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Kolloquium „Fremde Rede – Eigene Rede“ (6. - 7. Nov. 2009)

Organisiert von Dr. Ute Tischer und Dr. Alexandra Binternagel

Am 6. und 7. November 2009 haben wir eine Reihe junger Wissenschaftler nach Potsdam eingeladen, um uns einigen bekannten literarischen und rhetorischen Erscheinungen einmal aus einer neuen Perspektive zu nähern. Es ging uns um die Frage, wie und warum antike Autoren in ihren Werken fremde Stimmen sprechen lassen, um damit ihren eigenen Absichten und Darstellungszielen Nachdruck zu verleihen. Eine solche „fremde Stimme“ kann uns in Form eines Zitats begegnen, aber z.B. auch als fingierte Rede einer historischen Person in einem antiken Geschichtswerk, als literarischer Dialog über ein philosophisches Thema oder auch als rhetorisches Stilmittel des fingierten So-Redens-als-ob (sermocinatio). Allen diesen Phänomenen ist gemeinsam, dass sie ihre Wirkung gerade durch ihre – faktische oder fingierte – Fremdheit erlangen, obwohl sie zugleich nur durch die Entscheidung des Autors im Text vorhanden sind und so auch dessen eigene Stimme repräsentieren. Die Intention des Kolloquiums war es, am Beispiel einer Reihe griechischer und lateinischer Prosatexte die verschiedenen Facetten des Problemfeldes zu beleuchten und seinen theoretischen Rahmen abzustecken.

Dieses Treffen, auf das wir nun zurückblicken, hat uns sowohl in inhaltlicher als auch in persönlicher Hinsicht sehr viel gegeben, und als sich die ca. 15 Teilnehmer nach diesen beiden Tagen trennten, war die einhellige Meinung, dass sein Thema Perspektiven in mancherlei Richtung biete, in denen es nun weiterzuarbeiten gelte.
Den insgesamt sieben Vorträgen, die während der Veranstaltung gehalten wurden, schlossen sich in fast allen Fällen lange und intensive Diskussionen an. Dabei zeigt es sich, dass grundlegende Probleme gerade im Umgang mit einem so vertrauten Verfahren, wie es etwa das Zitieren darstellt, oft aus unhinterfragten und unreflektierten modernen Vorstellungen dessen resultieren, was ein Zitat sei, woran man es erkenne und was es zu bedeuten habe. Immer wieder kreisten die Gespräche um den Bezug fremder „Stimmen“ im Text zur Lebenswelt der Autoren: Was konnte man einer noch lebenden historischen Person an fingierter Rede in den Mund legen? Wie weit durfte sich ein zitierender Autor vom Wortlaut des zitierten Textes entfernen, ohne unglaubwürdig zu sein? Wie las man fremde Stimmen im Text, was darf man von ihnen als moderner Leser erwarten und was nicht?

Da unser Kolloquium am Universitätskomplex Am Neuen Palais stattfand, nutzten wir die Gelegenheit, um unseren Gästen bei einer Führung durch das Neue Palais einen kleinen Einblick in die enthusiastische Antikerezeption des 18. und 19. Jahrhunderts in Potsdam und Umgebung ermöglichen – ein Standortvorteil der Klassischen Philologie in Potsdam, der von den Teilnehmern gern anerkannt wurde. Im Anschluss daran bot das Restaurant „I frattelli“ uns einen Ort, um die Gespräche, die sich aus den Vorträgen ergeben hatten, in entspannter Atmosphäre fortzusetzen und sich dabei auch persönlich ein wenig näher kennen zu lernen.

Die Aspekte, die die Teilnehmer des Kolloquiums an dem komplexen Problem, das Thema des Kolloquiums war, herausgearbeitet haben, und die Deutungsvorschläge, die sie gebracht haben, werden wir in einem Tagungsband versammeln, der Ende 2010 beim Verlag Peter Lang (Berlin/New York/Zürich) erscheinen wird.

Die schöne Erfahrung, die dieses Treffen für uns geworden ist, wurde uns nicht zuletzt durch die Förderung durch die Universitätsgesellschaft Potsdam e.V. und die Potsdamer Freunde der Antike e.V. ermöglicht. An sie ergeht unser herzlicher Dank!

Ute Tischer
Alexandra Binternagel

Programm „Fremde Rede – Eigene Rede“