Wenn Schülerinnen und Schüler aus dem Ausland nach Deutschland zuwandern, steht ihnen zumeist die große Herausforderung des Deutscherwerbs bevor. Gleichzeitig bringen sie aber Vorwissen und spezifische Kompetenzen mit, deren schulische Anerkennung ihnen den Weg erleichtern würde, z.B. ihre Sprachen. Wie kann die Schule damit umgehen?
Die Schulgesetze aller Bundesländer sehen das Instrument der sogenannten „Sprachfeststellung“ vor. Mit der Sprachfeststellung wird neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit angeboten, sich ihre Sprachkenntnisse in einer Sprache, die nicht als Fremdsprache in der Schule unterrichtet wird, anerkennen oder auch zertifizieren zu lassen. Mit dieser Anerkennung kann ihnen die Pflicht zur Teilnahme an einem Fremdsprachenunterricht erlassen werden, was ihnen die Möglichkeit gibt, sich stärker auf den Deutscherwerb zu konzentrieren.
Das betrifft Menschen aus vielen Ländern mit sicher Hunderten von Sprachen. Wie lässt sich das umsetzen?
Ja, das betrifft jährlich mehrere Tausend Schülerinnen und Schüler in allen Bundesländern, und es betrifft viele Sprachen. In den Bildungsministerien aller Bundesländer gibt es Fachleute, die mit der Sprachanerkennung betraut sind. Und klar: Es ist eine große Herausforderung, das organisatorisch umzusetzen. So können z.B. nicht alle Sprachen tatsächlich geprüft werden, einfach darum, weil es an Prüfer*innen, an Übersetzer*innen und an Zertifizierungen mangelt.
Wie sind Sie mit dem Thema befasst?
Für unseren Arbeitsbereich ist das Thema wichtig, weil wir die Sprachfeststellung als ein zukunftsträchtiges Instrument zur schulischen Anerkennung von „lebensweltlich“ erworbener Mehrsprachigkeit ansehen. Im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie evaluieren wir derzeit eine Pilotierung einer neuen, stärker zentralisierten Vorgehensweise bei der Sprachfeststellung in Berlin.
Sie haben Anfang November erstmals Akteure und auch Forschende in Potsdam zu einem Workshop zusammengebracht, der sich mit die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Was war das Ziel?
Im Rahmen der Förderung durch den Berliner Senat konnten wir Gelder für eine Fachtagung „Sprachfeststellung in der Erstsprache von Schüler*innen – Chancen und Herausforderungen“ einwerben, die wir am 6. und 7. November durchgeführt haben. Unser Ziel war es, Erfahrungen mit der Umsetzung der Sprachfeststellung aus möglichst vielen Bundesländern zusammenzubringen. Tatsächlich konnten wir die Verantwortlichen aus 14 Bundesländern an einen Tisch bringen und zu einem ungemein spannenden und intensiven Austausch kommen. Das erste Mal überhaupt, seit es die Sprachfeststellung gibt!
Können Sie die Ergebnisse des Workshops kurz zusammenfassen?
Zunächst einmal ergab sich ein atemberaubend diverses Bild, was die Umsetzung des Instruments der Sprachfeststellung in den einzelnen Bundesländern angeht. Das betrifft die Schultypen, in denen eine Sprachfeststellung möglich ist, die Klassenstufe, den Testaufbau, die organisatorische Umsetzung, die angebotenen Sprachen … Wir konnten Best Practice-Beispiele, gemeinsame Bedarfe der Bundesländer und vor allem Bereiche identifizieren, wo eine stärkere Zusammenarbeit der Sache dient. Das betrifft unter anderem den Aufbau eines bundesweiten Pools von Tests, Prüfer*innen und Übersetzer*innen, mit dessen Hilfe sich das Sprachenangebot für die Sprachstandfeststellung erweitern lässt.
Wie geht es weiter?
Wir möchten die Vernetzung vorantreiben; wichtig ist aber auch ein stärkeres Engagement der Bildungsministerkonferenz der Länder in diesem Bereich. Dafür werden wir uns einsetzen.
Weitere Informationen
Zu den Projekten am Arbeitsbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: https://www.uni-potsdam.de/de/daf/projekte-1
Zur Arbeit von Prof. Dr. Christoph Schroeder: https://www.uni-potsdam.de/de/daf/personal/christoph-schroeder
