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Im Dienste der Menschenrechte – Absolventin der Juristischen Fakultät mit Fritz Bauer Studienpreis für Menschenrechte und juristische Zeitgeschichte 2019 ausgezeichnet

Dr. Marie Duclaux de L´Estoille bei der Verleihung des Fritz Bauer Studienpreises für Menschenrechte und juristische Zeitgeschichte 2019. Foto: BMJV/Habig.
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Dr. Marie Duclaux de L´Estoille bei der Verleihung des Fritz Bauer Studienpreises für Menschenrechte und juristische Zeitgeschichte 2019. Foto: BMJV/Habig.

Die Juristin Dr. Marie Duclaux de L´Estoille hat für ihre Doktorarbeit mit dem Titel „Rechtsstrategien zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe“ Fritz Bauer Studienpreis für Menschenrechte und juristische Zeitgeschichte 2019 erhalten. Sie promovierte im Rahmen eines Cotutelle-Verfahrens an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam unter der Betreuung von Prof. Andreas Zimmermann und an der Juristischen Fakultät der Universität Paris 13 Sorbonne Paris Cité unter der Betreuung von Prof. Franck Latty. Nachdem sie 2011 den deutsch-französischen Rechtsstudiengang an der Universität Potsdam und an der Universität Paris Nanterre absolviert hatte, erwarb sie 2012 einen LL.M. an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam mit einer Arbeit zur Übergangsjustiz in Sierra Leone. Matthias Zimmermann sprach mit ihr über die Rechtswissenschaft zwischen Frankreich und Deutschland, den Fritz Bauer Preis und ihre Forschung über Rechtsstrategien zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe.

Herzlichen Glückwunsch zum Fritz Bauer Studienpreis für Menschenrechte und juristische Zeitgeschichte 2019! Kam die Auszeichnung für Sie überraschend?
Dr. Marie Duclaux de L’Estoille: Ich bedanke mich bei Ihnen! Ich war sehr überrascht und geehrt, den Fritz-Bauer-Preis zu erhalten. Fritz Bauer ist in Frankreich durch eine 2016 produzierte Dokumentation mit dem Titel „Generalstaatsanwalt. Nazi-Jäger“ von Catherine Bernstein bekannt. Fritz Bauer war zeit seines Lebens selbst ein entschiedener Gegner der Todesstrafe. Wir müssen uns an Fritz Bauer erinnern und uns von seinem Engagement für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenwürde inspirieren lassen. Fritz Bauer ist sicherlich ein Vorbild für Juristen, aber er muss auch ein Vorbild für uns alle sein.
Es ist auch etwas Besonderes, dass ich gerade als Französin diesen Preis erhalte. Im Lichte des Aachener Vertrages, der ja gerade auch die Förderung integrierter deutsch-französischer Studiengänge vorsieht, stellt dieser Preis ein sehr starkes Signal für die Zukunft der deutsch-französischen Universitätszusammenarbeit dar.  

Sie haben Ihre Dissertation im Cotutelle-Verfahren an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam und an der Juristischen Fakultät der Universität Paris 13 Sorbonne Paris Cité verfasst. Was sind Ihre Erfahrungen mit dieser „Arbeit zwischen den Stühlen“?
Die Einrichtung des Cotutelle-Abkommens und die Organisation einer zweisprachigen Verteidigung waren echte administrative Herausforderungen. Da es nur wenige Präzedenzfälle für zweisprachige internationale Cotutelle-Verfahren gibt, waren wir „auf Sicht“ unterwegs. Ich danke meinem deutschen Doktorvater, Prof. Andreas Zimmermann, wie auch Prof. Frank Latty für ihre Unterstützung in dieser Hinsicht. Aber ich verdanke den Abschluss meiner Arbeit auch der unermüdlichen Arbeit des Verwaltungspersonals der beiden Universitäten, das mir enorm geholfen hat. Vor allem in Potsdam war die Unterstützung von Ullrike Schiller und Dr. Roswitha Schwerdtfeger entscheidend.
Generell war die Cotutelle sehr bereichernd, da ich die Ratschläge und Erkenntnisse zweier Forschungsleiter genießen und mehr als ein Jahr in der Forschung an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam verbringen konnte.  Ich hoffe, dass dieser Preis weitere Französinnen und Franzosen ermutigt, in Deutschland zu studieren, und umgekehrt Deutsche, in Frankreich zu studieren, denn diese Zusammenarbeit bereichert und verbessert uns erheblich.

Sie haben schon zuvor den deutsch-französischen Rechtsstudiengang an der Universität Potsdam und an der Universität Paris Nanterre absolviert. Was hat Sie dazu bewogen?
Ich habe einen integrierten deutsch-französischen Rechtsstudiengang absolviert und die Hälfte meines Studiums in Deutschland an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam verbracht. Ich hatte damit die Möglichkeit und das Privileg, in zwei Ländern, zwei Sprachen und zwei Rechtskulturen zu studieren.

Sie haben zu „Rechtsstrategien zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe“ promoviert. Warum?
Die Aufforderung die Todesstrafe abzuschaffen liegt mir sehr am Herzen, denn ich glaube grundsätzlich, dass die Todesstrafe eine willkürliche Entbehrung des Lebens und eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe darstellt. Rechtlich gesehen verstößt die Todesstrafe gegen Menschenrechtsnormen. Die zahlreichen Initiativen und Bestrebungen von den Staaten, die die Todesstrafe bereits abgeschafft haben und die an die anderen Staaten appellieren, die Todesstrafe abzuschaffen, deuten außerdem darauf hin, dass es einen internationalen politischen Willen gibt, die Abschaffung der Todesstrafe zu fördern. Dies ist ein sehr interessantes Thema für Juristen, an der Grenze zwischen Recht und Politik.

Welche Strategien gibt es?
Die Todesstrafe wird immer enger werdenden rechtlichen Grenzen unterlegt, damit sie letztendlich rechtlich unmöglich wird. Völkerrechtliche Umsetzungsmechanismen werden eingerichtet, um die weltweite Abschaffung der Todesstrafe durchzusetzen. Eine Technik besteht in der normativen Ausdehnung und Verdichtung von Todesstrafbeschränkungen, insbesondere durch das Soft Law Tool und die Technik der Instrumentalisierung der Institutionen des zeitgenössischen Völkerrechts, in der die opportunistischen Instrumente der zwischenstaatlichen Beziehungen und der Zivilgesellschaft genutzt werden.
Die Rechtsstrategien zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe veranschaulichen in diesem Sinne die von Guy de Lacharrière 1983 skizzierte Theorie der „Außenrechtspolitik“ (politique juridique extérieure). Der beschreibt eine sich auf das Völkerrecht beziehende Außenpolitik, die jedoch nicht notwendigerweise durch das Völkerrecht bestimmt ist. Die Rechtsstrategien zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe sind ein Beispiel für „Außenrechtspolitik“ – in dem Sinne, dass Staaten und internationale Organisationen mit dem Ziel handeln, die Normen zur Abschaffung der Todesstrafe weiterzuentwickeln oder effektiver umzusetzen.

Wie erfolgreich sind Sie?
Seit Beginn meiner Doktorarbeit haben Guinea, Nauru, der Kongo, Fidschi und Madagaskar die Todesstrafe abgeschafft. In den Vereinigten Staaten haben auch New Hampshire, Washington, Delaware und Maryland die Todesstrafe abgeschafft.

Denken Sie, dass die Todesstrafe in Rechtsstaaten irgendwann abgeschafft sein wird?
Mehr als 50 Staaten haben noch die Todesstrafe. Einige sind sehr mächtige Staaten, wie China oder die Vereinigten Staaten. Der Kampf gegen die Todesstrafe ist längst noch nicht beendet und muss weitergehen.

Was kann das Recht dazu beitragen?
Es gibt mehrere rechtliche Rahmenbedingungen für die Todesstrafe: die Schwelle der „schwersten Verbrechen“, die Abschaffung der Todesstrafe für Personen unter 18 Jahren und schwangere Frauen, die Rechtsgarantien für diejenigen, denen die Todesstrafe droht, und das Verbot grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und Strafe. Damit die Todesstrafe rechtlich immer weiter eingegrenzt wird, werden diese Beschränkungen weiterentwickelt und erweitert, sodass die Todesstrafe keine rechtliche Existenz mehr haben kann.

Was haben Sie seit der Promotion gemacht? Wie sehen Ihre weiteren Pläne für die Zukunft aus?
 Zum Zeitpunkt der Verteidigung meiner Diplomarbeit war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der juristischen Fakultät der Universität Paris Nanterre tätig. Ich habe Verfassungsrecht und Völkerrecht unterrichtet. Ich arbeite jetzt in der Delegation für europäische und internationale Angelegenheiten des Justizministeriums in Paris. Ich bin in der diplomatischen Abteilung tätig, die hauptsächlich für die Vorbereitung aller Akten zuständig ist, die der Ministerin im Rahmen ihrer europäischen und internationalen Aktivitäten übermittelt werden.

Vielen Dank!

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal 2/2019.

Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Matthias Zimmermann
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde