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Rätsel um eine Topfpflanze – Kustos Dr. Michael Burkart auf Forschungsreise in Ostafrika

Der Botanische Garten der Universität Potsdam, der zu den zehn bedeutendsten in Deutschland zählt, verfügt über herausragende Pflanzensammlungen wie die weltweit größte der Gattung Sansevieria. Eine Schlüsselrolle beim Schutz dieser noch wenig erforschten Pflanzen könnte der Botanische Garten von Sansibar spielen, der mit Potsdamer Unterstützung wiederbelebt wird. Über neueste Entwicklungen berichtet Dr. Michael Burkart, Kustos des Botanischen Gartens in Potsdam, der gerade von einer Forschungsreise nach Sansibar und Tansania zurückgekehrt ist. 

Herr Dr. Burkart, was verbindet Sie mit dieser Region in Ostafrika?

Es gibt viele Verbindungen, darunter auch weniger angenehme wie die deutsche Kolonialgeschichte, aber eben auch viele tolle Erlebnisse, großartige Landschaften, aufregende Forschungsfragen und viele inzwischen sehr liebe Bekanntschaften. Vor allem ist es für unseren Botanischen Garten ein sehr wichtiges Forschungs- und Sammlungsgebiet mit mehreren wichtigen Partnern, Institutionen und Personen.

Seit einigen Jahren engagieren Sie sich für die Wiederbelebung des Botanischen Gartens in Sansibar? Wie geht es hier voran?

Es könnte besser laufen. Der Garten dort ist schön und lohnt auf jeden Fall einen Besuch, und er hat inzwischen auch eine gut sichtbare Beschilderung an der Straße, sodass man ihn finden kann. Es fehlt allerdings seit Längerem schon der entscheidende Schritt von sansibarischer Seite, nämlich die Schaffung und Besetzung einer Personalstelle, um wenigstens Minimalfunktionen eines Botanischen Gartens aufrechtzuerhalten, also das, was einen Botanischen Garten von einem schönen Park unterscheidet. Die gärtnerischen Tätigkeiten werden seit Jahren ganz überwiegend von Ehrenamtlichen übernommen. Es ist der einzige mir bekannte Botanische Garten weltweit, der ehrenamtlich betrieben wird. Das funktioniert nicht schlecht, aber da fehlt sozusagen die Zentrale, eine Person, die fachlich, auch wissenschaftlich, leitet. Die Motivation der Ehrenamtlichen leidet darunter, dass dieses Commitment fehlt, in dem Fall von der städtischen Verwaltung, welcher der Garten gehört, oder ersatzweise auch von einem anderen Akteur.

Worauf kommt es jetzt an? Was sind die nächsten Schritte in der Kooperation? 

Stur bleiben, immer wieder darauf hinweisen und danach fragen sowie mit Behörden und Ministerien Vorschläge für Alternativen diskutieren. Unser Botanischer Garten steht weiterhin zu der Partnerschaft – ich habe gerade wieder ein Päckchen frisch gefräste Namensschilder für ihre Pflanzen hingebracht – und wir würden uns extrem freuen, wenn wir dort fachlich fundierte Partner vorfinden würden. So arbeiten wir mit der Stadtverwaltung, vor allem aber mit der Gruppe der Ehrenamtlichen zusammen und versuchen, beide so gut es geht zu unterstützen.

Ihr besonderes botanisches Interesse gilt auf Ihren Reisen ins östliche Afrika von jeher der Sansevieria. Was reizt sie an dieser Gattung?

Diese Pflanzen, die bei uns auch als Topfpflanzen bekannt sind und hier als langweilig gelten, sind tatsächlich voller wissenschaftlicher Rätsel. Es beginnt schon damit, dass zahlreiche Arten wissenschaftlich bisher gar nicht beschrieben wurden. Aber auch ihre Lebensweise ist nicht gut verstanden. Wir kennen nicht die Blütenbesucher und Bestäuber, nicht die Ausbreiter der Samen, und wir staunen immer wieder, welche Bandbreite an Standorten die Vertreter dieser Gruppe besiedeln. Das geht von knochentrockenen Felsritzen in voller Sonne bis zu wochenlang überfluteten Stellen und dunklen Wäldern. Es besteht außerdem leider erheblicher Handlungsdruck, weil viele der noch nicht beschriebenen Arten nur sehr kleine Verbreitungsgebiete haben und dadurch sowie durch die menschlichen Aktivitäten dort erheblich gefährdet sind. Ohne Beschreibung und wissenschaftlichen Namen kann man im Grunde gar nichts für diese Pflanzen tun. Wir bemühen uns, zusammen mit Partnern vor Ort, sowohl in Sansibar als auch in Arusha auf dem Festland, solche Arten so schnell wie möglich zu beschreiben, damit sie dann einen Gefährdungsstatus zugewiesen bekommen können. Auch das müssen wir selber machen.

Was haben sie bei Ihren Feldforschungen diesmal vorgefunden? Gab es Überraschungen?

Ja, auf Pemba, der Nachbarinsel von Sansibar, die viel grüner und weniger touristisch ist, haben wir etwa zehn bisher unbeschriebene Arten angetroffen, von denen wir vorher nur drei oder vier kannten oder von ihnen gehört hatten – interessanterweise vor allem an Waldstandorten. Leider wachsen mehrere davon im Gebiet geplanter Hotelneubauten. Das ist bitter für den Wald und auch für die Sansevierias. Ein Hotelneubau in Sansibar beginnt immer mit „tabula rasa“, auf der Baustelle wird nicht ein einziger Baum geschont, sondern zuerst alles radikal beseitigt, was lebt.

Haben Sie Exemplare dieser Pflanzen mit nach Potsdam gebracht?     

Wir haben von allem, was wir fanden, versucht, ausreichend Lebendmaterial mitzunehmen, natürlich ohne die Bestände zu schädigen. Das geht meist ganz gut, weil die Pflanzen sich durch Ausläufer fleißig vermehren. Wir haben, wenn das möglich war, jeweils ein Exemplar für den Botanischen Garten in Sansibar, für die nationale Sansevieria-Lebendsammlung in Arusha und für unseren Botanischen Garten mitgenommen. Unsere Sammlung in Potsdam sprengt allerdings allmählich das Glashaus, in dem wir sie kultivieren … Außerdem haben wir meist einen Beleg zum tansanischen Nationalherbarium zur Präparation und Aufbewahrung geschickt, vor allem von den unbeschriebenen Arten, weil man für die Beschreibung solche sogenannten Typus-Exemplare benötigt. Wir haben auch versucht, zusammen mit Einheimischen die Rettung von Pflanzen vorzubereiten, bevor die Baustellen eingerichtet werden. Wir werden sehen, ob das klappt. Noch ist es nicht soweit. Der Botanische Garten in Sansibar kann da eine wichtige Rolle spielen, und auch dafür wäre es extrem gut, wenn dort jemand säße, der sich von Amts wegen kümmern kann.

 

2019 berichtete Dr. Michael Burkart von einer Reise nach Sansibar in einem Online-Tagebuch: https://www.uni-potsdam.de/de/up-entdecken/upaktuell/up-unterwegs-reisetagebuecher/sansibar-2019