Zum Hauptinhalt springen

Prickelt und schmeckt – Start-up „Noa Drinks“ entwickelt einen Gin ohne Alkohol

Das Gründer-Team: Christian Zimmermann und Stella Strüfing | Foto: Nongin
Foto : Noa Drinks
Das Gründer-Team: Christian Zimmermann und Stella Strüfing
Wer alkoholfreien Sekt oder Wein probiert, kennt den oft faden Geschmack: entweder wässrig oder nur süß. In jedem Fall haben diese Alternativen selten etwas mit Genuss zu tun. Die Gründer des Start-ups „Noa Drinks“, Stella Strüfing und Christian Zimmermann, wollen sich damit nicht länger zufriedengeben. Sie haben Gin ohne Alkohol entwickelt, der nicht auf das typische Aroma verzichten muss. So wollen sie den Saftschorlen und alkoholfreien Sahne-Cocktails die Stirn bieten. Das vom Gründungsservice Potsdam Transfer begleitete und vom EXIST-Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) unterstützte Start-up steht kurz vor dem Markteintritt. Silke Engel hat das Team getroffen und ihre alkoholfreie Alternative zu Gin gekostet.

Das Ambiente irritiert, als die 33-jährige Stella Strüfing nachmittags in einem schlichten Konferenzraum auf dem Campus Griebnitzsee der Universität Potsdam eine Flasche Gin öffnet. Ein Aroma aus Wachholder-Kräuter-Gemisch breitet sich aus. Mit Tonic aufgegossen prickelt die helle, leicht trübe Flüssigkeit in einem Wasserglas. Der erste Schluck überrascht, die charakteristische Gin-Note schlägt voll durch. Dabei ist der Drink komplett ohne Alkohol hergestellt.

Die Idee entstand in einer Bar

„Der Gründungswunsch war immer da“, berichtet Strüfing, die ihren Master „Innovation Management und Entrepreneurship“ in Berlin und den Niederlanden gemacht hat. Anschließend begleitete sie zwei Jahre lang Teams in der Gründungsphase an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. „Jetzt habe ich die Seiten gewechselt und selbst ein Start-up auf den Weg gebracht.“ Die richtige Idee kam der Betriebswirtin eines Abends in einer Bar, als sie keine Lust auf Alkohol hatte. Alkoholfreies Bier, Saftgemische oder Wasser schmeckten ihr nicht. „Zu alltäglich oder süß“, meint sie. „Auch der Kellner ignorierte uns, weil wir keinen Drink nach dem anderen bestellten.“ Dabei hätte sie gerne etwas Leckeres getrunken und fragte sich, warum es eigentlich keinen Gin-Tonic ohne Alkohol gibt. Es folgten Recherche und Austausch, bis Strüfing im Juli 2018 aktiv wurde: Zunächst nahm sie an einem Frühphasen-Accelerator teil und suchte einen Mitgründer. Parallel fing sie an, in ihrer Küche zu destillieren. Und sie lernte Christian Zimmermann kennen.

„Zu dem Zeitpunkt wohnte ich noch in der Schweiz“, erinnert sich Zimmermann, der an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften Lebensmitteltechnologie studiert hat. Insgesamt fünf Jahre beschäftigte er sich mit Produktentwicklung. Seine zentrale Frage, der er im Labor nachging, lautete: „Wie bekommt man den richtigen Geschmack in ein Getränk?“ Als Zimmermann mit einem Entrepreneurship-Programm für ein halbes Jahr nach Berlin gehen konnte, folgte er seinem Wunsch nach Veränderung und traf sich mit Stella Strüfing: „Ich war angeteast von ihrer Idee, einen Gin ohne Alkohol herzustellen, aber auch skeptisch, den Geschmack überzeugend entwickeln zu können. Doch die Neugier war groß“, berichtet Zimmermann, der als Mitgründer bei „Noa Drinks“ einstieg und seitdem „für alles verantwortlich ist, was das Getränk in die Flasche bringt“. Stella Strüfing ergänzt: „Alles fügte sich. Christian brachte als erfahrener Lebensmitteltechnologe die erforderlichen Skills mit, um meine Hobby-Distillerie auf ein anderes Niveau zu heben.“ Für ihren alkoholfreien Gin haben die Gründer das Verfahren der Herstellung neu denken müssen. „Denn die Marktbeobachtung hat gezeigt: Die gängigen Verfahren, die dem Gin am Ende den Alkohol wieder entziehen, bringen keinen Geschmack“, erklärt Strüfing. „Wir entwickelten verschiedene Proben, gingen raus zu den Leuten und führten Geschmackstests durch. Dann wurden die Proben verfeinert und wieder holten wir Feedback ein.“ Fünf bis sechs solcher Zyklen gab es, ehe die beiden Gründer mit dem Ergebnis zufrieden waren. „Parallel zu den Verkostungen liefen Lagertests und die biologisch-chemischen Analysen, um ein sicheres und stabiles Produkt zu bekommen“, betont Christian Zimmermann. Immerhin muss ihre alkoholfreie Alternative zu Gin „ohne den 40-prozentigen Alkohol auskommen, der normalerweise alles abtötet und konserviert“. „Es handelt sich um ein Genussprodukt“, wirft Strüfing ein. „Das probiert man ein Mal. Wenn es nicht schmeckt, funktioniert es kein zweites Mal. Daher sollte es unglaublich gut riechen, wie bei einem guten Essen. Es sollte gut aussehen und auch pur den vollen Geschmack transportieren.“

Inspiration durch die Uni Potsdam

Durch ein EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) konnten sich Strüfing und Zimmermann Zeit lassen. „Unser Grundeinkommen ist ein Jahr lang gedeckt, sodass wir keinen Druck haben, einen Schnellschuss am Markt zu riskieren“, berichtet Zimmermann, der Zugang zu Laboren und Technik hat. „Das hat uns viel ermöglicht: Ich bin mit allen Rohstoffen und 200 leeren Flaschen in die Schweiz gefahren, habe die entsprechende Menge produziert und die abgefüllten Flaschen wieder mitgebracht.“

Auch das inspirierende Umfeld an der Uni Potsdam schätzen die beiden. „Viele freuen sich und fragen, wann der Gin gekauft werden kann. Dazu kommt der hilfreiche wissenschaftliche Input“, so Strüfing. „Ob von Lebensmitteltechnologen, Pflanzenkennern oder von unserer Betreuerin Prof. Dr. Uta Herbst, die weiß, wie man verhandelt.“

Die beiden Gründer stehen hundertprozentig hinter ihrem alkoholfreien Gin. „Das Getränk ist marktreif“, betont Stella Strüfing. „Wir lassen den Gin jetzt durch ein Labor auf Herz und Nieren prüfen. Ohne Alkohol gibt es keine Form der natürlichen Konservierung. Wir setzen also Konservierungsmittel zu. Hier muss getestet werden, was passiert.“ Zimmermann ergänzt: „Extrakte und Destilliate kommen aus Frankreich, rund um Nizza, wo Wissen und Verfahren aus der Parfümproduktion mit einfließen. In Deutschland wird das Getränk dann durch einen Co-Produzenten fertiggestellt und abgefüllt.“ Strüfing ist sich sicher: „Kostproben und Erklärungen sind der Türöffner, weil der Geschmack überzeugt.“ Eine erste Bestellung aus der Gastronomie gibt es auch schon. Über Crowdfunding soll der Vertrieb finanziert werden.

Start-up mit Mission

Langfristig haben die beiden Gründer ein größeres Anliegen: „Alkohol ist die einzige Droge, bei der man sich rechtfertigen muss, dass man sie nicht nimmt“, zitiert Stella Strüfing die Autorin und Schauspielerin Charlotte Roche, die ihre jahrelange Alkoholabhängigkeit öffentlich machte. „Wir wollen eine Wahl bieten, abends in der Bar auch ohne Alkohol Genuss zu erleben. Unser Ziel ist es, alkoholfreie Drinks als Normalität in deutschen Haushalten und Bars zu etablieren. Dafür soll unser Gin flächendeckend in der deutschen Gastronomie und im Lebensmitteleinzelhandel erhältlich sein.“

Weitere Produkte haben die beiden auch schon in der Pipeline: Wachholder-Alternativen beim Gin, alkoholfreien Rum oder Whisky. Sie lassen keinen Zweifel daran, eine starke Marke aufbauen zu wollen, die schmeckt. „Insofern halten wir es wie Coca Cola“, sagt Christian Zimmermann und lächelt, „auch wenn wir nur ein kleines Start-up sind: Wir halten unsere Rezeptur für den alkoholfreien Gin geheim.“

Die Gründer

Stella Strüfing studierte Innovation Management & Entrepreneurship in Berlin und Holland und übernimmt bei Noa Drinks die betriebswirtschaftlichen Aufgaben.

Christian Zimmermann ist studierter Lebensmitteltechnologe aus der Schweiz und bringt die Expertise für die Produktentwicklung mit.

Das Start-Up

„Noa Drinks“ ist ein Start-up, das seit September 2019 mit dem EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert und vom Gründungsservice von Potsdamer Transfer, der zentralen Institution für den Wissens- und Technologietransfer der Universität Potsdam, betreut wird. Das Start-up hat ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich eine alkoholfreie Alternative zu Gin herstellen lässt.

www.noadrinks.de

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2020 „Energie“.