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„Das schlimmste Ereignis in Island seit 1973“ – Geoforscherin Prof. Dr. Eva Eibl über die Erdbeben und den drohenden Vulkanausbruch

Ein Mann steht in einer Schneelandschaft mit einem Messgerät in der Hand.
Photo : Eva Eibl

Die Erde bebt, in der Erde tun sich Gräben auf, Straßen reißen auseinander – und dann bricht ein Vulkan aus. Was wie die Handlung eines Katastrophenfilms klingt, ist in Island derzeit Realität. Jedenfalls fast. Seit Ende Oktober wird die Halbinsel Reykjanes südlich der Hauptstadt Reykjavik von Erdbeben erschüttert, teilweise bis zu 1.200 Mal pro Tag. Die Hafenstadt Grindavik wurde bereits evakuiert, die bei Touristen beliebte „Blaue Lagune“ – ein von vulkanischem Thermalwasser gespeistes Bad – geschlossen, weil sich in ihrer Nähe ein 15 Kilometer langer Magmatunnel gebildet hat. Vieles deutet auf einen baldigen Vulkanausbruch hin. Aber ob und wann es dazu kommt, ist schwer zu sagen. Die Potsdamer Geowissenschaftlerin Prof. Dr. Eva Eibl, die zur vulkanischen Aktivität in Island forscht und dort mit Sensoren Langzeitdaten sammelt, war Ende November für Feldarbeiten vor Ort und spricht im Interview über die Lage in Island, die Arbeit im Gefahrengebiet und darüber, was die Wissenschaft aus solchen Ereignissen lernen kann.

Sie kommen gerade aus Island zurück – genau von dort, wo derzeit die Erde bebt. Wie ist die Lage?

Die Lage ist immer noch angespannt. Es gibt weiter Erdbeben auf der Reykjanes-Halbinsel, ein Teil der Halbinsel hebt sich momentan um einen Centimeter pro Tag und es besteht weiterhin die Gefahr, dass es zu einer Eruption kommt. 

Was hat sie nach Island geführt?

Da zwei meiner Sensoren nicht ordentlich funktionierten, hatte ich geplant im Herbst nach Island zu fahren, um diese zurückzubringen, bevor der Boden im Winter gefriert. Dass diese Feldarbeit am Ende zeitlich mit einem Erdbebenschwarm und einer drohenden Eruption zusammenfällt, hat sich dann so ergeben.

Was haben Sie vor Ort gemacht?

Wir sind zu den Stellen gefahren, an denen die Sensoren installiert waren, die nicht ordentlich funktionierten. Wir mussten sie ausgraben und waren froh, dass bei ca. 0 Grad und Schnee zumindest der Boden noch nicht gefroren war. Wir installierten einen neuen Sensor temporär im Svartsengi Kraftwerk, das die Reykjaneshalbinsel und auch den Flughafen mit Strom und Warmwasser versorgt. Das ist in dem Gebiet, das sich immer noch hebt. Da auch andere Forschungsteams vor Ort waren, halfen wir zum Beispiel auch bei einer Gruppe von der Universität Cambridge aus, die zu einer Station fuhr, um Daten in Echtzeit nach Reykjavik an das Monitoring-Institut zu schicken.

Droht akuter Vulkanausbruch? Lässt sich dieses Risiko „beziffern“?

Auch wenn sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vulkanausbruch im Moment jeden Tag verringert, besteht weiterhin die Möglichkeit, dass es dazu kommt. Das kann passieren, wenn z.B. neues Magma aufsteigt oder das in der Kruste sitzende Magma doch noch einen Weg an die Oberfläche findet.

Sind die Ereignisse für Sie als Forscherin ein Glücksfall – oder ein Problem für Ihre Arbeit?

Der aktuelle Vorfall hat Straßen, Infrastruktur und Häuser zerstört. Es ist das schlimmste Ereignis in Island seit der Eruption auf Heimaey 1973, bei der Häuser unter einem Lavastrom begraben wurden. Das hat das Leben der Menschen verändert. Schon seit 2020 wurden die Einwohner von Grindavík häufig von Erdbeben heimgesucht, die zum Teil in den nahegelegenen Eruptionen von 2021, 2022 und 2023 endeten. Das machte ein Leben in Grindavík schwierig, auch wenn es damals noch zu keinen großräumigen Bodenabsenkungen und großen Rissen kam. Mein Mitgefühl gilt den betroffenen Personen.

Werden solche Ereignisse wissenschaftlich begleitet?

Das Icelandic Meteorological Office und die Universität Island sind federführend in der Überwachung solcher geowissenschaftlichen Ereignisse. Erdbeben werden automatisch lokalisiert, die Bodenverformung mit GPS und Satelliten vermessen und Modellierungen durchgeführt, um einzuschätzen, wie die Lage ist. In ersten Moment liegt der Fokus auf dem Monitoring und weniger auf der Forschung, auch wenn solche Ereignisse im Nachgang detailliert von Forschenden aufgearbeitet werden. Das neue Wissen hilft uns zukünftige Ereignisse besser einschätzen zu können.

Wollen Sie demnächst noch einmal hin?

Wir werden im April 2024 das nächste Mal Feldarbeit in Island machen. Dann liegt unser Fokus aber wieder im Osten Islands, wo regelmäßige Fluten von Seen unter dem Gletscher die Infrastruktur und Menschen bedrohen.

Wie geht es für Ihre Arbeit dort weiter?

Meine Sensoren zeichnen die Bodenbewegungen jetzt erstmal autonom auf. Ich hoffe, dass es dieses Jahr zu keiner Eruption mehr in Island kommt. Falls doch, hoffe ich, dass weder Sensoren oder Infrastruktur noch Menschen von einem Lavastrom erwischt werden.

Danke!

Kontakt:

Prof. Dr. Eva Eibl, AG Allgemeine Geophysik
+49 331 977 203102
eva.eibl@uni-potsdam.de