Skip to main content

Wie Schülerinnen und Schüler Fontane für sich entdecken können

Richtig vermittelt, hat Fontane jungen Menschen viel zu bieten, sagen Martin Leubner und Anna Granacher. Foto: Thomas Roese
Photo :
Richtig vermittelt, hat Fontane jungen Menschen viel zu bieten, sagen Martin Leubner und Anna Granacher. Foto: Thomas Roese

Fontane – ein alter Hut? Mitnichten, findet Martin Leubner. Fontane.200 – ein Fest für literaturbegeisterte Senioren? Keineswegs, sagt seine Mitarbeiterin Anna Granacher. Der Professor für Literaturdidaktik an der Universität Potsdam und seine Mitarbeiterin wissen, was der Autor von „Effi Briest“ und dem „Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ uns heute noch zu geben vermag. Gemeinsam arbeiten sie daran, dass auch die Deutschlehrerinnen und -lehrer von morgen es wissen – und an ihre Schülerinnen und Schüler weitergeben können.

Eine Ballade, ein Gedicht, ein Romanausschnitt – was die Schüler der Potsdamer Gerhart-Hauptmann-Grundschule im Deutschunterricht geboten bekommen, kann man getrost als „volle Packung Fontane“ bezeichnen. Das Werk des vielleicht berühmtesten brandenburgischen Literaten anhand mehrerer kurzer Texte zu vermitteln, ist ein Ansatz, den Leubners Mitarbeiterin Anna Granacher stärker in die Schulen bringen will. „Unser Ziel ist, den Schülern der Sekundarstufe I Fontane über seine Biografie nahezubringen, weniger über die Textsorten. Sie lernen ihn zuerst als Menschen kennen – und dann als Schriftsteller.“ Wer war Fontane? Warum schrieb er den Großteil seiner berühmten Romane erst jenseits der 60? Was tat er vorher? Wie fing er an zu schreiben? „Die Kombination aus der Person Fontane und kurzen Texten kommt bei den Kindern gut an“, sagt Granacher. „Sie können Verbindungen zu ihrer Lebenswelt herstellen und setzen sich durch die Texte auch mit moralischen Werten auseinander, und das überaus produktiv und mit großer Begeisterung.“

Der Erfolg gibt den Didaktikern Recht: Die Schule will die Unterrichtseinheit verstetigen. Und mit der Schulklasse wollen Granacher und die Studierenden einen Fontane-Wandertag machen. Eigentlich hätten sie nach Neuruppin zur großen Fontane-Ausstellung fahren wollen, doch die sei derart begehrt, dass frühestens im Herbst wieder Termine für Schulführungen frei seien. Nun geht es zu einem echten Fontane-Ort: Bornstedt. „Regionalität ist auch für die Schüler ein Thema“, so Granacher. „Dass Fontane über ‚ihr‘ Brandenburg schrieb, motiviert viele besonders.“

Ganz andere Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen – und natürlich Texte – warten auf die Schüler in der Sekundarstufe II. Mit „Effi Briest“ zum Beispiel. Dabei hätten nicht wenige mit der eher langatmigen Art des Erzählens und der vermeintlichen Fremdheit der dargestellten Welt Probleme. „Doch richtig vermittelt, hat der Roman, wie viele andere von Fontane, viel zu bieten“, sagt Martin Leubner. Für den Literaturdidaktiker machen Texte wie „Effi Briest“ die Schüler mit literarischen und kulturellen Traditionen vertraut und trage viel zu ihrem historischen Bewusstsein bei. Auch für heutige Schüler sei mit „Effi Briest“ ein produktiver Wirklichkeitsbezug möglich – aber nur über eine intensive Auseinandersetzung mit den Akteuren. „Wer Fontane gewinnen will, muss an die Figuren ran“, ist sich Leubner sicher. Diese seien keine schablonenhaften Rollenträger, sondern überaus moderne Individuen, die sich aktiv mit ihrer Situation und ihren Problemen auseinandersetzten. „Effi Briest ist weder eine Heldin noch eine moralische Versagerin. Sie versucht, ihr Leben zu verstehen und zu meistern. Und ihr Ehemann ist nicht einfach ‚der Täter‘, der sich der Moral seiner Zeit unterwirft. Er reflektiert sein Handeln – und wird für sein Bekenntnis zu den Regeln der Gesellschaft nicht belohnt“, so Leubner. „Am Verhältnis der beiden lässt sich hervorragend über das Funktionieren und Nicht-Funktionieren von Beziehungen und Lebensentwürfen diskutieren.“

Damit die Schüler entdecken könnten, wie wertvoll und lebensnah Fontanes Texte sind, müssten dies zuvor die angehenden Lehrer an den Hochschulen tun, stellt Leubner klar. „Die Studierenden müssen selbst lernen, bei Fontane das Spannende zu finden“, so der Germanist. „Erst wenn sie wirklich dafür ‚brennen‘, werden sie zu ‚Überzeugungstätern‘ und können ihren Schülern vermitteln, warum es sich für sie lohnt, seine Texte zu lesen.“

Die Studierenden zu „entflammen“, sieht Leubner als Aufgabe seines Teams. In Seminaren, Masterarbeiten und eben auch Praktika, in denen künftige Lehrer unterschiedliche Zugänge erproben, bearbeiten sie Fontane von allen Seiten. Immerhin gilt auch für sein Werk jener Satz, der „Effi Briest“ fest in der Literaturgeschichte verankert: „Das ist ein weites Feld.“


Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Jana Scholz
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde