In dem 4-wöchigen Projekt „Intercultural Math & Data Reporting“ werten 17 Potsdamer Lehramtsstudierende gemeinsam mit 9 brasilianischen Journalismus-Studierenden der Pontifíca Universidade Católico do Rio Grande do Sul (PUCRS) in Porto Alegre statistische Datensätze auf ihre gesellschaftliche Relevanz aus. Neben der Anwendung ihrer Kenntnisse in theoretischer Statistik werden die Potsdamer Studierenden durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Themen wie Datenvisualisierung und civic statistics in Berührung kommen. Die Lernziele dieses Projektes gehen je nach Lerngruppe in verschiedene Richtungen: Während für die brasilianischen Journalismus-Studierenden die Arbeit mit den Datensätzen und die Aufspürung gesellschaftlich relevanter Information im Vordergrund stehen, stellt für die Potsdamer Studierenden das Projekt zu Beginn ihres Seminars „Sprachsensibler Mathematikunterricht“ vor allem eine Möglichkeit zur Selbsterfahrung dar, als Nichtmuttersprachler an (interdisziplinären) Lehr- und Lernsituationen teilzunehmen. An diese Selbsterfahrung schließt sich im Seminar für die Potsdamer Studierenden eine theoretische Beschäftigung mit dem Thema Sprachsensibles Unterrichten und eine ebenfalls 4-wöchige Praxisphase an, in welcher die Seminarteilnehmenden ihre theoretischen Kenntnisse anwenden und mit ihren internationalen Erfahrungen verbinden können, um geflüchtete Mathematiklehrerinnen und -lehrer des Refugee Teacher Programs zu unterrichten.
Das Projekt „Intercultural Math & Data Reporting“ und sein Rahmenseminar richten sich an Studierende des Faches Mathematik im Lehramt für die Sekundarstufen und für die Primarstufe.
Die Potsdamer Studierenden arbeiten mit den brasilianischen Studierenden online unter Einsatz verschiedener digitaler Medien zusammen. Durch die geographische Distanz zwischen den Zusammenarbeitenden können gruppenlernprozesstypische Tätigkeiten (Kommunizieren, Visualisieren, Präsentieren) nur mit Hilfe von Programmen wie z.B. Linkr, AdobeConnect, Slack, Excel umgesetzt werden. Hauptziele des Einsatzes dieser digitalen Medien sind es, den Potsdamer Studierenden internationale, interkulturelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit mit nicht-deutschen Studierenden zu ermöglichen und dabei nebenbei mathematischen Inhalten aus ihrem Studium in realen Kontexten zu begegnen:
1) Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und brasilianischen Studierenden, die ohne Einsatz digitaler Medien nicht möglich wäre, bietet die Möglichkeit, internationale und interkulturelle Erfahrungen im Rahmen eines Seminars sammeln zu können. Durch diesen leicht zugänglichen Erstkontakt wird eine erhöhte Motivation für weitere internationale Aktivitäten erhofft. Dieses Ziel wird auch in der Internationalisierungsstrategie der Uni Potsdam und des ZeLb aufgeführt.
2) Für den weiteren Verlauf des Seminars „Sprachsensibler Mathematikunterricht“ und ihre spätere Tätigkeit als Lehrkraft ist es von großer Bedeutung, dass die Studierenden während des Projektes mit den brasilianischen Studierenden in englischer Sprache kommunizieren müssen. So steigert sich ihr Bewusstsein über den Einfluss von Sprachkompetenz auf die Teilnahme an Lehr- und Lernsituationen.
3) Der Einsatz digitaler Medien ermöglicht es, in der Lerngruppe eine Heterogenität herzustellen, die unter normalen Bedingungen in Mathedidaktik-Seminaren wohl kaum vorzufinden ist. Diese erhöhte Heterogenität bietet erhöhtes Potenzial für soziales aber auch fachliches Lernen.
4) Während der Arbeit mit verschiedenen digitalen Medien erweitern die Studierenden selbstverständlicherweise technologische Kompetenzen, reflektieren im Anschluss zusätzlich aber auch anwendungsbezogene und gesellschaftliche Nutzungs- und Wirkungsaspekte des Einsatzes digitaler Medien.
Für Lehrerinnen und Lehrer ist Sprachbildung eine fachübergreifende Aufgabe, die sie im Unterricht integrieren sollten. Ein gewisses Maß an Sprachsensibiltät von Seiten der Lehrperson ist hierfür unumgänglich. Aus verschiedenen Gründen haben die Mathematiklehramtsstudierenden der Universität Potsdam in den letzten Semestern bisher wenig bis gar keine Erfahrung in nicht-deutschsprachigen Lehr- und Lernsituationen vorgewiesen. Auch planen wenige, während ihres Studium ins Ausland zu gehen. Vereinzelt absolvieren Studierende ihr Praxissemester an Deutschen Schulen im Ausland (auf Deutsch!), aber kaum jemand geht zum Studium an eine Universität im Ausland. Es zeigen sich also zwei „Problemlagen“, die das Projekt aufzulösen versucht:
1) die bisherige geringe Erfahrung in nicht-deutschsprachigen Lehr- und Lernsituationen und damit einhergehende geringe Sprachsensiblität und 2) die niedrige Motivation, während des Studiums ins Ausland zu gehen. Durch die niedrigschwellige, internationale und nicht-deutschsprachige Zusammenarbeit mit brasilianischen Studierenden erhofft das Projekt 1) die Sprachsensibiltät der deutschen Studierenden und 2) die Motivation, während des Studiums ins Ausland zu gehen, zu erhöhen. Die Niedrigschwelligkeit zeichnet sich dadurch aus, dass die Zusammenarbeit im Rahmen eines regulär in den Studienverlauf integrierten Seminars ohne gesteigerten Organisations- oder Finanzaufwand für die Studierenden stattfindet.
(Allen Bestrebungen, den angehenden Lehrkräften im Rahmen ihres Studiums selbst eine Erfahrung im Ausland ermöglichen zu wollen, liegt die Auffassung darüber zugrunde, dass eigene Erfahrungen in der Lernbiographie nachhaltig das Lehrerverhalten und –handeln beeinflussen.)
Die technische Vorbereitung vor dem Projekt umfasst nach der Beschaffung oder Einrichtung der iPads und Headsets durch die Dozenten einen ersten Probe-Video Call unter den Studierenden (deutsche und brasilianische Studierendengruppe für sich), um den Umgang mit Adobe Connect, iPad und Headset zu erproben und anschließend Verhaltensregeln für einen Conference Call zu formulieren (Mikro aus bei Nichtreden, Mikro volle Lautstärke bei Redebeiträgen, bei Überlastung Kamera aus, etc.).
Zu Projektbeginn (Projektwoche 1) findet mit allen Studierenden ein Adobe Connect-Video Call statt, indem die Projektaufgabe und Projektziele vorgestellt werden. Nach einem ersten Kennenlernen aller Studierenden untereinander, arbeiten die Studierenden in gemischten Gruppen in je eigenen virtuellen und realen Räumen. In diesem ersten Zusammentreffen wird gemeinschaftlich ausgewählt, mit welchem der drei Datensätze (als Excel-Datei vorliegend) die Gruppe arbeiten wird. In Projektwoche 2 & 3 verläuft die Bearbeitung des Projektauftrages selbstorganisiert in den Kleingruppen per Adobe Connect. Die Studierenden verwenden dabei Excel, um mit den Datensätzen zu arbeiten und Linkr, um ihre Ergebnisse festzuhalten. Am Projektende (Projektwoche 4) präsentieren die Gruppen ihre Projektergebnisse in einem gemeinsamen Adobe Connect-Call per Linkr und Power Point Präsentation. Anschließend findet eine gemeinsame mündliche Reflexion der Zusammenarbeit mit Bezug auf die Zusammenarbeit bei der Auswertung der Daten statt.
Nach dem Projekt findet im Rahmen des Seminars „Sprachsensibler Mathematikunterricht“, also nur unter den deutschen Studierenden, eine Reflexion der Zusammenarbeit mit Bezug auf die Schwerpunkte Sprache und Medieneinsatz statt.
Als hilfreich bzw. funktionierend für mich als Dozentin in der Vorbereitung/Organisation:
- Teilnahme an COIL (Collaborative Online International Learning) Winter School der Universität Potsdam zum Kennenlernen anderer an COIL interessierter Dozenten
- stetiger und intensiver Informationsaustausch mit brasilianischer Dozentin über Slack
Als hilfreich bzw. funktionierend für die Umsetzung:
- gute einheitliche (!!!) technischeAusstattung mit iPads & Headsets
- einzelne Seminarräume für jede Gruppe für die Video Calls während ihrer Gruppenarbeitsphase
- Durchführung eines Probe-Video Call, um den Umgang mit Adobe Connect und iPad & Headset zu üben
- relativ kurze Laufzeit (4 Wochen) des Projektes bei erster Durchführung, um erste Erfahrungen zu sammeln und dann in einer nächsten Durchführung womöglich das Projekt zu verlängern
Als Ideen für Veränderung sehe ich:
- neben den einzelnen Kameras an den iPads auch eine Kamera so positionieren, dass der gesamte Raum und damit die gesamte Gruppe gesehen werden kann
- evtl. als Projektabschluss einen Besuch der Gruppen ermöglichen, um die gemeinsame Arbeit zu präsentieren und sich, die Universität, die Stadt im realen Leben kennen zu lernen (natürlich eher möglich bei näher gelegenen Kooperationsländern)
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