es gab dort eine sehr große Auswahl an verschiedenen WG-Zimmern. Da ich mich recht früh gekümmert habe, habe ich eine gute, sichere und recht preiswerte Wohnung bekommen. Andere Studierende, die ich kennengelernt habe, haben ihre Wohnung entweder über Facebook gefunden, was oft aber auch mit viel Stress und Unsicherheit verbunden war, andere haben im Studentenwohnheim gewohnt. 

Die Lebenshaltungskosten sind in Polen generell geringer als in Deutschland, was ich vor allem an meinem Wocheneinkauf und Restaurantbesuchen bemerkt habe. Auch meine Wohnung hat genauso viel gekostet wie mein Studierendenwohnheimszimmer in Potsdam, das lag aber hauptsächlich daran, dass ich mich recht früh gekümmert habe. 

Da ich sehr gerne Fahrrad fahre habe ich mich dazu entschieden, mein Fahrrad aus Deutschland mitzunehmen und habe auch die meisten meiner Strecken mit dem Fahrrad zurückgelegt. Nur wenn es geschneit hat oder sehr glatt war bin ich auf die Bahn umgestiegen, in der man sich problemlos mit der Kreditkarte ein sehr günstiges Ticket kaufen kann (für meinen Weg zum Praktikum ein 30-Minuten-Ticket für 4 PLN). Ich bin bis zum Ende lieber Fahrrad als Bahn gefahren, da man mit dem Fahrrad überall hinkommt und teilweise auch deutlich schneller ist. Das Angebot an ÖPNV ist aber vollkommen ausreichend und man erreicht alles (zumindest innerhalb Wrocławs). Für weitere Strecken bietet sich natürlich der Zug an, die meisten meiner Strecken in Polen habe ich aber mit dem Flixbus zurückgelegt, was immer problemlos war. 

Wrocław bietet eine Vielzahl an verschiedenen Freizeitangeboten. Ich habe mich dazu entschieden, einen Polnischkurs an der Uni zu belegen, der für das ganze Semester 100 € gekostet hat, und der sich in meinen Augen wirklich sehr gelohnt hat. Er war neben den vermittelten Sprachkenntnissen auch sehr hilfreich, um andere Studierende kennenzulernen. Außerdem gibt es in Wrocław eine Menge Bars, Restaurants, Cafés und Clubs, sowie einige Museen. Im Sommer gibt es bestimmt noch viel mehr Angebote als im Winter und Herbst, aber auch so war mir selten langweilig. Außerdem habe ich am Wochenende verschiedene polnische Städte besucht, was sich definitiv gelohnt hat! 

Zufriedenheit mit dem Auslandspraktikum 

Insgesamt bin ich zufrieden mit meinem Praktikum. Es war ganz anders, als ich es mir anfangs vorgestellt habe und oft mit einem Auf und Ab verbunden. Ich konnte bei vielen tollen Projekten und Veranstaltungen mitwirken, die mich persönlich und fachlich definitiv weitergebracht haben. Außerdem wurde mir sehr viel Vertrauen und Verantwortung bei der Erledigung meiner Aufgaben entgegengebracht, was ich als sehr angenehm empfunden habe. 

Mein erster Monat war etwas chaotisch, da noch nicht wirklich klar war, wer genau in welchem Maße für mich verantwortlich ist und was genau ich machen werde, da auch die Forschenden des WBZ teilweise noch in der Sommerpause waren und sich der Direktor auf einer Dienstreise befand. Deswegen habe ich in dieser Zeit hauptsächlich die Sekretärin unterstützt. In meiner zweiten Woche veranstaltete das WBZ eine Sommerschule, an der ich teilnehmen konnte und bei der ich auch ein paar Mitarbeitende kennengelernt habe. Von einem von diesen habe ich später den Großteil meiner Aufgaben erhalten. Im meinem zweiten Monat feierte das WBZ seine 20-Jahr-Feier mit einer großen Konferenz der polnischen Deutschlandforscher:innen. Eigentlich sollte ich dort auch helfen, das hat sich in dem Chaos des Augenblicks oft aber leider nicht ergeben. Trotzdem werde ich so schnell nicht vergessen, dass ich den ehemaligen deutschen Botschafter in Polen vom Bahnhof abgeholt habe. Am Ende dieser Konferenz lernte ich noch eine Studierendenorganisation kennen, die am WBZ angesiedelt ist, und die im November eine Studierendenkonferenz veranstalteten. Ich bekam die Möglichkeit auf dieser Konferenz einen eigenen Vortrag zu halten, was wirklich sehr aufregend und toll war. Diese ersten beiden Monate waren in Bezug auf meine Aufgaben daher recht turbulent und ich habe hauptsächlich Aufgaben für die Sekretärin erledigt (Abschriften erstellen etc.). In dieser Anfangszeit war es für mich eine Herausforderung, immer wieder nach neuen Aufgaben zu fragen und auf mich aufmerksam zu machen. Nach der 20-Jahr-Feier war ich sehr ernüchtert, da es mich störte, dass ich kaum Aufgaben hatte und mir Aufgaben versprochen wurden, die ich dann aber nicht bekommen habe. Daher habe ich die Sekretärin im Oktober um ein Auswertungsgespräch der ersten zwei Monate gebeten, was sehr hilfreich war. Gleichzeitig begann mein Hauptprojekt bei einem der Forschenden zum Thema Grassroots-Lobbying in Deutschland. Dafür haben wir uns einmal die Woche getroffen, um gemeinsam die Fortschritte auszuwerten und Fragen zu stellen. Hauptsächlich habe ich mich zunächst mit der Beschaffung von Daten für das Forschungsprojekt befasst und daher viel mit Behörden kommuniziert. In einem zweiten Schritt habe ich diese Daten ausgewertet, was mit sehr viel Recherchearbeit verbunden war. In einem letzten Schritt haben wir die Ergebnisse gemeinsam diskutiert, Hypothesen aufgestellt und ausgewertet und es wird Ende des Jahres ein Artikel dazu veröffentlicht werden. Außerdem habe ich seit Semesterbeginn an zwei Lehrveranstaltungen des WBZ teilgenommen, was sehr gut war, weil ich dadurch andere Erasmus-Studierende kennengelernt habe und die Seminarinhalte wirklich spannend waren. 

Meine eigentliche Ansprechpartnerin war die Sekretärin, die sich sehr nett um mich gekümmert hat. Mit ihr hatte ich allerdings nur am Anfang Kontakt, da ich in dieser Zeit auch noch mit im Sekretariat saß und erst später einen eigenen Raum bekommen habe. Ab dem zweiten Drittel meines Praktikums hatte ich kaum noch Kontakt zur Sekretärin, sondern hauptsächlich zu dem Forscher, bei dem ich das Lobbyismus-Projekt gemacht habe. Da wir uns jede Woche getroffen haben und er wirklich sehr nett war, waren auch diese Treffen immer sehr hilfreich und spannend. Er konnte mir außerdem viele gute Tipps für Reisen in Polen geben und wir haben uns viel über Polen, Deutschland, Filme und Politik ausgetauscht. Überhaupt waren wirklich alle Menschen im WBZ sehr nett und ich hatte immer eine:n Ansprechpartner:in. 

Persönlicher Mehrgewinn

Während meines Praktikums konnte ich recht viel über die Arbeitsweise zumindest eines Forschers am WBZ erfahren und auch direkt mitwirken. Viele meiner Aufgaben, vor allem aber die Kommunikation mit deutschen Behörden, waren für mich anfangs eine große Herausforderung, die ich am Ende jedoch alle meistern konnte, was mich sowohl fachlich als auch persönlich definitiv weitergebracht hat. Die Zeit meines Praktikums hat mir aber auch gezeigt, dass ich vermutlich nicht in eine rein politikwissenschaftliche, sondern eine geschichtswissenschaftliche Richtung weitergehen werde. 

Auch war es eine gute Entscheidung, nach vier Semestern (drei davon online) noch einmal aus dem Unialltag auszubrechen. Gleichzeitig war es eine Herausforderung mich an die geregelten Zeiten und die Anwesenheit an einem Ort zu gewöhnen, da alle anderen die ich kannte ein Erasmus-Studium absolvierten und daher auch tagsüber oder über ein verlängertes Wochenende gemeinsam Aktivitäten unternahmen. Es war aber auch sehr hilfreich um zu sehen, wie ein Berufsalltag aussehen könnte, bei dem man sich abends um die Freizeitbeschäftigung und alle Haushaltsangelegenheiten kümmern muss. 

Da ich in meinem Projekt hauptsächlich Englisch gesprochen habe und auch meinen Vortrag auf Englisch ausgearbeitet und gehalten habe, habe ich hier einige Fortschritte bemerkt. Auch durch den Polnischsprachkurs konnte ich in dieser Sprache einige Fortschritte machen und mittlerweile zumindest kleine Einkaufsgespräche beim Bäcker führen. Insgesamt habe ich aber recht viel Deutsch gesprochen. 

Ich habe festgestellt, dass in Polen vieles entspannter abläuft als in Deutschland. Das zieht sich über die Arbeit, die ich erlebt habe, aber auch in Cafés, Einkaufsläden oder Restaurants ist alles etwas entspannter und langsamer als in Deutschland. Der wohl beste Unterschied zu Deutschland war der weit fortgeschrittene Grad an Digitalisierung. Das Ticket für die Straßenbahn kann man z.B. ganz einfach mit der Kreditkarte bezahlen, jedes Geschäft (auch auf dem Weihnachtsmarkt) nimmt Kreditkartenzahlung an und auch beim Arzt gibt es nur noch online Rezepte. Eine meiner Motivationen für mein Praktikum nach Polen zu gehen, war die politische Situation in diesem Land. In meiner Zeit hier habe ich gelernt viele der Nachrichten, die ich aus Polen gehört habe, neu einzuordnen und zu bewerten. Es hat mir auch gezeigt, wie unterschiedlich deutsche und polnische Meinungen sein können, was ich davor nicht unbedingt für möglich gehalten habe. 

Resümee, abschließende Tipps und hilfreiche Links 

Insgesamt war dieses halbe Jahr wohl eine der spannendsten Zeiten meines Lebens. Ich bin auf viele Herausforderungen gestoßen, das meiste ist anders gekommen als gedacht und ich habe mich durch ein ständiges Auf und Ab bewegt, aber im Endeffekt hat es sich auf jeden Fall gelohnt und ich kann sagen, dass ich mich sehr stark weiterentwickelt habe und tolle Erinnerungen gesammelt habe. 

Wie schon weiter oben geschrieben empfehle ich die Website Pepe-Housing für die Wohnungssuche (https://pepehousing.com/). 

Vor meiner Abreise habe ich mir zudem keine Gedanken darüber gemacht, dass es in Polen keinen Euro gibt. Zwar hatte ich ein paar Zloty gewechselt, wollte aber den Rest über meine normale Bankkarte bezahlen. Da Polen aber nicht zum Euroraum gehört, ist das mit recht hohen Gebühren verbunden. Außerdem kann man ohne Kreditkarte keine Fahrscheine in der Bahn kaufen (sondern nur an den Automaten). Deswegen ist eine Kreditkarte meines Erachtens unverzichtbar. 

Um sich mit dem ÖPNV besser zurechtzufinden, empfehle ich zudem die App jakdojade, die deutlich besser als Google-Maps funktioniert. 

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