Ausgehend von Adornos Forderung nach einem gesellschaftlichen Zustand, in dem man „ohne Angst verschieden sein“ kann, suchen wir im Rahmen des Wettbewerbs „Wie inklusiv ist die UP?“ #EineBarriereWeniger, nach bisher unbekannten oder verborgenen Barrieren bzw. Teilhabemöglichkeiten für Studierende oder Mitarbeitende mit Behinderungen / chronischer Krankheit. „Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“ (UN-BRK)
Uns interessieren dabei nicht nur die konkreten Hindernisse auf die Menschen mit Behinderungen an der Universität Potsdam stoßen, sondern vor allem geeignete Lösungsmöglichkeiten. Hierbei soll es nicht nur um bauliche Barrieren gehen, sondern vor allem um die Hindernisse, die auf den ersten Blick (vor allem für Menschen ohne Behinderung) nicht erkennbar sind.
Im Rahmen des Wettbewerbs können sich alle Hochschulangehörigen beteiligen.
Sie können sich als Einzelperson oder Gruppe an dem Wettbewerb beteiligen.
Im Rahmen einer Präsentation werden die Beiträge durch eine Jury beurteilt. Die oder der Gewinner:in erhält ein Preisgeld von 500,00 €.
Ihren Beitrag können Sie ab dem 1.7.2022 an dieser Stelle einreichen.
Liebe Frau Guzmann, lieber Herr Meile, lieber Christoph, liebe Anwesenden,
eigentlich wollen Sie jetzt alle wissen, was in dem Paket ist. Ich auch. Eigentlich wollte ich heute nur sagen, dass ich mich sehr über den Preis für Christoph Schulte und Ljuba Kirjuchina freue. Der Preis soll Mitglieder der Universität auszeichnen, die in Ihren Lehrveranstaltungen, ich zitiere aus der Ausschreibung, „eine besondere Haltung gegenüber Diskriminierung an den Tag legen, indem Sie Ausgrenzungsmechanismen aufzeigen und Vielfalt thematisieren“ Zitatende. […]
Wir alle wissen Vielfalt als Grundpfeiler unserer Demokratie zu schätzen, aber jenseits aller kreativen Divergenzen sind wir über eins wohl einig: Dass wir mit dem Neuen Palais einen der schönsten Universitätsstandorte der Welt haben. Während die Freie Universität vor sich hin rostet, ist bei uns alles weitgehend gepflegt. Eigentlich hat mir immer nur Eins gefehlt, nämlich so etwas wie ein Biergarten, wo man sich nach getaner Arbeit mit Kolleg:innen und Studierenden über die Lehrerfahrung des Tages austauschen, über die laschen Corona-Maßnahmen der Universitätsleitung schimpfen, oder Pläne für zukünftige Projekte machen kann. Das gab es nicht, aber es gab den Zug von Berlin. Der ist zwar immer überfüllt und deswegen nicht annährend so gemütlich wie eine Kneipe, aber man trifft Kolleginnen und Kollegen. Donnerstags traf ich immer Christoph Schulte. In der Woche nach dem widerlichen Anschlag vom 09. Oktober 2019 in Halle, war er allerdings sehr aufgewühlt. Sie erinnern sich, der rechtsextreme Attentäter hatte zwei Menschen erschossen, zwei weitere Menschen schwer verletzt und viele jüdische Menschen traumatisiert, die in der Synagoge von Halle Jom Kippur feiern wollten. Nur eine sehr stabile Tür hat noch Entsetzlicheres verhindert. Christoph war erschüttert und wollte etwas tun, gegen Rassismus und Antisemitismus. „Das geht doch vor allem deine LER-Leute etwas an“ sagte er. „Ihr sollt die Studierenden schulen gegen den braunen Dreck, der immer noch so viele Köpfe verstopft.“ Recht hast du, lieber Christoph. Aber welches Fach gibt schon gerne Leistungspunkte ab? „Geh zu Ljuba Kirjuchina von Studium Plus“ schlug ich vor. „Sie ist ein visionärer Mensch mit einem übersprühenden Verstand, einem offenen Herzen und exzeptioneller Sprachgewalt. Sie kennt Gott und die Welt und sie hat sicher eine Idee. Frau Kirjuchina ist leider krank heute, aber damals war sie zum Glück auf dem Damm und sie hatte eine Idee. Sie schlug eine Ringvorlesung für Studium Plus vor und damit war das Dream Team der Universität Potsdam im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus geboren. Die beiden haben nämlich selbst und Herrn Professor Botsch von der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus als Berater mit ins Boot geholt und dann haben sie losgelegt und eine fächerübergreifende Ringvorlesung organisiert zum Thema „Strategien gegen Rassismus und Antisemitismus für Schule, Uni, Beruf und Alltag“. Es sollte um rassistische und antisemitische Ausgrenzungsmechanismen gehen, wobei ein besonderer Fokus auf dem alltäglichen Mechanismus liegen sollte, die den Ausgrenzenden vielleicht noch nicht einmal bewusst sind. Zugrunde lag die Überzeugung, dass, ich zitiere aus dem Konzept „die Klassifizierung von Menschen als anders und fremdartig zur moralischen Absolution für Diskriminierung und Gewalttaten missbraucht werden könne“ Zitatende. Das widerliche Verbrechen von Halle ist ein Beispiel. Es ließen sich leider unzählig andere Beispiele finden und auch die Zustimmungswerte einer gewissen Partei sprechen eine deutliche Sprache. Ljuba Kirjuchina und Christoph Schulte konnten eine beeindruckende Vielfalt namhafter Wissenschaftler:innen aus dem Bereich der Rassismus und Antisemitismus Forschung und aus angrenzenden Gebieten gewinnen. Weil Corona dazwischen kam, musste die Ringvorlesung leider online abgehalten werden, aber dennoch gab es im Wintersemester 2020/21 fast 90 regelmäßige Teilnehmer:innen. Das ist ein deutlicher Beweis für ihre Qualität; die Ringvorlesung hat einen Nerv getroffen. Die Diskussionen waren stellenweise hochemotional und heftig, aber das liegt in der Natur der Sache. Gerade weil es aufwühlt, provoziert, persönlich betrifft ist es so wichtig, dass es eine solche Ringvorlesung an unserer Universität gibt und dass sie fest etabliert wird. Auch dafür haben Christoph und Ljuba gesorgt. Am 19. Mai hat die Universitätsleitung einen Letter of Intent zur Fortführung unterzeichnet. Und mit dem Zentrum für Lehrerbildung wurde eine AG „Diversität und Antidiskriminierung im Lehramtsstudium“ gegründet, um entsprechende Inhalte in den Lehramtsstudiengängen zu etablieren. Wenn das keine Nachhaltigkeit ist… Aber ich habe noch drei weitere gute Nachrichten. Erstens hat die Universitätsleitung die laschen Corona-Maßnahmen mittlerweile angepasst. Zweitens gibt es nun doch einen Biergarten am Bahnhof Sanssouci. Und drittens und vor allem, wird die Ringvorlesung im Sommersemester fortgesetzt. Ich freue mich sehr darauf und bin auf jeden Fall dabei. Danke für eure tolle Initiative. Lieber Christoph und in Abwesenheit auch liebe Ljuba, dir gute Besserung, und ich finde, dass ihr den Preis wirklich verdient habt. Ich gratuliere im Namen aller hier aus ganzem Herzen.
Der diesjährige Inklusionspreis der Universitätsgesellschaft geht an die studentische Initiative Nightline.
Nightline: Das ist, das haben Sie in dem Beitrag wahrscheinlich eben gesehen, ein Zuhörtelefon, das es mittlerweile außer in Potsdam noch an 16 weiteren Städten im deutschsprachigen Raum gibt. Es wurde 1994 in Heidelberg gegründet und die Studierenden sind ehrenamtlich tätig und hören sich die Sorgen ihrer Kommiliton:innen an. Zeigen ihnen, dass da jemand ist, der ihnen zuhört. Dass sie nicht allein sind. Dass da jemand ist, der sie versteht.
Sie sind selber geschult. Sie haben eine Schulung bekommen in klientenzentrierter Gesprächsführung. Das heißt, sie geben keine Ratschläge, sondern sie versuchen, die Anrufer:innen zur Selbstreflexion zu bringen. Das heißt, er soll, in dem er über seine Probleme spricht, neue Erkenntnisse gewinnen und möglicherweise im günstigsten Fall auch zu Lösungen für seine Probleme kommen. Viele dieser Probleme haben etwas zu tun mit Einsamkeit. Das ist etwas, was sicher durch die Corona-Epidemie noch einmal deutlich verstärkt ist. Nightline hilft psychischen Erkrankungen vorzubeugen oder zumindest mal auch die Barriere zur Inanspruchnahme professioneller Hilfe zu senken. Wenn jemand sehr positive Erfahrungen macht, indem er ein solches Zuhörtelefon anruft (und das ist prädestiniert, wenn Studierende für ihre Peers so etwas anbieten), dann macht er positive Erfahrungen und ist eher bereit, auch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Psychische Störungen sind im jungen Erwachsenenalter die chronischen Erkrankungen, die am häufigsten sind auf der einen Seite und auf der anderen Seite auch zum größten Verlust an Lebensqualität führen. Die häufigsten Erkrankungen sind Depressionen. [Sie] sind niemals häufiger (außer im hohen Alter) als zwischen 16 und 25 Jahren. Es sind schwere Angststörungen und bei Studierenden eben häufig auch Prüfungsängste. Alle diese Auffälligkeiten führen dazu, dass ein großer Teil der Betroffenen das Studium nicht abschließt. Die Corona-Epidemie hat da mit Sicherheit zu einer Verschärfung geführt. Es gibt ja die Umfrage des rbb, die gezeigt hat, dass 33 Prozent der Brandenburger sich durch Corona depressiver fühlen. Und das gilt auch für Studierende. Studierende, die sich in der Universität einsamer fühlen. Die nicht wissen, wo sie hingehören, weil der Kontakt zu den Kommilitonen deutlich eingeschränkt ist, insbesondere dann, wenn es sich um Neuimmatrikulierte handelt.
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen, die Studierenden, die dort an den Telefonen sitzen, haben schwierige Situationen zu bewältigen. Dort rufen Kommiliton:innen [und] Kolleg:innen an, die hoffnungslos sind. Die sich auch in objektiv schwierigen Situationen befinden, wo man dann auch das Gefühl hat, man kann nicht helfen oder zumindest nicht so, wie man möchte. Und das führt natürlich auch zu seelischen Belastungen bei denjenigen, die dort arbeiten. Dafür haben sie Supervision. Sie tauschen sich mit erfahrenen Psychotherapeut:innen aus, die ihnen zeigen, wie sie die Probleme der anderen, mit denen sie sich beschäftigen müssen, von sich selber ein Stückchen fernhalten können und auch, wie sie sehen können, dass das, was sie tun, natürlich auch nur begrenzt wirksam sein kann. Auf der anderen Seite das Erlebnis, an einem Abend einem, zwei, drei oder vielleicht sogar vier Kommiliton:innen geholfen zu haben, ist ein tolles Gefühl. Das macht auch in der Psychotherapie eben sehr viel Freude, wenn man sieht, dass man anderen Leuten helfen kann. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass diejenigen, die dort arbeiten, auch für sich selbst ganz viel schöpfen aus ihrer Arbeit mit den Problemen der anderen.
Was ich auch erfahren habe ist, dass diejenigen, die dort tätig sind, den Zusammenhalt in der Gruppe überaus schätzen und sagen, wir sind ein tolles Team, wir arbeiten sehr schön zusammen.
Was kann ich insgesamt sagen? Ich beglückwünsche die Nightline [und] die, die für Nightline stehen. Ich beglückwünsche Sie dafür, dass Sie diesen Preis erhalten, den Inklusionspreis. Und ich beglückwünsche auch die Universitätsgesellschaft für ihre Auswahl, für ihre Wahl der Preisträgerin. Vielen Dank.
Daniela Gebbert ist die erste Inklusionspreisträgerin der Universität Potsdam und hat sich durch ihr soziales Engagement bereits früh ausgezeichnet. Schon nach dem Abitur bewies sie einen Freigeist, der nur durch die Reise ins Ferne und das Erkunden fremder Länder und Kulturen gestillt werden konnte. So zog es sie nach Neuseeland, wo sie sich das erste Mal eigenständig in Berufen mit hohem sozialem Kontakt engagierte.
Während ihrer Zeit an der Universität Potsdam und ihrem Studium in den Fächern Erziehungswissenschaften und Anglistik, baute sie genau diese Fähigkeiten weiter aus. Nebenbei begann sie dann beim Erasmus Student Network Potsdam zu arbeiten, um internationalen Studierenden zu helfen, und ihnen die Zeit an der Universität so angenehm und erfolgreich wie möglich zu gestalten. Als Buddy half sie ihnen, das neue Umfeld zu navigieren, soziale Kontakte zu knüpfen und das Studium in einem fremden Land positiv und produktiv zu gestalten.
Nach ihrem Abschluss fand sie ihr berufliches Glück dann als Sozialarbeiterin für die Arbeit mit Geflüchteten. Sie arbeitet nun mit Geflüchteten aus aller Welt und hilft ihnen, den deutschen Arbeitsmarkt zu navigieren, ihre Sprachkenntnisse weiterauszubauen und den Start in ein neues Leben und Umfeld so nahtlos und greifbar wie möglich zu gestalten. Frau Gebbert bietet den Geflüchteten somit diverse Perspektiven, aber stellt auch gleichzeitig eine verlässliche soziale Stütze für sie dar. Etwas, was sie durch ihre Zeit in Neuseeland, ihr Studium und die Arbeit mit Erasmusstudierenden gelernt hat und nun auch praktisch in die Tat umsetzen kann, um weiterhin anderen zu helfen.
Weitere Informationen zur Preisträgerin finden sie hier
Universität Potsdam
Beauftragter für Studierende mit Behinderung / chronischer Krankheit
Robert Meile
Am Neuen Palais 10
14469 Potsdam
Tel.: +49 331 977-4293
E-Mail: robert.meile@uni-potsdam.de