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Im Interview: Sven Dinklage – Im Einsatz als Liaison-Officer für die UP in Brasilien

Sven Dinklage | Foto: privat
Gruppenbild am Stand - ESALQ | Foto: privat
Foto : privat
Sven Dinklage
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Gruppenbild am Stand - ESALQ
Seit 2012 baut die Universität Potsdam die wissenschaftlichen Beziehungen nach Brasilien, insbesondere zu den Universitäten des Bundesstaates São Paulo aus. Sven Dinklage ist als Vertreter der Universität Potsdam vor Ort. Er unterstützt Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Kooperationen im Land und pflegt die Kontakte mit den brasilianischen Partnerinstitutionen.

„Liaison-Officer der Universität Potsdam in Brasilien“ – ist Ihre Tätigkeit so aufregend, wie der Titel klingt, oder doch eher bodenständig?

(lacht) Das ist natürlich ein komplizierter Name, man könnte auch „Repräsentant“ sagen. Aber es ist schon aufregend, zumal mit dem Titel ein gewisses Prestige verbunden wird. Für eine deutsche Universität zu arbeiten, das ist in Brasilien etwas Besonderes, und wir Deutschen haben hier generell einen sehr guten Ruf. Andererseits ist Potsdam vielen Brasilianern kein Begriff und die Tätigkeit wird manchmal sehr bodenständig, wenn man auf einer Messe den Stand aufbauen, mit einem sehr vielfältigen Publikum reden oder seinen Auftrag ausführlich am Telefon erklären muss.

Die Liaison-Büros sollen eine Brücke zwischen Potsdamer Studierenden und Partnerinstitutionen im Ausland bilden. Wie kann das mit Ihrer Unterstützung gelingen?

Wir sind vor Ort präsent, sprechen die Landessprache, kennen die Kultur und können Kontakte zu den passenden Gesprächspartnern herstellen. Wir betreuen Studierende, Besucherinnen und Besucher sowie Praktikantinnen und Praktikanten und unterstützen auch bei Veranstaltungen. Für diejenigen in Potsdam, die vielleicht noch nicht von mir gehört haben, kann ein erstes Telefongespräch bzw. ein Videocall sicher für mehr Klarheit sorgen, um die Möglichkeiten einer Kooperation oder eines Austausches abzuwägen. Und dies geht natürlich in beide Richtungen, d.h. ich berate auch die Lateinamerikaner, egal ob es um eine Zusammenarbeit oder ein Studium an der UP geht.

Wie wurden Sie „Repräsentant der Universität Potsdam“ in Brasilien?

Das begann sehr kurios: 2013 begleitete ich eine Delegation der Universität Potsdam bei einem Besuch auf einer Kaffee-Fazenda hier in der Nähe. Einige Wochen später wurde ich dann angefragt. Da ich schon damals meine eigene Trainingsfirma, Flexpert Ltda., besaß, mit der wir Firmen durch Führungskräfteentwicklung, interkulturelle Trainings und Coaching unterstützen, stand ich generell zur Verfügung. Zu Anfang musste ich etwas überlegen, da die Tätigkeiten doch sehr unterschiedlich waren, aber es schien mir auch eine interessante Aufgabe zu sein. Inzwischen treten wir immer besser auf, haben unsere Präsenz stetig ausgebaut. Im vergangenen Jahr konnten wir den Bekanntheitsgrad der UP im Land enorm steigern. Für mich ist es eine große Ehre, für die Universität im Ausland tätig zu sein. Ich habe ein tolles Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen im International Office in Potsdam und die Perspektiven für die nächsten Jahre sind sehr gut. Einmal pro Jahr kommen meine Kollegin Verena Kurz, die die Uni in Argentinien vertritt, und ich nach Potsdam, um unter anderem beim „International Day“ die Zusammenarbeit mit Brasilien vorzustellen, Projekte zu besprechen, für die Kooperation mit Lateinamerika zu werben und uns fortzubilden.

Welche Beispiele aus der Praxis vor Ort können Sie nennen, bei denen ein konkreter Kontakt zu Forschungseinrichtungen in Brasilien hergestellt werden konnte?

Im Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZeLB) bahnt sich eine Kooperation mit der Fakultät für Lehrerbildung der USP-Universidade de São Paulo, der bekanntesten Universität Brasiliens, an. Es gab bereits einen Besuch vom ZeLB hier vor Ort, und zurzeit wird ein entsprechendes Arbeitspapier erstellt. Derzeit ist das Interesse brasilianischer Dozenten und Forscherinnen und Forschern an Deutschland größer als das der deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Brasilien. Das mag an der geografischen Entfernung oder an den sprachlichen Barrieren liegen, aber sicher auch an den Kürzungen der Mittel für Bildung und Forschung durch die Regierung Bolsonaro. Hier möchte ich die Gelegenheit nutzen und anmerken, dass die Realität weit weniger schlimm ist als die Berichterstattung darüber. Ich vermittle grundsätzlich wirklich gerne zu den brasilianischen Kollegen, denn Brasilien bietet Vieles, was die deutsche Forschungs- und Studienlandschaft gut ergänzen kann, u.a. in den Naturwissenschaften, der Geographie und der Klimaforschung, aber auch in vielen anderen Fachbereichen.

Wie kommt ein Oldenburger Urgestein, wie Sie es sind, nach „overseas“?

Wie bei vielen anderen begann auch bei mir die Lust aufs Ausland durch einen Austausch an einer High School in den USA. Das führte später dazu, dass ich nach einem Vordiplom der BWL an der Uni Würzburg einen Master in European Management an der ESCP Europe in Oxford, Madrid und Paris machte. Gleich nach meinem Abschluss 1997 bewarb ich mich direkt in Brasilien. Dort hatte ich nämlich ein Praktikum absolviert und mir gefielen Land und Leute. Meinen ersten Job trat ich bei der Robert Bosch GmbH an, wo ich fast zehn Jahre tätig war. Ich heiratete eine Brasilianerin, deren Großvater in den 1930er Jahren aus Deutschland eingewandert war. Unser Sohn ist heute 18 und studiert seit einem Jahr an der Unicamp, die passenderweise eine unserer Partnerunis ist. Da ich nun seit fast 25 Jahren im Ausland lebe, davon 23 in Brasilien, freut es mich besonders, auch durch die Uni Potsdam meine Verbindung „in die Heimat“ halten zu können.

Wie müssen wir uns Ihre Arbeit vor Ort konkret vorstellen?

Ich teile mir ein Büro mit einem Beraterkollegen im Zentrum von Campinas, von wo aus ich sowohl für die UP als auch für meine Firma tätig bin. Ungefähr einen Tag pro Woche arbeite ich für das Liaison Office, in letzter Zeit war es aber eher mehr und die Stunden verteilen sich natürlich über die Woche. Zu normalen Zeiten bin ich auch regelmäßig bei Veranstaltungen an den deutschen Auslandsschulen, beim Goethe-Institut oder DAAD sowie mindestens einmal pro Monat am Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) in São Paulo, wo die Universität Potsdam einer der Hauptunterstützer und durch mich an Projekten, strategischen Entscheidungen und Veranstaltungen beteiligt ist. Im vergangenen Jahr aber habe auch ich auf 100 Prozent virtuelles Arbeiten umstellen müssen und wir haben eine monatliche Online-Sprechstunde ins Leben gerufen, um dem brasilianischen Publikum ein Studium und Forschungsprojekte an oder mit der UP schmackhaft zu machen. Diese Sprechstunde ist ein riesiger Erfolg – wir haben im Schnitt über 70 Menschen aus ganz Brasilien, von denen immer mehr als die Hälfte zum ersten Mal teilnimmt. Passend dazu haben wir eine Showcase-Seite auf LinkedIn eingerichtet, ferner hat das ZIM ein entsprechendes Logo entworfen. Die Bewerberzahlen aus Brasilien nehmen deutlich zu!

Ihre direkten Ansprechpartner sind im International Office der Uni Potsdam verortet. Haben Sie auch zu anderen Dezernaten, Fakultäten oder anderen Repräsentanten der UP im Ausland Kontakt und wie sieht der aus?

Als Teil des International Office sind wir im Prinzip dessen verlängerter Arm, aber wir haben auch immer häufiger Kontakte zu den Fakultäten und Wissenschaftlern, die schon länger mit Brasilien zusammenarbeiten. Mit der Zeit, und auch über die in Potsdam tätigen Brasilianer entwickeln sich auch Beziehungen zu anderen Bereichen wie dem ZeLB, dem HPI, Potsdam Transfer oder den Geowissenschaften. Wie schon erwähnt, arbeite ich sehr eng mit meiner Kollegin Verena Kurz in Buenos Aires zusammen, um regionale Aspekte in Lateinamerika abzudecken. Alle anderen Regionen der Welt werden aktuell direkt vom Potsdamer International Office aus betreut.

Wie unterscheiden sich die deutsche und die brasilianische Wissenschaftslandschaft?

Die Wissenschaftslandschaft in Brasilien ist sicher von einem größeren Gefälle und mehr Ungleichheiten geprägt als die deutsche. Es gibt sehr große Unterschiede in der Qualität des Unterrichts zwischen öffentlichen und privaten Schulen, was sich in der Lehre der Universitäten fortsetzt. Hinzu kommt, dass die Wissenschaft in den vergangenen Jahren unter sehr großen Sparmaßnahmen gelitten hat, was auch die Förderinstitutionen zu spüren bekamen. Wir hoffen, dass sich diese Tendenz mit einer anderen Politik künftig wieder zum Positiven wenden wird. Generell war aber auch hier die Entscheidung der UP, sich auf Hochschulpartnerschaften mit der Universidade Estadual de Campinas (UNICAMP) und der Universidade de São Paulo (USP) – wohl die beiden bekanntesten (Landes-)Universitäten Brasiliens – zu konzentrieren, absolut richtig.

Wie bewerten Sie den Umgang mit Corona vor Ort – inwiefern gelingt es Universitäten und Unternehmen, die Situation als Chance zu begreifen?

Wenn man die Gröβe des Landes und seiner Bevölkerung, die politische Situation sowie die lokale Kultur - die Kontaktfreudigkeit, körperliche Nähe und der eher lockere Umgang mit Regeln berücksichtigt, kommt Brasilien eigentlich noch relativ gut mit der Corona-Krise zurecht. An den Universitäten waren einige wenige sehr effizient in der Umstellung auf digitales Lernen, darunter aber glücklicher Weise unsere Partner. Generell hat die Bildung vor allem an öffentlichen Schulen massiv gelitten. Es gibt natürlich in Brasilien auch sehr große regionale Unterschiede und vor allem soziale Ungleichheiten - letztere dürften leider durch Corona noch größer geworden sein.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?

Wir haben noch sehr viele Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit Brasilien, insgesamt gibt es ca. 300 öffentliche Universitäten im Land. Auch gemeinsam mit deutschenund multinationalen Unternehmen lassen sich sicherlich viele Ideen anstoßen, das Potenzial ist praktisch unbegrenzt. Allerdings muss man in Brasilien eine eher langfristige Perspektive haben – die Dinge dauern manchmal etwas länger. Aber dann lohnt sich auch die Investition von Zeit und Ressourcen.

 

Sven Dinklage
Liaison-Officer der Universität Potsdam in Brasilien

Website: www.uni-potsdam.de/de/international/service/center/io/liaison-bueros
LinkedIn: https://www.linkedin.com/showcase/university-of-potsdam-liaison-office-brazil/
E-Mail: dinklageuni-potsdamde
Telefon: +55 19 992134732

Hochschulpartnerschaften mit Brasilien
UNICAMP - Universidade Estadual de Campinas
USP - Universidade de São Paulo

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für die Kooperation mit Brasilien interessieren, können sich gerne mit Herrn Dinklage in Verbindung setzen. Es besteht auch die Möglichkeit, als Gast in der (Online-)Sprechstunde sowie über die LinkedIn-Seite des Liaison-Büros Studiengänge oder wissenschaftliche Projekte an der UP direkt in Brasilien zu bewerben.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2021 „30 Jahre Uni Potsdam“ (PDF).