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Aus dem All und der Luft, mit Laser und Neutronen – Moderne Sensortechnologien helfen dabei, die Erde immer besser zu verstehen

3D-Punktwolkenmodell des Campus Golm
Hangrutschung
Fertige Installation, im Hintergrund ein Gebirge westlich von Skeidararsandur
Flug über Messfeld mit CRNS-Sonden
Foto : Prof. Dr. Bodo Bookhagen
3D-Punktwolkenmodell des Campus Golm
Foto : Prof. Dr. Oliver Korup
Hangrutschung
Foto : Prof. Dr. Eva Eibl
Fertige Installation, im Hintergrund ein Gebirge westlich von Skeidararsandur
Foto : ZIM
Flug über Messfeld mit CRNS-Sonden

Archimedes kam auf das Gesetz des hydrostatischen Auftriebs, weil er selbst seine Badewanne zum Überlaufen brachte, Isaac Newton soll das allgemeine Gravitationsgesetz „mithilfe“ eines Apfels entdeckt haben, und Galileo Galilei sah dank eines einfachen Fernrohrs, dass die Milchstraße aus unzähligen Sternen besteht. Doch die Zeiten, in denen Wissenschaft mit einfachen technischen Hilfsmitteln auskam, sind Vergangenheit. Inzwischen vermessen Forschende die Welt und was sie bewegt, mit allem, was der technologische Fortschritt hergibt. Eine fotografische Feldstudie bei den Geo- und Umweltwissenschaften:

Prof. Dr. Bodo Bookhagen,

Professor für geologische Fernerkundung: Lidar, Radar und optische Kameras

Welche sensorischen Methoden setzen Sie für Ihre Forschungsarbeit ein?

Wir nutzen Lidar, Radar und optische Kameras.

Was zeichnet sie aus?

Lidar – kurz für Light Detection and Ranging – sind rotierende Lasergeräte, die auf Flugzeugen, Drohnen oder auch auf dem Boden eingesetzt werden können. An der Universität Potsdam verwenden wir terrestrische Geräte, die in der Lage sind, die Erdoberfläche millimetergenau zu vermessen, und dabei z.B. sogar Kiesel unterscheiden und Korngrößen detektieren können.

Satellitengestützte Radaraufnahmen der Sentinelsatelliten erlauben uns, die Erdoberfläche millimeterbis zentimetergenau zu erfassen und z.B. Versätze nach Erdbeben oder von sich langsam abwärtsbewegenden Bergstürzen zu machen. Hier arbeiten wir insbesondere in den Zentralanden und schauen uns die Auswirkungen der letzten großen Erdbeben wie z.B. im November 2020 oder langsame Bergstürze an, die mit mehreren Zentimetern bis Dezimetern pro Jahr abwärts kriechen.

Beide Geräte – Lidar und Radar – sind bislang noch relativ schwer und werden deshalb meist nicht auf Drohnen eingesetzt. In fünf Jahren kann sich das aber bereits ändern. Für Drohnenaufnahmen verwenden wir meist optische Kameras, die im blauen, grünen, roten und auch nah-infraroten Spektrum arbeiten. Mit den stark überlappenden Aufnahmen können wir 3D-Modelle der Erdoberfläche erstellen. Diese sind zwar nicht immer ganz so genau wie mit Lidardaten, dafür sind die geografischen Einsatzbereiche wesentlich flexibler.

Sowohl Lidardaten als auch optische Drohnenaufnahmen erlauben die Erstellung von sogenannten Punktwolken, also 3D-Darstellungen. Mit deren Hilfe detektieren wir zum Beispiel Vegetation und Biomasse, dokumentieren Erdrutsche, erfassen Veränderungen insbesondere nach Fluten. Wir verwenden diese zentimetergenauen Höhenmodelle auch zur Kartierung von tektonischen Zerreiß- oder Bruchstellen im Gestein sowie langsamer tektonischer Deformation, die auf dekadischen Zeitskalen eine wichtige Rolle bei der Landschaftsentwicklung spielen.

In welchen Projekten arbeiten Sie aktuell damit?

Aktuell laufen Projekte in den Zentralanden, im Himalaya, in Zentralasien und in Namibia. Für viele Analysen entwickeln wir Algorithmen, was zum größten Teil in Golm stattfindet.

Prof. Dr. Eva Eibl,

Juniorprofessorin für allgemeine Geophysik: Seismometer und Rotationssensoren

Welche sensorischen Methoden setzen Sie für Ihre Forschungsarbeit ein?

Für meine Forschungsarbeit verwenden wir Seismometer und Rotationssensoren.

Was zeichnet sie aus?

Diese Instrumente messen die Bodenbewegung an einem Punkt. Um sie vor starken Temperaturschwankungen oder Störgeräuschen durch Wind zu schützen, vergraben wir die Instrumente meistens ca. 20 bis 50 Zentimeter tief. Seismometer sind sehr empfindliche Instrumente und können auch Bodenbewegungen von der Dicke eines menschlichen Haares problemlos aufzeichnen. Wir messen die Bodenbewegung damit entlang dreier Achsen (x, y, z). Rotationssensoren messen die Rotation um dieselben drei Achsen. Wir „hören“ mit beiden Instrumententypen Prozesse im Untergrund, die Erdbeben oder auch länger andauernde Signale wie Tremor erzeugen.

In welchen Projekten arbeiten Sie aktuell damit?

Wir analysieren aktuell seismologische Signale, die von Flutwellen in Island erzeugt werden, um zu verstehen, wie sie sich bewegen und welche physikalischen Prozesse sie begleiten. Fluten, die sich unter dem Eis bewegen, erzeugen schwache seismische Signale. Um diese besser zu „sehen“, installieren wir mehrere Seismometer in Abständen von 300 bis 1000 Metern als sogenannter Array. Wir können die Bodenbewegungen dann überlagern und damit das Signal verstärken und das Rauschen abschwächen. Wir sind damit außerdem in der Lage, die Richtung des Signals zu bestimmen und den Prozess örtlich zu verfolgen. Wir verwenden Arrays, um die seismischen Signale, die von Fluten unter dem Eis erzeugt werden, besser zu verstehen. Da diese Prozesse unter einer dicken Eisschicht ablaufen, ist das die einzige Möglichkeit zu verstehen, wie eine Flut startet, wie sich das Wasser fortbewegt oder wie es mit Hindernissen umgeht. Wir vermuten, dass diese Signale uns verraten, wie das Eis spröde bricht, wenn das Wasser sich einen Weg bahnt und das Eis ca. einen Meter anhebt. Der angehobene Bereich ist dabei in manchen Bereichen bis zu 40 Kilometer lang und acht Kilometer breit und die Anhebung dauert in manchen Fällen auch eine Woche. Das Vorland kann dann von einem Abfluss mit bis zu 3000 Kubikmeter pro Sekunde überschwemmt werden. Auch im Fluss (außerhalb vom Gletscher) haben wir kürzlich Signale durch Stromschnellen entdeckt, die stärker werden, wenn der Abfluss ansteigt. Näher am Fluss würde man vermutlich auch Signale durch das transportierte Material, Sand und Gestein, aufzeichnen. So nah, wären die Instrumente aber evtl. gefährdet und da es meistens mehr als einen See gibt, der eine Flut erzeugen könnte, und den wir überwachen wollen, sind unsere Instrumente eher etwas entfernter vom Fluss, aber strategisch günstig zu den verursachenden Seen.

Prof. Dr. Oliver Korup,

Professor für Naturgefahren: Satelliten- und Drohnenaufnahmen

Welche sensorischen Methoden setzen Sie für Ihre Forschungsarbeit ein?

Wir benutzen häufig satellitengestützte Daten, die die Erdoberfläche bis auf wenige Meter genau auflösen. Satelliten- und Drohnenaufnahmen sind mittlerweile unentbehrlich, um einzelne Hangrutschungen genau zu kartieren oder viele Tausend flächenhaft zu erfassen. Satellitenaufnahmen verwenden wir auch häufig, um zu identifizieren, welche Gebiete mit Vegetation bedeckt oder von Menschen genutzt werden. Um herauszufinden, ob Hangrutschungen infolge des rapiden Klimawandels generell häufiger auftreten oder größere Flächen betreffen, greifen wir auch verstärkt auf Temperatur- und Niederschlagsdaten zurück. Oft geben uns räumliche und zeitliche Muster von dokumentierten Hangrutschungen Hinweise auf deren Auslöser oder Ursachen. Ein Teil unserer Forschung ist es also, diese Muster so gut zu verstehen, dass wir in der Lage sind, belastbare Vorhersagen zu machen, wann und wo Hänge zukünftig instabil werden.

Was zeichnet sie aus?

Wir benutzen angesichts der zunehmenden Fülle von Erdbeobachtungsdaten verstärkt statistische Modelle, die einerseits stark von diesen Beobachtungen geleitet werden. Andererseits sind die Modelle aber auch in der Lage, die Verlässlichkeit von Vorhersagen einfach zu vermitteln. Wie auch in vielen anderen Bereichen spielt Künstliche Intelligenz hier eine zunehmend wichtige Rolle, z.B. wenn es um die automatische und möglichst rasche Kartierung von Katastrophengebieten geht. Hier können datengetriebene Modelle aufwendige Geländearbeiten unterstützen oder zielgerichtet informieren. Letztlich haben wir es bei Hangrutschungen mit einer weitverbreiteten, lokal aber doch sehr seltenen Naturgefahr zu tun, und Datenmodelle helfen uns hier zu einer objektiveren Einschätzung von Risiken.

In welchen Projekten arbeiten Sie aktuell damit?

Derzeit arbeiten wir an Studien, ob und wie sich das Auftreten von Hangrutschungen infolge von Niederschlägen im städtischen Raum von ländlichen Gebieten unterscheidet. Urbane Räume sind geprägt von einer starken Umgestaltung der Landschaft und des lokalen Klimas, sodass wir hier deutliche Unterschiede in kritischen Niederschlagswerten erwarten. Dies könnte eine Frühwarnung vor Hangrutschungen verbessern. Zudem untersuchen wir die Schutzwirkung natürlicher Waldvegetation gegenüber Hanginstabilitäten. Gerne wird pauschal argumentiert, dass intakte Wälder vor Erosion schützen. Allerdings muss das nicht unbedingt ausnahmslos gelten, vor allem nicht in gebirgigen Gebieten. Dort sind wir daran interessiert, die Grenzen dieser natürlichen Schutzwirkung zu erfassen.

Prof. Dr. Sascha Oswald,

Professor für Wasser- und Stofftransport in Landschaften: Cosmic-ray neutron sensing, kurz CRNS, und lokale Begleitmessungen

Welche sensorischen Methoden setzen Sie für Ihre Forschungsarbeit ein?

Cosmic-ray neutron sensing, kurz CRNS, für Bodenfeuchte auf Landschaftsskala, daneben einige lokale Begleitmessungen.

Was zeichnet sie aus?

Hochenergetische Teilchen aus dem Weltall durchdringen laufend das Magnetfeld der Erde und erzeugen letztlich einen natürlichen Hintergrund an Neutronen an der Landoberfläche. Da diese ungeladen sind, durchdringen sie den Boden vergleichsweise problemlos. Doch Wasser hält sie sehr gut zurück. Im Grunde zählen wir mithilfe der CRNS-Sonden lediglich, wie viele Neutronen jeweils fehlen, weil das Wasser im Boden sie daran gehindert hat, wieder zurück in die Atmosphäre zu kommen. Jede Sonde misst die Änderung der Wassermenge, die sich in ihrer weiteren Umgebung befindet. Dabei gibt es drei Besonderheiten, die diese Messung einzigartig machen: Erstens deckt die Sonde einen kreisförmigen Bereich von 300 bis 400 Metern Durchmesser ab und eine Messung erfolgt vielfach jeden Tag – über Wochen, Monate und Jahre. Zweitens: Obwohl die Sonde oberhalb des Bodens, angebracht ist, können wir Wasser bis in eine Tiefe von fast einem halben Meter erfassen, zumindest bei großer Trockenheit. Drittens lässt sich mit solch einer Messung der mittlere Gehalt an Wasser im Boden quantitativ bestimmen – etwas, wofür man sonst eine Vielzahl von einzelnen Messungen vor Ort bräuchte. Auf der Ebene eines ganzen Untersuchungsgebiets können wir durch ein Cluster von solchen Sonden dann auch wieder ein räumliches Bild bekommen.

In welchen Projekten arbeiten Sie aktuell damit?

Wir setzen sie in drei Projekten innerhalb der DFGForschungsgruppe „Cosmic Sense“ ein, deren Ziel es ist, die Bodenfeuchte, also das im Boden momentan gespeicherte Wasser, auch auf größeren Flächen messen zu können. Erstens stellt die Uni Potsdam, die das Forschungsprojekt koordiniert, CRNS-Technologie zentral bereit und betreibt einen stationären Cluster aus CRNS-Detektoren. Zweitens arbeiten die UP-Forschenden daran, die CRNS-Methodik für temporäre Messungen größerer Einzugsgebiete bis etwa 100 Quadratkilometer zu adaptieren. Und drittens erproben sie die Bestimmung der Bodenfeuchte in landwirtschaftlich genutzten Flächen. Zusätzlich wird CRNS auch in einem gerade startenden EU-Projekt „SoMMet“ getestet und eingesetzt, das in internationaler und interdisziplinärer Zusammenarbeit solche Messungen von Bodenfeuchte messtechnisch unterfüttern und in die Anwendung bringen möchte.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Zwei 2023 „Exzellenz (PDF).