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Unterwegs in den Anden – 5. März 2019: Die Zwillinge von La Poma

Reisetagebuch: Doktoranden auf Exkursion in Nordwestargentinien

Foto: Gregor Lauer-Dünkelberg.
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Foto: Gregor Lauer-Dünkelberg.

Wir sind in Cachi, der Stadt des Salzes. Cachi bedeutet Salz in der Quechua-Sprache, doch hier sind weit und breit keine Salzablagerungen zu entdecken. Stattdessen sehen wir beim Aufstehen die Nevados de Cachi, die sich direkt hinter unserem Hotel 6000 Meter hoch majestätisch erheben. Die Nevados bestehen aus Granit, der hier vor über 470 Millionen Jahren in die noch älteren metamorphen Gesteine der Puncoviscana-Formation eingedrungen ist.

Nach dem Frühstück geht es um 8 Uhr los, denn wir wollen die Gesteine des Nevado de Cachi erkunden und müssen uns vorher durch die von hohen Cardones (Säulenkakteen) bewachsenen Hänge durcharbeiten. Fernando Hongn, der Sprecher der argentinischen StRATEGy-Gruppe, und Manfred Strecker führen uns entlang eines Weges zum ersten Aufschluss. Wir analysieren den deformierten Granit, der durch die Einwirkung von Druck und Temperaturen um etwa 280 Grad Celsius in zehn Kilometern Tiefe zu einem neuen Gestein verwandelt wurde. Es handelt sich um einen sogenannten Mylonit, der während vergangener Gebirgsbildungsprozesse im Erdzeitalter Ordovizium gebildet wurde. Das Gestein wurde plastisch deformiert und erhielt das typische Gefüge aus kleinen, sich immer wieder vereinigenden Scherbändern und dazwischenliegenden Mineralklasten. Wir analysieren dieses Gefüge im Detail, denn es sind genau diese Zonen ehemaliger Deformation, die auch bei der viel jüngeren Gebirgsbildung der Anden als Schwächezonen fungierten: Hier bildeten sich neue Störungszonen, die bei der Heraushebung der Nevados de Cachi und anderer Gebirgsblöcke der Region aktiviert wurden.

Bei weiteren Beobachtungen weiter nördlich identifizieren wir erneut die bereits im Workshop analysierte Yacoraite-Formation, die durch die tektonische Heraushebung auf Höhen von mehreren Tausend Metern einen Eindruck von der Wirkung des kompressiven tektonischen Spannungsfeldes in den Anden vermittelt. Wir folgen jetzt der „Ruta cuarenta“, der längsten Straße von Argentinien (RN40), die von Patagonien aus durch Halbwüsten, Gebirgstäler und hohe Pässe auf über 4700 Metern bis nach Bolivien führt. Unser Ziel sind die „Gemelos“, die Zwillinge von La Poma, zwei Vulkane aus tiefschwarzen Shoshoniten, die man auf den ersten Blick für reine Basalte halten könnte. Es handelt sich um Gesteine, die allerdings viel mehr Kalium enthalten und Ähnlichkeiten mit den Eruptivgesteinen vulkanischer Inseln haben. Offenbar gelangten sie einst sehr schnell zur Erdoberfläche, ohne bei ihrem Weg durch die Erdkruste Gesteine aufzuschmelzen und chemisch stark verändert zu werden. In den Anden sind die Shoshonite nahezu immer mit tiefgreifenden Verwerfungen, vor allem im angrenzenden Puna-Hochplateau, verbunden. Es wird vermutet, dass die Verwerfungen im oberen Teil der Erdkruste Wegsamkeiten für die Magmen bilden, die aus dem Erdmantel an die Erdoberfläche streben. Auch hier sind die Vulkane direkt an einer Störung angesiedelt. Die aus den Vulkanen austretenden Lavaströme bewegten sich talabwärts und stauten einen Fluss auf, der daraufhin lokal Sedimente sowie Pflanzenmaterial ablagerte. Dieses organische Material wurde mithilfe der Radiokarbon-Methode auf 30.000 Jahre datiert – auf geologischen Zeitskalen betrachtet also gestern.

Am frühen Nachmittag stärken wir uns mit Ziegenkäse aus der Region, Oliven und Tomaten und laben uns am mitgebrachten kalten Wasser. Wir sind auf über 3000 Metern Höhe durch die extreme Sonneneinstrahlung und unsere Wanderungen sehr durstig geworden. Wir diskutieren das Erdbeben von La Poma, dessen katastrophale Auswirkungen von der lokalen Bevölkerung als unausweichliches Naturereignis empfunden wurden und das heute immer noch Anlass für religiöse Prozessionen und Bittgottesdienste ist. Wir sehen an dieser Kette von Ereignissen und Erfahrungen, wie wichtig die Kommunikation von wissenschaftlichen Ergebnissen für die Einwohner, Politiker und Verwaltungen solcher gefährdeten Regionen ist. Nach dem Mittagessen machen wir uns auf den Rückweg, denn wir wollen am Spätnachmittag noch weitere Vorträge der Teilnehmer hören und unsere Eindrücke diskutieren.
Am Abend essen wir gebratenes Ziegenfleisch mit Papines Andinos, kleinen wohlschmeckenden Kartoffeln aus dem Hochland. Die Vegetarier unter uns ziehen gebratene Pfannkuchen aus Quinoa vor, das ebenfalls aus der Hochlandregion stammt. Und noch während wir über die vielfältigen Eindrücken dieses Tages sprechen, freuen wir uns schon auf das nächste Abenteuer am kommenden Morgen, unsere Fahrt auf das andine Puna-Hochplateau.

Hintergrundinformationen zur Reise der Potsdamer Geowissenschaftler

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Text: Marisa Repasch, Gregor Lauer-Dünkelberg
Online gestellt: Marieke Bäumer
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde