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„Von heute auf morgen digital“ – Dennoch benötigt die Uni bei der Digitalisierung der Verwaltung einen langen Atem

Kanzler der Universität Potsdam, Karsten Gerlof | Foto: Karla Fritze
Photo : Karla Fritze
Kanzler der Universität Potsdam, Karsten Gerlof

Herr Gerlof, sind Sie als Kanzler eher der analoge oder der digitale Typ? Schreiben Sie lieber mal schnell eine E-Mail oder ziehen Sie das persönliche Gespräch vor?

Ich versuche, beide Welten möglichst zu verbinden: Eine Angelegenheit per E-Mail abzuarbeiten oder ein Treffen per Videokonferenz abzuhalten, statt lange Anfahrtswege in Kauf zu nehmen, ist schon praktisch. Aber das kann und soll das persönliche Gespräch nicht ersetzen. Denn das haben wir sicher alle in der Corona-Situation der letzten Monate mehr als einmal schmerzlich vermisst.

Hat Corona in der Ausnahmesituation der Verwaltung den nötigen Schub gegeben, um Prozesse zu digitalisieren?

Corona hat schon einen Schub gegeben, denn es mussten viele Dinge unkonventionell ermöglicht werden, und das ging nur mithilfe digitaler Werkzeuge. Die intensive Nutzung von Videokonferenzen, aber auch die Arbeit mit elektronischen Dokumenten sind gute Beispiele. Aber wir waren auch vor Corona schon auf dem Weg der Digitalisierung. Es existiert eine Vielzahl von Projekten in der Hochschulverwaltung. 2019 haben wir eine eigene Digitalisierungsstrategie für diesen Bereich der Uni festgelegt, und es gibt rechtliche Verpflichtungen, die wir erfüllen müssen, z.B. müssen wir elektronische Rechnungen entgegennehmen und verarbeiten können.

Dann folgten Sofortprogramme und extra Geld – eine aus Ihrer Sicht richtige Mischung, um den Prozess auch über Corona hinaus anzutreiben?

Die Sofortprogramme haben vor allem geholfen, die IT-Infrastruktur zu verbessern, was Hard- und Software angeht – auch im Verwaltungsbereich, aber vor allem, um die Lehrenden bei der Realisierung digitaler Lehrangebote zu unterstützen – für das Sommersemester, was ja sozusagen „von heute auf morgen digital“ wurde, und für das kommende Wintersemester.

Das ist gut und richtig, aber für die Verwaltungsdigitalisierung braucht man einen langen Atem. Das liegt an der Komplexität der Systeme, an der Vielzahl der digital abzubildenden Einzelvorgänge, an rechtlichen  Anforderungen zur Authentizität, Unveränderbarkeit und verlässlichen Archivierung von Verwaltungsvorgängen und elektronischen Akten. Aber auch die damit verbundene Umstellung der Arbeitsweisen braucht Zeit.

Wie gut hat die Universitätsverwaltung im Ausnahmezustand insgesamt gearbeitet?

Es konnten grundsätzlich alle Aufgaben erledigt werden, für viele Angelegenheiten mussten und konnten unkonventionelle Wege gefunden werden. Das ist insgesamt sehr gut, schließlich konnten wir uns auf die Corona-Situation ja nicht umfassend vorbereiten. Das Engagement bei den Beschäftigten innerhalb und außerhalb der Verwaltung war sehr hoch, man hatte den Eindruck, die Krise von außen hat uns alle zusammengeschweißt. Speziell möchte ich übrigens dem Sicherheitswesen der UP ein Kompliment machen, das uns sehr fundiert und pragmatisch dabei beraten hat, wie dieser Ausnahmezustand für alle sicher gestaltet werden und die Verwaltung dennoch arbeitsfähig gehalten werden kann. Und auch dem ZIM ist zu danken, das alle Möglichkeiten genutzt hat, in der Notbetriebsphase im Frühjahr möglichst viele Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice arbeitsfähig zu machen.

In welchen Bereichen ist Homeoffice produktiv und wo ist es eher hinderlich?

Die Erfahrungen mit Homeoffice während der Coronazeit sind insgesamt gut, und ich erwarte, dass es künftig eine deutlich größere Rolle spielt als bisher. Aber zu bedenken ist auch, dass Corona eine Notsituation war und ist und von Beginn an viel improvisiert werden musste, weil es keine Alternative gab. „Homeoffice während Corona“ kann und sollte also nicht mit „Homeoffice im Normalzustand“ gleichgesetzt werden. Ein Beispiel: Die Schließung der Kitas führte dazu, dass viele Beschäftigte mit Kindern  entweder tagsüber neben der Kinderbetreuung unter großem Stress oder sogar abends und nachts zu Uhrzeiten ihre Arbeit gemacht haben, die wir uns in einem Normalzustand wirklich nicht wünschen. Schließlich haben wir eine Fürsorgepflicht für unsere Beschäftigten. Hier müssen wir geeignete Regelungen treffen und auch Grenzen setzen.

Hinzu kommt, dass nach Monaten der Pandemie von vielen zu hören ist, dass sie die „Gespräche auf dem Flur“ vermissen, dass in Abteilungsbesprechungen, die nur per Video geführt werden, bestimmte Themen eben doch nicht abzuhandeln waren, und dass der gemeinsame Spirit langsam zu leiden beginnt. Aus diesen Gründen scheint mir eine gewisse Präsenz schon erforderlich, und es müssen auch einfach organisatorische Anforderungen wie die Vereinbarung von Besprechungsterminen realisierbar bleiben. Wir haben uns im Präsidium vorgenommen, die Erfahrungen mit Homeoffice während der Corona-Krise ab Herbst in Ruhe auszuwerten, gemeinsam mit den Personalräten. Wir möchten dabei möglichst viele positive Erfahrungen in die Zeit nach Corona mitnehmen. Und viele unserer Digitalisierungsprojekte in der Hochschulverwaltung ermöglichen es, immer mehr Arbeiten ortsunabhängig und ohne den Transport vieler Papierakten zu erledigen. Schließlich gehen wir ja davon aus, dass der Megatrend der Digitalisierung deutlich länger anhält als die Corona-Pandemie!

Wird die Digitalisierung das Arbeiten in der Verwaltung nachhaltig verändern? Wo erwarten Sie die größten Veränderungen und warum?

Ach, zu diesem Thema gibt es ganze Sammelbände, da kann ich leider keine abschließende Antwort geben. Aber in jedem Fall sollten wir die zusätzlichen Optionen nutzen, die die Digitalisierung uns bietet. Es wird heute einfach erwartet, um nicht zu sagen, ist schon vielerorts eine Selbstverständlichkeit, dass Arbeitsprozesse online zu bearbeiten sind, da muss eine öffentliche Verwaltung mitziehen. Nach dem Umstellungsaufwand bietet das am Ende auch Erleichterungen für die Verwaltung, beispielsweise wenn Stellenbewerber ihre Daten selbst in eine Onlineplattform eingeben, ohne dass sie jemand abtippen muss – von der Fehleranfälligkeit einer händischen Übertragung mal ganz abgesehen.

Meine Hoffnung ist, dass die digitalen Werkzeuge nicht nur zur Effizienzsteigerung genutzt werden, um noch mehr Verwaltungsvorgänge in kürzerer Zeit durchzuboxen, sondern im Vordergrund die Verbesserung der Qualität steht, sowohl für die Nutzerinnen und Nutzer als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung. Denn die Digitalisierung ermöglicht eine bessere und automatisierte Zugänglichkeit von Informationen sowie eine bessere Datenqualität und viele schnelle Auswertungsmöglichkeiten, so dass die Verwaltungsarbeit und die -entscheidungen auf einer besseren und transparenteren Informationsgrundlage erfolgen können

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2020 „Digitalisierung“ (PDF).

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Online editorial

Sabine Schwarz