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Spezialgebiet: Forschungssoftware – Anna-Lena Lamprecht ist neu berufene Professorin am Institut für Informatik und Computational Science

Anna-Lena Lamprecht ist Professorin für Software Engineering an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät.
Foto : Thomas Roese
Anna-Lena Lamprecht ist Professorin für Software Engineering an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät.

Mikrobiologie, Geowissenschaften, Physik, Anna-Lena Lamprecht findet sich in vielen Disziplinen wieder. Selbst dann, wenn sie von den Forschungsfragen im Detail oft nichts versteht. Jedenfalls nicht so viel wie die Forschenden, mit denen sie dabei zusammenarbeitet. Muss sie auch gar nicht. Denn Anna-Lena Lamprecht ist Informatikerin, ihr Spezialgebiet ist Forschungssoftware. Vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werde mehr und mehr bewusst, dass diese ein eigenes, essenzielles Gebiet ihrer Arbeit ist und nicht nur untergeordnetes Beiwerk. „Ohne Software, um mit ihnen zu arbeiten, sind die besten Daten nichts wert!“, sagt die Professorin für Software Engineering.

Forschungssoftware erfüllt zwar den unterschiedlichsten Disziplinen hochspezialisierte Aufgaben: Gigantische Datenmengen von Seismometern auszuwerten, funktioniert ganz anders als die Analyse von uralter Tier-DNA. Gleichzeitig stünden die Programme durchaus immer wieder vor vergleichbaren technischen Problemen, setzten auf ähnliche Lösungen, ja enthielten sogar teilweise dieselben Komponenten. „Es ist typisch für Forschungssoftwares, dass viele Teile, die sie brauchen, bereits existieren und quasi nur ‚zusammengestöpselt‘ werden müssen.“

Zu erkennen, welche Teile passen und wie sie verbunden werden können, ist eine Expertise von Anna-Lena Lamprecht. Und dass man diese in verschiedenen Disziplinen einbringen kann, hat sie schon während des Studiums erfahren. Nach einem Bachelor in Angewandter Informatik studierte sie im Master mit Schwerpunkt Bioinformatik. „Wenn man auf die Softwareebene kommt und über die technischen Fragen spricht, findet man schnell Gemeinsamkeiten – und kommt ganz gut in ein produktives Gespräch“, sagt sie. „Ich betreue aktuell eine Doktorandin aus den Geowissenschaften. Was ihre Software fachlich macht, verstehe ich nicht. Aber was sie technisch umtreibt, schon.“

Dass sie als Informatikerin zwischen den sprichwörtlichen Stühlen steht, stört sie nicht. Im Gegenteil. „Ich habe mich schon immer für sehr viele Themen interessiert und konnte mich nur schwer entscheiden“, so die Forscherin. „Ich habe sogar erwogen, Geschichte zu studieren, wollte aber keine Lehrerin werden“, sagt sie und lacht. „Außerdem erschienen mir als ‚Mittelstandskind‘ die Berufsaussichten für eine Historikerin zu unsicher.“ Am Ende überwog deshalb das Interesse für das damals noch recht junge Fach der Angewandten Informatik. Anna-Lena Lamprecht ging zum Studium nach Göttingen – als Erste in ihrer Familie auf eine Universität, dafür mit viel Rückenwind ihrer Eltern. „Meine Familie war immer stolz auf mich und hat mich voll unterstützt. Ich hatte im Studium auch nie das Gefühl, nicht dazuzugehören, obwohl es dort nur wenige ohne akademischen Background gab.“

Ursprünglich wollte sie nach dem Studium ins Berufsleben durchstarten. Doch ihre Neugier überwog und sie blieb in der Forschung, schrieb ihre Doktorarbeit über die automatisierte Konstruktion von Datenanalyse-Pipelines in der Bioinformatik. Als Frau in einem Feld tätig zu sein, das nach wie vor von Männern dominiert wird, stört sie nicht. „Man gewöhnt sich daran. Es war ja nie anders.“

Als Postdoc ging Lamprecht einige Jahre ins Ausland – erst an ein Institut im irischen Limerick und dann als Assistenzprofessorin an die niederländische Universität Utrecht. Eine Zeit, die sie nicht missen möchte. „Die Niederlande sind ein kleines Land, in der Forschungscommunity kennt man schnell jeden – das macht das Netzwerken einfach“, erklärt sie. „Außerdem sind Open Science und Forschungssoftware dort schon länger Thema als hierzulande. Das hat mir natürlich sehr geholfen.“

Ende 2022 kam sie nach Potsdam. Zurück übrigens, denn am Institut für Informatik und Computational Science war sie von 2012 bis 2015 als Postdoc. „Ich hatte bereits in dieser Zeit das Gefühl, dass ich sehr gut hierher passe“, sagt sie. Schon damals hat sie ihre Leidenschaft für Forschungssoftware an andere weitergegeben. „Ich habe zu dieser Zeit Studierende aus der Bio- und Geoinformatik mit unseren Informatik-Studierenden in einem Projektkurs zusammengeführt: Die einen brachten die fachlichen Fragen mit, die anderen die Expertise aus der Informatik. Und sie haben voneinander gelernt: über die Probleme und wie sie sich technisch lösen lassen.“ An diese interdisziplinäre Zusammenarbeit will Lamprecht jetzt anknüpfen – und damit einen Fokus etablieren, der trotz des starken Software Engineerings am Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam bislang fehlt. Forschungssoftware zu entwickeln, sei letztlich doch etwas Anderes als für eine Alltagsanwendung oder für ein Produkt, erklärt sie. „Essenziell für jede Software ist, sie zu testen und zu verifizieren. In der Forschung kann das besonders herausfordernd sein. Bei einer einfachen Software kann man zum Testen Daten verwenden, bei denen man das Ergebnis schon kennt, und so gut überprüfen, ob sie richtig funktioniert. In der Wissenschaft geht das oft nicht.“

Forschungssoftware sei aber noch aus einem anderen Grund besonders – und eine Herzensangelegenheit: „Sie ist Teil der Methode und sollte dementsprechend mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft geteilt werden“, erklärt die Informatikerin. „Damit möglichst viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auch anderer Fachrichtungen, sie nutzen können, muss sie aber andere Anforderungen erfüllen als etwa eine kommerzielle Software: Der Quellcode muss verständlich, einfach veränderbar und anschlussfähig sein.“ Anna-Lena Lamprecht ist sich bewusst, dass dies herausfordernd ist – und mit jedem neuen Anwendungsfall neue Fragen, Probleme und Aufgaben mit sich bringt. Doch sie freut sich darauf und hofft, mit möglichst vielen Forschenden aus den Naturwissenschaften auf dem Campus Golm, aber auch darüber hinaus, ins Gespräch zu kommen: „Das ist der Geist von Open Science!“

Informationen über weitere neu berufene Professor*innen an der Universität Potsdam:
https://www.uni-potsdam.de/de/up-entdecken/upaktuell/personalia/neu-ernannt

 

Dieser Text erscheint im Universitätsmagazin Portal - Eins 2023 „Zukunft“ (PDF).

Veröffentlicht

Online-Redaktion

Sabine Schwarz