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Neue Erkenntnisse zum kryptischen seismischen Potenzial blinder Verwerfungen am seismisch aktiven Kontinentalrand von Chile

Marine terraces in the Pichilemu area (Chile)
Foto: Dr. Julius Jara, Drohnenaufnahme

Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Erdbebenforscher mit sogenannten blinden Verwerfungen, da es sich oft um seismisch aktive und sehr gefährliche Strukturen im Untergrund handelt, die noch nicht durch Brüche an der Erdoberfläche bekannt sind und daher auch nicht in Gefährdungsanalysen einbezogen werden konnten. Zerstörerische Erdbeben an bisher unbekannten Störungen in Ridgecrest (Kalifornien), Papatea (Neuseeland) sowie Northridge (Kalifornien) verdeutlichen unsere Wissenslücke im Verständnis dieser kryptischen Strukturen sowie deren großes Potenzial, Erdbeben mit weitreichenden Folgen für Bevölkerung und Infrastruktur zu erzeugen.

Im Gegensatz zu typischen Verwerfungen mit einem deutlich sichtbaren Bruch an der Erdoberfläche kommt es oberhalb der blinden Verwerfungen zu einer Verbiegung der überlagernden Schichten, ein Umstand, den sich Geologen zunutze machen können, um das verborgene seismische Potenzial dieser kryptischen Störungen zu bewerten. In einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature Communications haben Julius Jara-Muñoz, Manfred Strecker aus dem Institut für Geowissenschaften unserer Universität und ihre Ko-Autoren aus Chile, China, Deutschland und Frankreich eine neuartige Methode vorgestellt, um diese verborgenen Störungen besser zu erkennen und ihr seismisches Potenzial abschätzen zu können. Sie untersuchten dafür Küstenterrassen im Umfeld der Pichilemu-Störung in Zentral-Chile, die während vergangener Erdbeben herausgehoben und in der Folgezeit durch mehrfache Störungsaktivität verbogen wurden. Die Pichilemu- Störung weist noch eine weitere Besonderheit auf, denn sie wurde nur wenige Tage nach dem großen Maule-Erdbeben von 2010 möglicherweise durch eine Spannungsübertragung aktiviert. Die subtilen topografischen Änderungen der Landoberfläche im Bereich der verborgenen Störungszone wurden durch LiDAR-Messungen mit Hilfe eines Laserscanners sichtbar gemacht und erlauben Hinweise auf die Lage der Störung im Untergrund. Weiterhin untersuchten die Forscher Sedimente im Umfeld der Pichilemu-Störung, die sie mit Hilfe der Lumineszenz-Altersbestimmung datieren und in einen direkten Zusammenhang mit den Bewegungen der Erdoberfläche an der Störung bringen konnten.

Die Autoren waren somit in der Lage, eine bisher unbekannte, erdbebenaktive Verwerfung zu ermitteln sowie die Stärke und Rekurrenz von Erdbeben an dieser Struktur abzuschätzen. Die in dieser Studie vorgeschlagenen Methoden eröffnen somit neue Möglichkeiten für die detaillierte Kartierung aktiver Störungen und die Bereitstellung fundierter Gefahrenbewertungen mit weitreichenden Auswirkungen auf das Risikomanagement seismisch aktiver Küstenregionen.

Link zur Veröffentlichung:

https://www.nature.com/articles/s41467-022-30754-1

Marine terraces in the Pichilemu area (Chile)
Foto: Dr. Julius Jara, Drohnenaufnahme