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Foto: Jürgen Mey

10 Fragen zum Thema Wie Wasser die Erde formt an Prof. Bodo Bookhagen (Geologe an der Uni Potsdam) & Prof. Peter van der Beek (Geologe an der Uni Potsdam)

  1. Auf welche Weise formt Wasser unsere Landschaften - von den Bergen bis zu den Küsten?
    Wasser trägt maßgeblich zur Formung der Erdoberfläche bei: Es erodiert Gestein und transportiert Sedimente wie Sand, Kies oder größere Gesteinsbrocken von den Bergen in die Täler und Flussläufe. Auf diese Weise entstehen markante Landschaftsformen wie Täler, Schluchten und Deltas. In gefrorener Form wirkt Wasser ebenfalls als starke Gestaltungskraft: Gletscher tragen zur Abtragung in Gebirgsregionen bei und üben durch ihr enormes Gewicht Druck auf die Erdkruste aus. Die Nachwirkungen vergangener Vereisungen sind bis heute spürbar – so hebt sich beispielsweise die Erdoberfläche in Skandinavien weiterhin infolge der Entlastung nach dem Abschmelzen des Eisschildes.
     
  2. Welche geologischen Prozesse werden hauptsächlich durch fließendes Wasser angetrieben?
    Wasser spielt eine zentrale Rolle bei der Bildung von Flusstälern durch Erosion. Zudem steuert es maßgeblich den Transport von Sedimenten und Nährstoffen in Meeres- und Beckenregionen.
     
  3. Wie entstehen Täler, Canyons und Flussdeltas durch die Wirkung von Wasser?
    Die Entstehung von Tälern ist ein vielschichtiger Prozess, der durch das Zusammenspiel großer Wassermengen und mitgeführter Sedimente in Flüssen bestimmt wird. Besonders Hochwasserereignisse tragen wesentlich zur Einschneidung bei. Je nach Härte des Gesteins und der Geschwindigkeit, mit der die Erdoberfläche durch tektonische Kräfte angehoben wird, erodieren Flüsse entweder steil nach unten und bilden Schluchten, oder sie können auch seitlich erodieren und sanftere Täler bilden. Im Gegensatz dazu bilden Flussdeltas Ablagerungsräume, in denen Sedimente und Nährstoffe akkumulieren und neue Landschaftsformen entstehen.
     
  4. Welche Rolle spielen Überschwemmungen bei der Gestaltung von Landschaften?
    Viele Landschaftsformen, insbesondere im Gebirge, entstehen maßgeblich durch große Flutereignisse. Das plötzliche Entleeren aufgestauter Seen kann die Talbildung aber auch Überhänge und Wasserfälle stark vorantreiben. Gleichzeitig formen Überschwemmungen Auen und Flussbetten, beeinflussen die Vegetationsentwicklung und führen in flacheren Regionen häufig zur Entstehung von Seen und Sümpfen. Wir können also sagen, dass der größte Teil der Landschaftsentwicklung während großer Überschwemmungen stattfindet.
     
  5. Wie beeinflussen Gletscher als gefrorenes Wasser die Landschaftsformung?
    Gletscher tragen wesentlich dazu bei, dass Gebirge auf der Erde nur eine bestimmte Maximalhöhe erreichen können, da sie als treibende Kraft die Oberflächen von Hochgebirgen stark erodieren. Die Höhe von Gebirgsketten folgt dabei dem Bereich, in dem Gletscher aktiv sind – gut erkennbar etwa entlang der nord- und südamerikanischen Kontinente. In hohen Breiten, nahe der Polargebiete, wo Gletscher besonders ausgeprägt sind, erreichen Gebirge im Durchschnitt geringere Höhen als in Regionen näher am Äquator. Auf regionaler Ebene formen Gletscher tiefe und steile Gletschertäler und tragen so zur Vielfalt der Landschaft bei.
     
  6. Welche Unterschiede gibt es zwischen den langsamen Prozessen der Erosion und plötzlichen Ereignissen wie Flutkatastrophen?
    Geologen betrachten schnelle und langsame Veränderungen oft als Teil eines Kontinuums, das durch die Größe (Magnitude) und die zeitliche Dauer der Prozesse beschrieben wird. Ein für den Menschen langsam erscheinender Vorgang – wie etwa die Absenkung von Landschaften infolge der Grundwasserentnahme – kann sich zwar über Jahre oder Jahrzehnte hinziehen, aber dennoch erhebliche Auswirkungen auf die Erdoberfläche haben. Andererseits bestehen Prozesse, die auf geologischer Zeitskala langsam und kontinuierlich erscheinen, wie Erosion und Sedimentation, oft aus kurzen Aktivitätsschüben während extremer Ereignisse, die von langen Ruhephasen unterbrochen werden.
     
  7. Wie stark hat der Mensch die natürliche Formung von Landschaften durch Wasser verändert?
    Stark! Einerseits haben Entwaldung und Landnutzungsänderungen die Menge an Sedimenten, die von Flüssen erodiert und transportiert werden, erheblich erhöht. Andererseits haben Wasserentnahme und der massive Bau von Staudämmen den gegenteiligen Effekt – sie reduzieren die Menge an Sedimenten, die von Flüssen transportiert werden. Das Zusammenspiel ist komplex. Hinzu kommt, dass die anthropogene Klimaerwärmung, insbesondere in kalten Gebieten (in hohen Breitengraden oder Höhenlagen), stark zu einer signifikanten Zunahme der Erosion beiträgt.
     
  8. Welche Rolle spielen Sedimenttransport und -ablagerung in Flüssen, Seen und Meeren?
    Sedimenttransport ist zugleich auch Nährstofftransport und spielt eine zentrale Rolle bei der Verlagerung organischer wie auch anorganischer Bestandteile von Flüssen in Seen und Meere. In Beckenregionen, etwa in Seen, kann dieser Prozess zur Anreicherung bedeutender geologischer Ressourcen führen. Ein Beispiel sind die Lithiumlagerstätten auf dem Andenhochplateau: Die Verwitterung und Erosion umliegender Vulkane und Gesteine erhöhte die Elementkonzentration in den Becken, wobei Flüsse das Material in die Seen eintrugen. Sedimentablagerungen verändern auch die Flussbetten selbst, was im Laufe der Zeit zu Veränderungen des Flussverlaufs führt, die wir als Avulsionen bezeichnen.
     
  9. Wie lange dauern diese Formungsprozesse - sprechen wir von Jahren, Jahrhunderten oder Jahrmillionen?
    Diese Prozesse wirken über sehr lange Zeiträume, die sich von Hunderttausenden bis hin zu Millionen von Jahren erstrecken, und sie umfassen oftmals mehrere Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten.
     
  10. Welche aktuellen Forschungsthemen beschäftigen sich heute besonders intensiv mit den Wechselwirkungen von Wasser und Landschaft?
    Dieses Forschungsfeld ist derzeit sehr aktiv und umfasst zahlreiche unterschiedliche Ansätze. Eine zentrale Fragestellung beschäftigt sich damit, wie sich die Grundwasserentnahme auf die Absenkung der Erdoberfläche auswirkt. Dabei werden Feldmessungen mit GNSS-Satelliten (Navigationssatelliten) mit satellitenbasierten Radarmessungen kombiniert, die selbst Absenkungen im Millimeterbereich erfassen können. Das Forschungsfeld ist stark interdisziplinär ausgerichtet: Mithilfe geochemischer Datierungsmethoden lassen sich Erosionsraten von Flussystemen über tausende Jahre bestimmen, die die Landschaft seit der letzten Eiszeit geprägt haben. Andere Methoden, die noch weiter in die Vergangenheit reichen, erlauben es, Landschaftsentwicklungsraten gesteuert durch Flüsse über mehrere Millionen Jahre zu rekonstruieren.