Maja ist eine von rund 20 Juniorstudierenden, die im Wintersemester 2024/25 in unterschiedliche Studienfächer hineingeschnuppert haben. Anders als die sehr gute Schülerin, die ihre Freizeit füllen wollte, fand Theodor Lehmann den normalen Schulunterricht langweilig. Der 17-Jährige reiste für dieselbe Jura-Vorlesung aus Berlin-Neukölln an, wo er derzeit das Gymnasium besucht und bald Abi macht. „Ich bin ein durchschnittlicher Schüler, habe aber entschieden, noch etwas anderes zu machen und mich weiterzubilden. Ich möchte nachmittags lieber zur Vorlesung als Netflix schauen.“
Vielseitig interessiert
Die Uni Potsdam bietet das Juniorstudium bereits seit 2012 an. Mittlerweile habe sich die Anzahl der nach einem Bewerbungsverfahren zugelassenen Schülerinnen und Schüler ab der 10. Klasse verdoppelt, sagt Bettina Hertrich, Hauptansprechpartnerin in der Zentralen Studienberatung. „Das sind nicht alles Einser-Kandidat*innen, aber vielseitig interessierte Personen mit stabilen schulischen Leistungen.“ Manche kommen aus Potsdam oder Berlin, einige reisen von weither aus Brandenburg an. „Ein Schüler kam sogar aus Dresden, weil er unbedingt die Lehrveranstaltungen einer bestimmten Professorin besuchen wollte.“
Sich der Uni annähern: Das war für Max Pfleiderer ein wichtiges Ziel: „Ich wollte wissen, wie es das Studieren wirklich ist.“ Der 18-Jährige wohnt in Potsdam. Durch ein erstes Juniorstudium vor zwei Jahren im Fach Volkswirtschaftslehre und jetzt in „Wirtschaft, Arbeit, Technik“ habe er die verschiedenen Standorte kennengelernt. Seine wichtigste Erkenntnis: „Ein riesiges Thema wie Mikroökonomie nicht alleine zu bewältigen, sondern mit anderen zusammen zu lernen. Nur so konnte ich mathematisch einigermaßen mithalten.“ Solche Tipps gibt es auch von den Tutor*innen höherer Semester, die den jungen Studierenden das Einleben erleichtern. Zusätzliche Unterstützung erhalten sie in Feedbackgesprächen bei der Zentralen Studienberatung.
Je nach Fachrichtung sieht das Juniorstudium, das weder eine reguläre Immatrikulation noch Semestergebühren erfordert, eine unterschiedliche Anzahl von Lehrveranstaltungen vor. Das Minimum ist – etwa bei den Historikern – eine Vorlesung. In naturwissenschaftlichen Fächern liegt der Aufwand mit zwei Vorlesungen, einer Übung und einem Tutorium pro Woche deutlich höher.
Die Art der Lehrveranstaltung beeinflusst wesentlich, was die Neuankömmlinge erleben. Theodor etwa saß mit rund 400 Leuten in der Jura-Vorlesung. „Das ist ein ganz anderes Klima als in einer Klasse mit 30 Schülern. Der Professor kennt deinen Namen und dein Gesicht nicht. Und dem ist es auch egal, ob du kommst.“ Viel stärker eingebunden war Linda Fiona Zeidler. Die 18-Jährige, die in Lichtenberg lebt und in Charlottenburg eine Schule mit Schwerpunkt Psychologie und Pädagogik besucht, hat außer an einer Soziologie-Vorlesung auch an einem Seminar teilgenommen – und ein Referat gehalten: „Jetzt steht noch eine Hausarbeit an, dann habe ich bestanden.“
Uni, Schule und Freizeit unter einem Hut
Dadurch habe sie einerseits viele Kontakte knüpfen können, andererseits neben der Schule einen höheren Arbeitsaufwand gehabt: „Ich musste für das Seminar nacharbeiten und außerdem das Referat vorbereiten, erzählt sie. „Das war aber gut zu bewältigen.“ Wichtiger sei allerdings die Erfahrung gewesen, dass man an der Uni viel selbstständiger lernen muss. Auch Theodor hat die Jura-Vorlesung selbst nicht als große zusätzliche Belastung empfunden. Allerdings müsse er jetzt für die Klausur lernen – statt für die Schule.
Die universitären Lehrveranstaltungen lassen sich meist gut mit dem Schulunterricht verbinden. Nur Max berichtet von zeitlichen Überschneidungen mit der Schule, aber auch mit seinen Verpflichtungen in der Freizeit: „Ich hatte dienstags von 12 bis 16 Uhr erst eine Vorlesung, dann eine Übung“, erzählt er. „Ich bin in meinem Verein als Tischtennistrainer aktiv und spiele selbst viermal die Woche. Wenn ich nach Hause kam, war ich fix und fertig. Die Herausforderung hat sich aber gelohnt.“
Entscheidend sei ein gutes Zeitmanagement, sagt Linda: „Die Bahnfahrt wird genutzt zum Lesen für das Seminar. Hier hast Du eine Ecke zum Schlafen, hier zum Essen. Der Terminkalender wurde immer voller und strukturierter. In unserem Alter und auch im Vergleich mit anderen Schülern und Schülerinnen ist das verrückt.“ Das soziale Umfeld reagiere zwar überwiegend positiv. Allerdings habe sie ihren Freunden erst spät vom Uni-Besuch erzählt: „Nach einer Weile fand ich es Unsinn zu sagen: Ich muss noch wohin.“ Mit den neuen Campus-Erfahrungen hält auch Maja sich ein wenig zurück: „Mir ist das manchmal ein bisschen unangenehm. Vielleicht denken andere, ich gebe damit an.“
Türenöffner Juniorstudium
Im Sommersemester 2025 wollen alle weitermachen. „Ich habe im April keinen Schulunterricht mehr, nur noch die Abi-Prüfungen. Dann kann ich sogar mehr Veranstaltungen besuchen“, sagt Theodor. Und Maja, die noch zwei Schuljahre vor sich hat, möchte gerne die nächsten beiden Semester an der Uni bleiben. „Bisher hat mich arbeitstechnisch nichts mehr erfüllt als Jura. Das ist das, was ich später machen möchte. Durch diese Erkenntnis bin ich selbstbewusster geworden.“
Linda hat sich bereits entschlossen, nach dem Abitur an der Uni Potsdam zu bleiben und Soziologie zu studieren. Vorausgesetzt, sie bekommt ein Stipendium. In der Vergangenheit unterstützte Oliver Günther als Präsident der Universität Potsdam ausgewählte Juniorstudierende mit einem Empfehlungsschreiben, betont Bettina Hertrich. „Das Juniorstudium kann Türen öffnen. Man muss allerdings hindurchgehen.“
Das Juniorstudium an der Uni Potsdam vermittelt Schüler*innen ab der 10. Klasse einen ersten Eindruck vom gewünschten Studienfach und auch vom Alltag an der Uni. Bewerbungen für das kostenlose Angebot sind ab 1. Mai 2025 zum Wintersemester 2025/26 möglich.
https://www.uni-potsdam.de/de/studium/studienangebot/juniorstudium
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2025 „Kinder“.