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BMBF FOCUS: Finanzielle Unsicherheit, wirtschaftliche Bildung und die Verbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien in digitalen Räumen

Grant 01BA2502

Projektleitung

Prof. Dr. Nina Kolleck (Universität Potsdam)

Tel.: (0331) 977 21 76

E-Mail: kasprzok@uni-potsdam.de

Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen

Dr. Keith Goldstein

Projektbeschreibung 

Antisemitismus in Deutschland wurde lange Zeit als ein historisches Problem dargestellt, doch seit einigen Jahren werden antisemitische Narrative zunehmend verbreitet, insbesondere auch in den sozialen Medien In zeitgenössischen digitalen Öffentlichkeiten tritt Antisemitismus häufig in codierten Formen auf, die explizite Bezüge auf Jüdinnen und Juden vermeiden und stattdessen auf ökonomische und finanzielle Stereotype zurückgreifen. Ziel des vorliegenden Projekts ist es zu verstehen, wie ökonomisch codierte antisemitische Verschwörungsnarrative entstehen, sich verbreiten und Resonanz finden. Wir identifizieren latente Themen und Unterthemen antisemitischer Diskurse in sozialen Medien, bestimmen gängige Codes und analysieren Kommentare sowie Reichweite und Popularität antisemitischer Inhalte.

FOCUS kombiniert zwei empirische Komponenten: 1) bevölkerungsrepräsentative Survey-Daten und 2) öffentliche Inhalte aus sozialen Medien. Der erste Teil des Projekts untersucht anhand einer bundesweit repräsentativen Stichprobe von über 2.000 Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland deren verschwörungstheoretische Vorstellungen über Jüdinnen und Juden sowie damit verbundene Einstellungen. Dabei analysieren wir sowohl individuelle Faktoren (z. B. sozioökonomischer Status, Bildung, Alter, Geschlecht) als auch Mehrebenenkontexte, etwa Unterschiede zwischen dem Aufwachsen in ländlichen und urbanen Räumen. Der zweite Teil des Projekts untersucht TikTok-Videos, in denen antisemitische Narrative sichtbar werden. Mithilfe der offiziellen API werden TikTok-Videos erhoben, die Diskussionen über Jüdinnen und Juden, Israel und Zionismus enthalten. Anschließend wird analysiert, inwiefern diese Inhalte antisemitischer Natur sind. Die Auswertung erfolgt mittels Natural Language Processing (NLP), einer computergestützten linguistischen Analysemethode, mit der Stimmungen und Themen quantitativ bestimmt werden können.

Ausgangspunkt des Projekts ist die Hypothese, dass wirtschaftliche Unsicherheit, wahrgenommene Ungerechtigkeit und Zukunftsängste die Anfälligkeit für antisemitische Verschwörungserzählungen erhöhen können. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass ökonomische und finanzielle Bildung als Schutzfaktor wirkt, indem sie Individuen befähigt, vereinfachten Schuldzuweisungsnarrativen zu widerstehen. FOCUS zielt darauf ab zu erklären, wer ökonomisch codierte antisemitische Narrative übernimmt und verbreitet und warum bestimmte narrative Formen in digitalen Räumen eine besonders hohe Sichtbarkeit und Interaktion erzielen.v