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„Den Wandel mitgestalten“ – Isabelle Penning erklärt, was das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik leisten kann und wie es sich mit dem Anliegen der Inklusion verbinden lässt

Porträtfoto von Isabelle Penning
Foto : Tobias Hopfgarten
Prof. Dr. Isabelle Penning, Professorin für Didaktik der ökonomisch-technischen Bildung im inklusiven Kontext, Förderschwerpunkt kognitive Entwicklung in der Sekundarstufe I

Ein Fahrrad reparieren oder eine Steuererklärung machen? Fähigkeiten, die alle beherrschen sollten. Eigentlich. Dass aber die meisten Menschen große Bildungslücken haben, wenn es um Technik-, Ökonomie- und Verbraucherwissen geht, hat sich herumgesprochen. Die große Aufgabe, das zu ändern, kommt u.a. dem Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik zu, das in Berlin und Brandenburg unterrichtet wird. Isabelle Penning, seit 2021 Professorin für Didaktik der ökonomisch-technischen Bildung im inklusiven Kontext, Förderschwerpunkt kognitive Entwicklung in der Sekundarstufe I, spricht im Interview über die Aufgaben und Möglichkeiten des Faches, Schülerfirmen als praxisnahes Lehrformat und ihre Idee eines MakerLabs.

Womit beschäftigt sich die Didaktik der ökonomisch-technischen Bildung – und welche Aufgabe hat sie speziell im inklusiven Kontext?

In Brandenburg wurde lange Zeit versäumt, Lehrkräfte im Bereich Inklusion auszubilden, obwohl dies ein zentrales gesellschaftliches Ziel ist. Meine Professur an der Universität Potsdam, an der ich an der Schnittstelle zwischen Fachdidaktik und Förderpädagogik arbeite, zielt darauf ab, diesen Mangel zu korrigieren – und stellt damit bundesweit ein Novum dar, da diese strukturell angelegte Verknüpfung von Förderpädagogik und Fachdidaktiken aktuell lediglich an der Universität Potsdam über mehrere Professuren realisiert wird. Das Fach Wirtschaft – Arbeit – Technik (WAT) hat zwar seinen Schwerpunkt in Berlin und Brandenburg, aber das dahinterstehende Anliegen, junge Menschen unter anderem in technischen Fragen praxisnah auszubilden, findet sich in Lehrplänen bundesweit. Sie sollen die großen Herausforderungen und Veränderungen, vor denen wir stehen wie Klimawandel, Digitalisierung uvm., mitgestalten können, anstatt ihnen von der Seitenlinie aus zusehen zu müssen.

 

Könnten Sie uns mehr über die verschiedenen Module im aktuellen Curriculum des Unterrichtsfaches WAT erzählen?

Dazu gehört viel: Es geht darum, ökonomische und technische Bildung sowie Ernährungs- und Verbraucherkompetenzen zu vermitteln und bei der Beruflichen Orientierung zu unterstützen. Sie lernen also ökonomische Zusammenhänge zu (er)kennen und sich in ihnen zurechtzufinden. Außerdem erfahren die Schülerinnen und Schüler beispielsweise, wie aus einer Idee ein Produkt wird, und können Fertigungsprozesse an Maschinen selbst sach- und sicherheitsgerecht durchführen. Dabei ist es wichtig, mit ihnen auch die größeren Zusammenhänge zu reflektieren: Wenn es beispielsweise darum geht, selbst eine Brücke zu konstruieren, sollte die eigene technische Lösung mit real existierenden Bauweisen vergleichen werden und auch ein weiterführender Blick auf die Verkehrsplanung und -wende lohnt sich. Im weiteren Schwerpunkt geht es um Verbraucherthemen wie Ernährung, Datenschutz oder Online-Shopping. Die Berufliche Orientierung soll den Kindern und Jugendlichen dabei unterstützen, ihre Talente zu finden, damit sie ihren individuellen Weg gehen können. Die Herausforderung besteht darin, diese thematische Vielfalt in einem integrativen Fach miteinander zu verbinden. Wir möchten sicherstellen, dass die Schülerinnen und Schüler in allen fachlichen Perspektiven gebildet werden und das Potential der Lebensweltnähe und der Handlungsorientierung des Faches ausgeschöpft wird. Entsprechend des Grundsatzes „hands on - minds on“ geht das nur über eine fachliche Einbettung und Reflexion von fachpraktischen Unterrichtsphasen.

 

Was kann die ökonomisch-technische Bildung für die Aufgabe der Inklusion leisten?

Es ist eher umgekehrt: Wie kann ein inklusiver Fokus die ökonomisch-technische Bildung erfolgreicher machen: Denn bislang berücksichtigt diese die Heterogenität im Klassenraum kaum. Das lässt sich ändern, wenn man inklusive Lernsettings schafft. Diese sind darauf ausgerichtet, heterogene Gruppen so zu gestalten, dass sie für alle funktionieren. Lässt sich eine Fahrradreparatur so aufbereiten, dass alle sie gleichermaßen verstehen? Wie können Materialien – mit förderpädagogischem Blick – u.a. in verschiedenen Schwierigkeitsstufen erarbeitet werden?

Wir sind noch ein relativ junges Fach und haben keine lange Forschungstradition. Mein Ziel ist es, gemeinsam mit anderen Forschenden und Studierenden diese Lücke zu füllen und innovative Ansätze zu entwickeln. Dafür will ich ein Lehr-Lern-Labor – eine Art inklusives MakerLab – aufbauen, in dem ich speziell die technische Bildung inklusiv weiterdenken möchte. Dort könnten wir konkrete Entwicklungen mit Schulklassen erprobt und begleitet werden. Ein Beispiel wäre die sprachsensible Umsetzung von technischer und nachhaltiger Bildung, bei der wir Materialien kritisch betrachten und sprachliche Modellierungstechniken einsetzen, um die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen.

 

Eines Ihrer Steckenpferde sind Schülerfirmen. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Schülerfirmen sind interessant, da sie einen integrativen Ansatz im Fach ermöglichen. Sie bieten die Möglichkeit, betriebswirtschaftliche Aspekte mit den Interessen der Schülerinnen und Schüler zu verknüpfen und damit zahlreiche fachliche und überfachliche Kompetenzen zu fördern. In Berlin und Brandenburg gibt es eine lange Tradition von Schülerfirmen, und sie sind besonders für Schülerinnen und Schüler, die von Abschlussschwierigkeiten betroffen sind, eine motivierende Erfahrung. Die Vielfalt reicht von klassischen Angeboten im Ernährungsbereich wie einem Schulkiosk bis hin zu innovativen Projekten.

Wichtige Erkenntnis der ersten Schülerfirma – ebenfalls für Catering –, die ich an einer Förderschule aufgebaut und betreut habe: Es ist herausfordernd und hierfür reicht kaum der enge zeitlichen Rahmen eines Unterrichtsfachs. Damit die Schülerinnen und Schüler davon profitieren und auch etwas lernen, muss man schon viel investieren. Wir haben viel Engagement reingesteckt, um Marktanalysen zu erstellen, Strukturen und Geschäftsprozesse aufzubauen, sodass es allein ein halbes Jahr gedauert hat, ehe wir an den Start gehen konnten. Aber es hat sich gelohnt!

 

Im September 2023 haben Sie eine Tagung in Potsdam organisiert, die den „Beitrag der Arbeitsbezogenen und Technischen Bildung“ für eine „Teilhabe an gesellschaftlicher Transformation“ diskutiert hat. Worum ging es dabei?

Antwort: Wir erleben starke Transformationen in verschiedenen Bereichen wie Klimawandel, demografischer Wandel und digitale Entwicklungen. Die Idee war, dass Menschen sich angesichts dieser Veränderungen oft ohnmächtig fühlen und wenig Möglichkeiten zur Teilhabe sehen. Die Tagung hat erörtert, wie arbeitsbezogene und technische Bildung dazu beitragen können, diese Teilhabe zu fördern.

 

Was können arbeitsbezogene und technische Bildung dabei konkret leisten?

Das lässt sich anhand der technischen Bildung erläutern. Viele Menschen sind eher Nutzende von Technologie, verstehen aber die Prozesse dahinter nicht. Hier setzen wir an, indem wir Schülerinnen und Schüler dazu anregen, Technik nicht nur zu verwenden, sondern auch zu gestalten. Arbeitsbezogene und technische Bildung kann dabei helfen, Selbstbestimmungsrechte zu stärken und Menschen zu befähigen, Technik zu verstehen, zu bewerten oder auch selbst zu konstruieren. Das lässt sich schon an einfachen Beispielen einüben: Wenn es etwa darum geht, für ein Haustier ein Spielzeug zu entwerfen – das kann eine einfache Papprolle sein, aber auch ein komplexes technisches Gerät. Viele verstehen dann: Technik ist nicht einfach da, sie wird von Menschen gemacht, um Probleme zu lösen und kann auch von ihnen (selbst) entwickelt und beeinflusst werden.

 

Die Konferenz war die gemeinsame Jahrestagung der Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Technische Bildung (DGTB) und Gesellschaft für Arbeit, Technik und Wirtschaft im Unterricht (GATWU). Was verbindet und trennt diese beiden Gesellschaften?

Die Geschichte dieser Fachgesellschaften zeigt, dass sie verschiedene Teilbereiche abdecken, aber beide wollen und können durch ihre Ansätze zur Mündigkeit einen Beitrag zur Gestaltung von Transformation leisten. Die gemeinsame Tagung sollte dafür auch thematische Verbindungen herzustellen. Es ist wichtig, Lehrkräfte, Forschende und Studierende einzubeziehen, um eine breite Perspektive und einen Praxisbezug zu gewährleisten.

 

Sie sind seit knapp zwei Jahren an der Universität Potsdam.Was haben Sie sich für die kommenden Jahre vorgenommen?

Nächstes Ziel ist die Einrichtung des Lehr-Lern-Labors – eine aufregende Möglichkeit, die technische Bildung an der Universität weiterzuentwickeln. Ein solches Lehr-Lernlabor kann dazu beitragen, die verschiedenen Facetten unseres Faches zusammenzubringen, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten der Uni zu fördern. Eine offene Werkstatt, in der sich auch alle Angehörigen der Universität Potsdam und Gäste ausprobieren und mitdiskutieren können, was mit technischer Bildung möglich ist, könnte tolle Impulse bringen.

 

Danke!

 

Weitere Informationen:
https://www.uni-potsdam.de/de/wat/index/professur-didaktik-der-oekonomisch-technischen-bildung-im-inklusiven-kontext