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Professur Germanistische Mediävistik

Team Mediävistik
Foto: Thomas Roese

Wer nicht von dreitausend Jahren
Sich weiß Rechenschaft zu geben,
Bleibt im Dunkeln unerfahren,
Mag von Tag zu Tage leben.

(Goethe: West-östlicher Divan, Kap. 6)

 

Wo auch immer Sie später als Germanist oder Germanistin arbeiten werden – in einem Verlag, den Medien, im Kulturamt oder der Schule –, überall ist die Voraussetzung für eine kritische und differenzierte Vermittlung eines Textes der sachkundige Blick auf seinen Ursprung und die Bedingungen seiner Entstehung. Die Auseinandersetzung mit den Anfängen der deutschen Literatur im Mittelalter schult ihr Vermögen, Texte kulturgeschichtlich, medientheoretisch und sprachlich zu analysieren und zu kontextualisieren.

In der Germanistischen Mediävistik werden zunächst die Grundlagen der Sprache, Literatur und Kultur des deutschen Mittelalters vermittelt. Fester Bestandteil der Einführungskurse ist der Besuch in der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Berlin, wo die ‚Materialität‘ von Handschriften, die unsere Texte überliefern, konkret und für jede Einzelne und jeden Einzelnen erfahrbar wird.

Die Studierenden lernen (neben einem gattungsgeschichtlichen Überblick) aus dem Mittelhochdeutschen zu übersetzen und werden dabei auch für Fragen der Übersetzung allgemein sensibilisiert: Wie ist zu übersetzen? Eng am Text? Sinngemäß? Frei?

In allen Seminarformen wird – von den mittelalterlichen Handschriften ausgehend – textkritischen Fertigkeiten und philologisch-editionstheoretischem Problembewusstsein besondere Aufmerksamkeit geschenkt: Wie wird aus Handschriften eine Edition? Was bedeutet das für den kritischen Umgang mit Editionen (auch der Neugermanistik) ganz allgemein? Wie ist der Zusammenhang zwischen Schrift, Text und Medium (Papier, Pergament, digitalem Text in Ihrem Kindle) zu denken?

Bereits im Einführungskurs werden die literarischen Texte kulturgeschichtlich kontextualisiert: Was ist höfische, was städtische Kultur, was Mäzenatentum? Was bedeutet mündliche Tradierung, welchen Unterschied macht es, ob ein Text handgeschrieben oder gedruckt ist? Wer diese Frage beantworten kann, versteht auch besser, was der Medienwechsel vom Buch zum Digitalisat bedeutet.

Im Zentrum der Bemühungen um den Text steht dessen Interpretation, das methodengeleitete Vermögen, sich – und anderen! – einen alten und oft fremden Text in seiner geschichtlichen und ästhetischen Besonderheit selbständig erschließen zu können.