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Unterwegs im anatolischen Hochplateau – Tag 8: Von Höhlenluft und Safranduft

Reisetagebuch: Studierende auf Exkursion in der Türkei

Blick in die tief eingeschnittene Schlucht des Araç Flusses im Pontischen Gebirge. Die stufenartigen Hänge am rechten Bildrand dokumentieren die Einschneidung des Flusses als Folge der tektonischen Heraushebung der Region. Foto: Dr. René Dommain
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Blick in die tief eingeschnittene Schlucht des Araç Flusses im Pontischen Gebirge. Die stufenartigen Hänge am rechten Bildrand dokumentieren die Einschneidung des Flusses als Folge der tektonischen Heraushebung der Region. Foto: Dr. René Dommain

Heute setzen wir unsere Reise fort und fahren von Kastamonou immer entlang der Nordanatolischen Verwerfungszone gen Westen bis nach Safranbolu, die Stadt des Safrans.

Der Morgen beginnt mit einer Kletterpartie. Der Aufstieg am steilen Hang wurde mit einem Blick auf eine beeindruckende Felsschlucht belohnt. Hoch oben auf dem Hang können wir das Araç-Tal und den gleichnamigen Fluss überblicken, der sich schluchtenartig in die Kalkgesteine des Erdzeitalters Eozän eingeschnitten hat. Die beeindruckende Schlucht wird mehrmals von Kormoranschwärmen durchflogen; sie lenken uns von den Erklärungen der Betreuer ab. Auch wenn uns die ehemaligen Ablagerungsbedingungen der Gesteine sehr interessieren, müssen wir jetzt zur Kamera greifen und dieses Naturschauspiel festhalten. Nachdem der dritte Schwarm vorbeigezogen ist, wenden wir uns wieder der Entstehungsgeschichte des Tals zu. 

Die Felsschlucht, in die sich der Araç-Fluss im Verlauf der Zeit immer weiter eingeschnitten hat, liefert Indizien, die uns helfen, die jüngere Phase der Gebirgsbildung zu verstehen: In der Schlucht sind verschiedene Höheniveaus der ausgekolkten ehemaligen Flussläufe und Gesteinsmühlen des Araç erkennbar. Während der Hebung des Gebirges erodierte der Fluss in das umliegende Sedimentgestein und formte diese Strukturen, die somit bei Berechnung der Einschneidungs- und Hebungsraten helfen.

Unser nächster Halt ist ein wenige Kilometer nordwestlich von Safranbolu gelegener Canyon. Hier findet ein Kommilitone ein Kalksteinfragment mit Meeresfossilen. Die zentimetergroßen, nahezu kreisrunden Fossilabdrücke stammen von sogenannten Nummuliten, die zwischen dem Beginn des Tertiärs vor 65 Millionen Jahren bis vor etwa 2,6 Millionen Jahren lebten. Die hier gefundenen Arten sind von ihrer Alterstellung gut eingegrenzt und belegen eine erneute Meeresbedeckung der Region vor etwa 50 Millionen Jahren, die aber im Anschluss wieder durch Verformung und Auffaltung abgelöst wurde.

Vor der Abfahrt zum letzten Tagesziel trinken wir noch schnell einen Türk kahvesi (türkischer Kaffee); jede Tasse dieses ausgezeichneten Getränks wird in einem Kupfertopf über glühender Holzkohle gekocht. Als Höhepunkt des Tages besuchen wir die viertlängste Karsthöhle der Türkei, die wie die Flusstäler auf unterschiedlichen Ebenen von oben nach unten durch Hebung und chemische Einwirkung im Kalkstein entstanden ist. Im Gegensatz zur mechanischen Erosion der Flusstäler führten hier jedoch Lösungsprozesse des Kalksteins zu Bildung der Hohlräume. Regenwasser dringt über Risse ins Gestein und löst dieses auf, so bilden sich im Laufe der Zeit Höhlen. Wenn jedoch genügend Kalk im Wasser gelöst ist, kann dieses zur Bildung der typischen Tropfsteine innerhalb einer Höhle führen, wie wir sie hier in allen erdenklichen Größen bestaunen können. Wir lernen, dass Tropfsteine wichtige Klimaarchive darstellen. Wenn ihre Untersuchung mit radiometrischen Datierungsmethoden verknüpft wird, lassen sich die Umweltbedingungen vergangener Epochen studieren. Allerdings dienen abgebrochene Stalagtiten auch der Analyse von Paläo-Erdbeben, die bei bestimmten Erdbeben-Magnituden vom Höhlendach stürzen.

Der Abend in Safranbolu wird durch türkischen Honig versüßt, für dessen Veredelung die Stadt bekannt ist. In der historischen Altstadt beeindrucken uns besonders die alten Fachwerkhäuser, die aufgrund ihrer traditionellen Bauweise aus vertikalen, diagonalen und horizontalen Holzverstrebungen nachweislich den Erdbebenwellen mehrfach standgehalten haben.

Text: Luca Farkas und Sophia Barth
Online gestellt: Agnes Bressa
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde