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Online-Diskussionsveranstaltung - Eine Zusammenfassung der Veranstaltung

More Than a Seat At the Table: Die Verantwortung von Hochschulen zum Abbau struktureller Ausschlüsse

Forschung und Wissenschaft sind nicht frei von Rassismus. Als Bildungsinstitutionen tragen Hochschulen eine besondere Verantwortung im Bestreben um die Etablierung der Rassismusforschung und Dekolonisierung der Wissensproduktion. Das Koordinationsbüro für Chancengleichheit der Universität Potsdam und das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) luden ein zur Diskussion über Rassismus in der Wissenschaft, um Problemfelder aufzuzeigen und mögliche Strategien zu erörtern.

Die Diskussionsrunde wurde eingeleitet von Dr. Nina Khan, Referentin für Chancengleichheit und Diversity der Universität Potsdam, mit einer Einbettung der Veranstaltung in aktuelle antirassistische Diskurse in Deutschland, die seit dem Sommer 2020 nochmals besondere Aufmerksamkeit erhalten haben. Während vermehrt eine umfassende Auseinandersetzung mit Rassismus in der Gesellschaft eingefordert und angestoßen werde, sei gleichzeitig eine Diskreditierung rassismuskritischer Forschung und Forscher*innen zu beobachten, wie zuletzt eine Hetzkampagne der AfD gegen Prof. Maisha Auma gezeigt habe.  „Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen müssen sich gegen derartige Anfeindungen klar positionieren,“ betonte Nina Khan und verwies auf die Aufgaben und Pflichten von Hochschulen zum Abbau struktureller Ausschlüsse und der Gewährleistung von Diskriminierungsschutz. Die Relevanz des Themas spiegele sich auch im deutschen Wissenschaftskontext wider: „Es geht um Fragen mangelnder Repräsentanz von Schwarzen Professor*innen und Professor*innen of Color, um Fragen der Dekolonisierung der Wissensproduktion und um den Umgang mit Rassismus in Wissenschaftseinrichtungen.“

Wissenschaft (re-)produziert Rassismus

Die Diskussionsteilnehmer*innen entfalteten vielfältige Verstrickungen von Wissenschaft und Rassismus. Die Wissenschaft des Globalen Nordens werde oft als neutral und objektiv verstanden, allerdings wird dabei vergessen, dass Rassismus ein Produkt der Wissenschaft selbst ist. Die europäische Aufklärung habe dazu beitragen, dass rassistische Diskriminierung ­und die darauffolgende Kolonisierung legitimiert werden konnten. Angelo Camufingo wies darauf hin, dass wir uns nicht nur fragen müssen „Was bedeutet Wissen eigentlich? Wer produziert wissen?“, sondern auch mit der Frage auseinandersetzen müssen „Wessen wissen wurde ausgelöscht?“.

Rassismus grenzt auf vielen Ebenen aus – ein intersektionaler Blick

Aki Krishnamurthy beleuchtete die zahlreichen Ebenen und Bereiche der Hochschule, in denen Rassismus eine Rolle spielt. Nicht nur sei es zentral zu hinterfragen, wessen Wissen als legitim gedeutet wird, sondern auch welche Inhalte in Seminaren vermittelt werden, welche Texte gelesen und welche Autor*innen zitiert werden. Ebenso wichtig sei die Frage, wer an Universitäten lernt, lehrt und arbeitet. Die Universität als Ort sei von und für weiße Menschen geschaffen ­– dadurch werde der Zugang zur Hochschule und das Verbleiben in der Wissenschaft für Schwarze Menschen und Menschen of Color erschwert. „Wie viele Hürden gibt es, bevor Menschen an die Uni kommen? Für welche Menschen mit welchen Lebensrealitäten wird ein Studiengang konzipiert?“ fragte Krishnamurthy und wies auf die Notwendigkeit eines intersektionalen Blicks auf Ausschlüsse in der Wissenschaft hin, denn häufig überschneiden sich Diskriminierungsformen wie Sexismus, Klassismus und Rassismus.

Rassismuskritik ist die Aufgabe aller

„Wissenschaftler*innen sind nicht von Rassismus ausgenommen“ – das betonte Karim Fereidooni und forderte eine kritische Auseinandersetzung mit rassismusrelevanten Denk- und Handlungsmustern als Teil guter Forschung. Dafür brauche es eine rassismuskritische Praxis, die sich über den Schreibtisch hinaus auf alle Fächer und Lebensbereiche ausbreitet. Dazu zähle unter anderem auch die Anerkennung von Rassismus als Forschungsgebiet, denn allzu oft werde von Wissenschaftler*innen, die Rassismus erfahren, ihre Expertise abgesprochen.

„In der Wissenschaft braucht es eine Klärung, was mit Rassismus gemeint ist,“ sagte Elisabeth Kaneza, damit „eine Legitimität für Rassismusforschung sichergestellt werden kann.“ Die Enttabuisierung von Rassismus und die Institutionalisierung von Rassismusforschung in Deutschland wären laut Kaneza wichtige Schritte, um Anlaufstellen an Hochschulen zu etablieren und struktureller Diskriminierung entgegenzuwirken.

Ausblick: Überall gleichzeitig anfangen

Rassismuskritik muss vielerorts gleichzeitig stattfinden: Forschungsstellen, Ansprechpersonen und empowernde Vernetzungsräume sind wichtige Bausteine, um gegen rassistische Ausgrenzung vorzugehen. Die Diskutant*innen waren sich einig, dass kontinuierliche Weiter- und Selbstbildung dabei eine wichtige Rolle spielt. Wir brauchen ein solidarisches Lernumfeld, das von allen kollektiv geschaffen wird und in denen Rassismuserfahrungen besprechbar werden.

Podiumsteilnehmende:

  • Dr. Aki Krishnamurthy, Alice Salomon Hochschule Berlin, Projektkoordinatorin EmpA - Empowerment an der ASH Berlin. Sie ist Empowermenttrainerin, Theater- und Tanzpädagogin und ist davon überzeugt, dass persönliche, soziale und politische Veränderungen von und mit dem Körper gedacht werden müssen.
  • Prof. Dr. Karim Fereidooni, Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Rassismuskritik in pädagogischen Institutionen, Schulforschung und Politische Bildung in der Migrations-
    gesellschaft und diversitätssensible Lehrer*innenbildung.
  • Elisabeth Kaneza, Politikwissenschaftlerin, forscht am Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam, promoviert zu strukturellem Rassismus und zur rechtlichen Situation Schwarzer Menschen in Deutschland, Gründerin Kaneza Foundation for Dialogue & Empowerment e.V.
  • Angelo Camufingo, Universität Potsdam, ehemaliger AStA-Referent für Antirassismus, derzeit AStA-Referent für Bildungspolitik & Lehre. Freier Berater, Trainer und Referent zu Rassismus und Bildung. Master Lehramt Französisch Englisch.
  • Moderation: 
    Prof. Dr. Mark Lawrence, wissenschaftlicher Direktor am IASS-Potsdam
  • Einleitung: 
    Dr.in Nina Khan, Referentin für Chancengleichheit und Diversity, Universität Potsdam

Referentin für Chancengleichheit und Diversity

 

Koordinationsbüro für Chancengleichheit
Campus Am Neuen Palais