Selbstregulation ist eine zentrale psychische Ressource, die es dem Individuum erlaubt, adäquat auf verschiedenste situative Anforderungen zu reagieren und eigene Ziele erfolgreich zu verfolgen. Entsprechend hängt eine hohe Selbstregulation mit vielfältigen positiven Entwicklungsoutcomes zusammen. Die Forschung konzentrierte sich bislang v. a. auf das (Vor-) Schulalter, während über die Entwicklung und Bedeutung von Selbstregulation in der Jugend bisher relativ wenig bekannt ist.
Gerade im Jugendalter ist die Selbstregulation aber besonders relevant, da die externale Regulation (z. B. durch die Eltern) sukzessive abnimmt, Entscheidungen zunehmend selbstbestimmt getroffen werden und zahlreiche jugendspezifische Entwicklungsanforderungen (zum Beispiel Autonomieentwicklung; Integration in die Peergruppe) zu bewältigen sind.
Die DFG-Forschungsgruppe "Selbstregulation als Ressource in der Bewältigung von Entwicklungsanforderungen – eine prospektive Analyse von der mittleren Kindheit bis zur Adoleszenz" möchte die Entwicklung einer großen Bandbreite selbstregulativer Kompetenzen vom mittleren Kindesalter bis zur Adoleszenz nachvollziehen. Zudem sollen deren Auswirkungen auf die Bewältigung alterstypischer Entwicklungsanforderungen in der Adoleszenz im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren prospektiv und multimethodal erforscht werden.
Die Forschungsgruppe umfasst insgesamt sechs Teilprojekte. Neben der Sprecherin Frau Prof. Dr. Petra Warschburger sind zudem Frau Prof. Dr. Birgit Elsner (Universität Potsdam), Frau Prof. Dr. Rebecca Bondü (Psychologische Hochschule Berlin), Frau Prof. Dr. Annette Klein (Internationale Psychoanalytische Universität Berlin) und Herr Dr. Robert Busching (Universität Potsdam) beteiligt. Dabei adressiert die Forschungsgruppe eine große Bandbreite relevanter Entwicklungsanforderungen in der Adoleszenz.
Die Forschungsgruppe baut mit ihrem Vorhaben auf dem bereits vorliegenden umfangreichen Längsschnittdatensatz der PIER („Potsdamer Internale Entwicklungs-Risiken“) - Studie auf. Zwei weitere Erhebungswellen mit 1.600 Adoleszenten und deren Eltern sind geplant. Ziel ist es, durch die umfassenden empirischen Daten einen Beitrag zur Weiterentwicklung des theoretischen Verständnisses der Selbstregulation zu leisten. Daraus sollen praktische Implikationen für die Förderung einer positiven Entwicklung abgeleitet werden.
Moralisches Verhalten beispielsweise in Form von prosozialem Verhalten wie helfen, teilen oder trösten oder moralischen Entscheidungen und Begründungen in Dilemmasituationen erfordern häufig ein hohes Maß an selbstregulatorischen Fertigkeiten, da dabei oft primäre, egoistische Handlungsimpulse zugunsten von altruistischen Verhaltensweisen unterdrückt werden müssen. Tatsächlich zeigen frühere Studien, dass ausgeprägte Selbstregulationskompetenzen wie beispielsweise exekutive Funktionen moralisches Verhalten prädizieren. Wenig ist allerdings über die Zusammenhänge im Jugendalter bekannt. Zudem wurden bislang verschiedene kognitive, affektive und verhaltensbezogene selbstregulative Kompetenzen kaum simultan betrachtet und somit auch deren relative Bedeutung kaum beachtet. Schließlich wurden potentiell differentielle Einflüsse auf moralbezogene Persönlichkeitsaspekte kaum berücksichtigt. So ist über potentielle Einflussfaktoren für moralische Identität sowie die moralbezogene Persönlichkeitseigenschaft Ungerechtigkeitssensibilität insgesamt nur wenig bekannt, obwohl die Ausformung einer moralischen Identität eine zentrale Entwicklungsaufgabe im Jugendalter darstellt und Gerechtigkeit in diesem Altersbereich eine besonders wichtige Norm ist. Es ist aber davon auszugehen, dass selbstregulatorische Kompetenzen auch die Ausprägung moralbezogener Persönlichkeitsaspekte begünstigen können, da diese beispielsweise dauerhaft eine bessere emotionale und Verhaltensregulation und -modulation auch in moralischen Situationen erlauben, die verstärkt und schließlich internalisiert werden sollte. Um die bisherigen Wissenslücken zu füllen, sollen im vorliegenden Projekt aufbauend auf einem bereits bestehenden Längsschnittdatensatz mit drei Messzeitpunkten im mittleren Kindesalter über 1500 Personen im Alter von 15 bis 20 Jahren insbesondere im Hinblick auf eine Vielzahl affektiver, kognitiver und behavioraler, basaler und komplexer selbstregulatorischer Kompetenzen, moralisches Verhalten, moralische Identität sowie Ungerechtigkeitssensibilität untersucht werden. So kann festgestellt werden, welche selbstregulatorischen Kompetenzen langfristig Einfluss auf moralisches Verhalten und moralische Persönlichkeitsaspekte im Jugendalter nehmen, inwiefern differentielle Zusammenhänge bestehen und ob der Effekt von selbstregulatorischen Kompetenzen auf moralisches Verhalten im Jugendalter durch moralbezogene Persönlichkeitsaspekte mediiert wird. Die Erkenntnisse aus dem Projekt können somit genutzt werden, um alters- und verhaltensspezifische Präventions- und Interventionsprogramme unter besonderer Berücksichtigung selbstregulatorischer Kompetenzen zu entwickeln, mittels derer moralisches Verhalten und moralische Persönlichkeitsaspekte und somit insgesamt adaptive Entwicklungsverläufe gefördert werden können.
Selbstregulation beschreibt die Fähigkeit dominante Impulse zu unterdrücken um Gedanken, Gefühle und Verhalten zu modifizieren. Die Entwicklung dieser Fähigkeit ist z.B. sowohl zentral für akademischen und beruflichen Erfolg als auch für geistige und physische Gesundheit. Selbstregulation ist dabei kein eindimensionales Konstrukt, sondern für erfolgreiche Selbstregulation ist es nötig, dass eine Reihe von unterschiedlichen basalen und komplexen Facetten
miteinander interagieren. Für die Entwicklung von SR wurde bereits eine Reihe von Prädikatoren wie z.B. biologische Unterschiede oder das Verhalten von Eltern untersucht. Weniger Aufmerksamkeit wurde dabei dem Einfluss von Gleichaltrigen auf die Entwicklung von Selbstregulation gewidmet. Daher soll in diesem Projekt untersucht werden, wie Mitschüler*innen, eine wichtige Gruppe, die weitere Entwicklung der Selbstregulation bei Kindern und Adoleszenten mitbestimmen. Sie verbringen im Klassenkontext ein Großteil ihres Tages zusammen und die Zusammensetzung der Schüler*innen einer Klasse ändert sich meist über einen längeren Zeitraum nur wenig. Weiterhin wählen Schüler*innen in Verbindung mit ihren Eltern häufig die Schule, während sie nur wenig Einfluss auf die Auswahl der spezifischen Klassen innerhalb einer Schule haben. Hierdurch treten Sozialisationseffekte des Verhaltens von anderen Schüler*innen in den Vordergrund. In diesem Projekt wird jedoch nicht davon ausgegangen, dass alle Schüler*innen im gleichen Ausmaß vom Verhalten ihrer Mitschüler*innen beeinflusst werden, sondern dass insbesondere Schüler*innen mit wenig Selbstregulationsfähigkeit stärker durch das Verhalten ihrer Mitschüler*innen beeinflusst werden.
Ein Prozess der den Zusammenhang zwischen der Selbstregulation von Mitschüler*innen und der individuellen Selbstregulation vermittelt, ist die Entwicklung von Problemverhalten. Hierzu gehören Verhaltensweisen wie beispielsweise aggressives oder delinquentes Verhalten. Mangelnde SR ist ein in der Literatur gut belegter Risikofaktor für diese Arten von Problemverhalten. Gleichzeitig sollte aber auch die Interaktion mit Personen die viel Problemverhalten zeigen, zu einer weiteren individuellen Reduktion von SR führen.
Um diese Forschungsfragen zu bearbeiten soll auf den PIER-Datensatz, der im Rahmen dieses Projektes um einen vierten Messzeitpunkt ergänzt werden soll, zurückgegriffen. Erste Analysen mit den bereits vorliegenden Daten zeigen, dass durch Schulklassen signifikante Varianz der Selbstregulation erklärt werden kann, und auch dass auf der Ebene der Schulklassen eine zweidimensionale Struktur vorliegt, in der stärker zwischen kognitiven und emotionalen Komponenten differenziert werden kann.
Als kognitive Prozesse, die die Kontrolle von Verhalten, Kognition und Emotionen ermöglichen, sind Exekutive Funktionen (EF) wichtige basale Komponenten der Selbstregulation (SR). SR und EF zeigen anhaltende Entwicklung in der mittleren Kindheit und Adoleszenz, bei gleichzeitig steigenden Anforderungen an sozial angemessene Verhaltenskontrolle. Bisher fehlen aber Studien zur individuellen Ausprägung verschiedener EF-Facetten sowie zur Stabilität/Variabilität der EF-Entwicklungsverläufe in diesem Altersbereich. Dieses Projekt fokussiert auf die drei kühlen EF Inhibition, Arbeitsgedächtnis-Updating, kognitive Flexibilität/Set-Shifting sowie die zwei heißen EF Belohnungsaufschub und emotionale Entscheidungsfindung. Die hierzu vorliegenden Längsschnitt-Daten für eine unausgelesene Stichprobe in der mittleren Kindheit (PIER-Studie: 6-10, 7-11, 9-13 Jahre) werden in die Adoleszenz (15-20 Jahre) erweitert. In einem personen-zentrierten Ansatz werden erstens Kinder anhand von Ausprägungsprofilen der fünf EF-Facetten zu T1 klassifiziert (Ziel 1). Unterschiedliche Profile für jüngere/ältere Kinder weisen auf anhaltende Entwicklung bestimmter EF-Facetten hin, und spezifische EF-Profile (z.B. insgesamt schwache EF; relativ schwächere Inhibition/heiße EF) sollten mit niedriger komplexer SR und emotionaler Regulation einhergehen. Zweitens werden die längsschnittliche Stabilität/Variabilität der EF-Profile geprüft sowie Muster von EF-Entwicklungsverläufen identifiziert (Ziel 2). Altersunterschiede zeigen hier an, ob und wann die Entwicklung bestimmter EF-Facetten abflacht. Eine anhaltende Entwicklung bis in die Adoleszenz ist z.B. für Set Shifting und heiße EF zu erwarten. Generell sind abfallende oder konstant niedrige EF-Verläufe interessant, denn damit verbundene individuelle Merkmale (z.B. SÖS, verbale Fähigkeiten) können Risikofaktoren für die EF-Entwicklung und somit Ansatzpunkte für Prävention/Intervention sein. Drittens wird die Beziehung zwischen EF-Entwicklung in der mittleren Kindheit und der kognitiven Verarbeitung sozialer Informationen (SIP) in die Adoleszenz geprüft (Ziel 3). SIP ist wichtig für soziales Verhalten, und SIP-Spezifika korrelieren z.B. mit Aggression (u.a. Interpretation des Verhaltens anderer als feindselig; positive Bewertung eigenen aggressiven Verhaltens). Da bestimmte EF-Facetten für bestimmte SIP-Schritte relevant sind (z.B. Belohnungsaufschub für Zielsetzung, Flexibilität für Reaktionsgenerierung, Inhibition für Reaktionsauswahl) ist die Analyse von SIP-Unterschieden für verschiedene EF-Profile bzw. EF-Verläufe v.a. in die Adoleszenz (aufgrund höherer SR-Anforderungen) wichtig. Hier werden auch die für SIP relevanten PIER-Daten zum Nachvollziehen mentaler Zustände anderer Personen (Theory of Mind) sowie zur Regulation von Emotionen (v.a. Ärger) einbezogen. Somit wird das Projekt wichtige Erkenntnisse zur Entwicklung basaler SR-Kompetenzen und zu ihrer Relevanz für soziale Kognition in Kindheit und Adoleszenz erbringen.
Internalisierende Symptome, wie Ängstlichkeit, Depressivität, Rückzug sowie somatische Symptome gehören zu den häufigsten psychischen Auffälligkeiten im Jugendalter, weisen eine hohe Stabilität auf und gehen mit starken Beeinträchtigungen für die Betroffenen einher. Im Zusammenhang mit der Genese dieser Symptome sind verschiedene Facetten der Selbstregulation in den wissenschaftlichen Fokus gerückt, wobei sich gezeigt hat, dass eine geringere Fähigkeit zur Selbstregulation mit höheren internalisierenden Symptomen einhergeht. Jedoch bestehen noch einige Forschungslücken: Erstens waren bisherige Untersuchungen häufig auf einzelne Facetten der Selbstregulation beschränkt. Zweitens ist die Anzahl der Studien in der Adoleszenz deutlich geringer als in der Kindheit. Drittens gibt es noch keine Studien, die verschiedene Facetten der Selbstregulation als Prädiktoren differentieller Entwicklungsverläufe internalisierender Symptome untersucht haben. Angesichts des Anstiegs internalisierender Symptome im Verlauf von der Kindheit bis zur Adoleszenz mit dem Risiko einer Chronifizierung im Erwachsenenalter kommt der Untersuchung von Facetten der Selbstregulation als potentielle Prädiktoren von ungünstigen Verläufen – z.B. mit ansteigenden oder stabil hohen internalisierenden Symptomen – hohe Relevanz zu. Um diese Forschungslücken zu füllen, sollen im vorliegenden Projekt aufbauend auf einem bereits bestehenden Längsschnittdatensatz mit drei Messzeitpunkten in der mittleren Kindheit (T1: 6-10, T2: 7-11, T3: 9-13 Jahre) über 1000 Adoleszente im Alter von 15-20 Jahren im Hinblick auf eine Vielzahl von basalen (z.B. exekutive Funktionen, emotionale Reaktivität, Herzratenvariabilität) und komplexen (z.B. Emotionsregulation, Planungsverhalten) Facetten der Selbstregulation, internalisierende Symptome (und spezifische Angst und depressive Symptome) sowie bereits etablierte Risikofaktoren internalisierender Symptome (z.B. niedriger sozioökonomischer Status) erneut untersucht werden. Es wird analysiert, 1) inwieweit verschiedene Facetten der Selbstregulation ungünstige Verläufe internalisierender Symptome prädizieren, 2) ob Selbstregulation auch bei Einbezug anderer Risikofaktoren einen inkrementellen Beitrag zur Prädiktion differenzieller Entwicklungsverläufe leistet, 3) inwieweit Selbstregulations-Facetten untereinander und mit anderen Risikofaktoren in der Prädiktion der Verläufe internalisierender Symptome zusammenwirken und 4) wie sich quer- und längsschnittliche Zusammenhänge von Selbstregulations-Facetten und internalisierenden Symptomen sowie deren Wechselwirkungen im zeitlichen Verlauf von der mittleren Kindheit bis in die Adoleszenz darstellen. Die Erkenntnisse zum prädiktiven Wert spezifischer Selbstregulations-Facetten kann somit Ansatzpunkte für Prävention und Intervention zur Förderung der gesunden psychosozialen Entwicklung liefern.
Adipositas und Binge Eating sind ernstzunehmende Gesundheitsprobleme, die in der Adoleszenz häufig und oftmals auch erstmalig auftreten. In Verbindung mit deren Entstehung und Aufrechterhaltung wird die Rolle der Selbstregulation (SR), d.h. der Kompetenz, das eigene Verhalten und Erleben zu steuern, besonders hervorgehoben. Neben SR werden zudem zunehmend das Erleben von Stigmatisierungen, z.B. in Form von Hänseleien, sowie die Internalisierung von sozialen Stigmata als bedeutsame Risikofaktoren diskutiert. Das genaue Zusammenspiel dieser drei Risikofaktoren ist noch unklar. Aktuelle Modelle postulieren, dass gewichtsbezogene Stigmatisierung sowie dessen Internalisierung psychische Belastungen darstellen, die u.a. über eine verminderte Selbstregulation zu einer Gewichtszunahme (und einem unkontrolliertem Essverhalten) beitragen. Eine umfassende Testung dieser Annahmen steht noch aus. In der bisherigen Forschung überwiegen zudem querschnittliche Untersuchungen sowie Studien mit Erwachsenen oder Kindern, während prospektive Studien mit Adoleszenten fehlen. In der Adoleszenz fallen negative gewichtsbezogene Kommentare angesichts einer sich noch entwickelnden SR auf einen besonders „sensiblen“ Nährboden für die Entwicklung ess- und gewichtsbezogener Störungen. Im Mittelpunkt des Vorhabens steht daher die detaillierte Analyse der Wirkmechanismen im Zusammenspiel zwischen Stigmatisierung, SR als zentrale mediierende Ressource und (der Entwicklung von) Gewichtstatus und BE im prospektiven Verlauf von Kindheit bis zur Adoleszenz. Aufbauend auf einem bereits bestehenden Längsschnittdatensatz mit drei Messzeitpunkten sollen über 1000 Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren hinsichtlich verschiedener basaler und komplexer selbstregulatorischer Kompetenzen, Gewichtsstatus, BE, Stigmatisierung sowie Internalisierung des Gewichtstigmas nochmals untersucht werden. So kann festgestellt werden, welche spezifischen selbstregulatorischen Kompetenzen langfristig Einfluss auf den Gewichtsstatus und BE in der Adoleszenz nehmen, inwiefern differentielle Zusammenhänge bestehen und ob der Effekt von Stigmatisierung auf Gewicht bzw. BE in der Adoleszenz durch selbstregulatorische Kompetenzen mediiert wird. Die Erkenntnisse aus dem Projekt können somit in die Entwicklung von Präventions- und Interventionsprogrammen unter besonderer Berücksichtigung selbstregulatorischer Kompetenzen einfließen.
Aggressives und antisoziales Verhalten haben oft langfristige negative Konsequenzen sowohl für die davon Betroffenen als auch für die ausführenden Personen. Dies ist besonders problematisch, weil es sich hierbei um relativ stabiles Verhalten handelt, das häufig bis ins Erwachsenenalter persistiert. Im Jugendalter zeigen manche Formen aggressiven und antisozialen Verhaltens die höchsten Prävalenzraten. Daher ist es wichtig, die aktuellen und langfristigen Risikofaktoren für dieses Verhalten im Kindes- und im Jugendalter zu kennen, um präventiv tätig werden oder intervenieren zu können. Mangelnde selbstregulatorische Kompetenzen erschweren es, negative Verhaltensimpulse zu kontrollieren und stattdessen langfristig adaptives Verhalten zu zeigen. Sie stellen daher in Theorien zur Erklärung aggressiven und antisozialen Verhaltens einen wichtigen Risikofaktor für solche Verhaltensweisen dar. Bereits vorliegende empirische Befunde stützen diese theoretische Annahme. Allerdings bestehen weiterhin verschiedene Forschungslücken: So ist über die Bedeutung selbstregulatorischer Kompetenzen im Jugendalter insgesamt sowie in Bezug auf aggressives und antisoziales Verhalten längsschnittlich vergleichsweise wenig bekannt. Darüber hinaus existiert nur wenig Forschung dazu, wie physiologische, affektive, kognitive und behaviorale selbstregulatorische Kompetenzen in der Prädiktion aggressiven und antisozialen Verhaltens zusammenspielen und welche dabei von besonderer Bedeutung sind. Ob differentielle Effekte in Abhängigkeit von der spezifischen Form aggressiven und antisozialen Verhaltens sowie vom Alter der handelnden Personen vorliegen ist ebenfalls kaum beforscht. Dies gilt schließlich auch für die Frage, inwiefern selbstregulatorische Kompetenzen Muster dieser Verhaltensweisen sowie die Zugehörigkeit zu entsprechenden differentiellen Entwicklungstrajektorien prädizieren. Um diese Forschungslücken zu füllen, sollen im vorliegenden Projekt aufbauend auf einem bereits bestehenden Längsschnittdatensatz mit drei Messzeitpunkten im mittleren Kindesalter über 1000 Personen im Alter von 15 bis 20 Jahren im Hinblick auf eine Vielzahl basaler und komplexer selbstregulatorischer Kompetenzen, aggressives und antisoziales Verhalten sowie relevante Kontrollvariablen untersucht werden. Die Kontrollvariablen umfassen internale und externale Faktoren, wie Selbstwert, Theory of Mind und Ungerechtigkeitssensibilität sowie Diskrimierungserfahrungen, familiäre Risikofaktoren und Affiliation mit devianten Peers, die ebenfalls Risikofaktoren für aggressives und antisoziales Verhalten darstellen. So kann zusätzlich untersucht werden, ob selbstregulatorischen Kompetenzen über diese Faktoren hinaus inkrementelle Varianz in diesem Verhalten aufklären. Die Erkenntnisse aus dem Projekt können somit genutzt werden, um alters- und verhaltensspezifische Präventions- und Interventionsprogramme unter besonderer Berücksichtigung selbstregulatorischer Kompetenzen zu entwickeln.
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