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„Es ist das Unerklärliche, das die Angst erzeugt“ – Wie Eltern ihren Kindern helfen können, die Ausnahmesituation zu meistern

Zur Corona-Pandemie – Beiträge aus der Universität Potsdam

Eltern sollten und können ihren Kindern die Angst vor dem Unerklärlichen nehmen. | Foto: Pixabay/Pexels
Foto : Pixabay/Pexels
Eltern sollten und können ihren Kindern die Angst vor dem Unerklärlichen nehmen.
Kita und Schule geschlossen, die Eltern nicht auf der Arbeit. Freunde können nicht zu Besuch bekommen. Auch Oma und Opa darf man nicht sehen. Wie ist das alles zu begreifen, wenn man ein Kind ist? Prof. Dr. Birgit Elsner, Professorin für Entwicklungspsychologie, erklärt, wie sich durch die Corona-Krise ausgelöste Ängste und Konflikte in Familien besser bewältigen lassen.

Wie können Eltern ihren Kindern helfen, mit dieser extremen Situation umzugehen?

Ganz wichtig ist, dass man den Kindern die Situation erklärt. Wir erleben ja alle, wie diese außergewöhnliche Situation unser tägliches Leben einschränkt, und die Kinder bekommen das auch mit. Erklärungen helfen in zweierlei Hinsicht: Wenn ich Dinge erklärt bekomme, dann machen sie mir weniger Angst. Deshalb ist es wichtig, die Situation altersgerecht und verständlich zu erklären. Das Zweite ist, dass wir Verbote und Einschränkungen besser annehmen können, wenn wir den Grund dafür kennen. Wir sollten den Kindern also nicht sagen, das alles ok ist, sondern dass es eine außergewöhnliche Situation ist, die wir irgendwie gemeinsam meistern müssen.

Wie kann man den Kindern den Grund erklären, wo es hier doch um eine unsichtbare Bedrohung geht, ein Virus, dass man nicht sehen kann?

Bereits ab dem Kitaalter, also ab drei, vier Jahren, haben Kinder ein Grundverständnis von Gesundheit und Krankheit. Sie haben schon etwas von Keimen und Erregern gehört und auch eine allgemeine Vorstellung davon, wie diese wirken. Dass man zum Beispiel krank werden kann, wenn man etwas isst, wo diese Erreger drin sind. Bei jüngeren Kindern kann man versuchen, das Phänomen der Ansteckung begreifbar zu machen, indem man sich zum Beispiel die Hände mit Fingerfarbe bestreicht und einer anderen Person die Hand gibt. Fasst man sich dann noch ins Gesicht, sieht man, dass die Farbe auch zu Mund und Nase kommt und so in den Körper eindringen kann. Solche einfachen Erklärungen zu finden, hilft vielleicht auch den Eltern sich klar zu machen, wo die Gefahren entstehen.

Woran erkennen Eltern, wie verunsichert oder ängstlich ihre Kinder sind?

Hier kommt es darauf an, die Kinder gut zu beobachten. Einige ziehen sich zurück, andere setzen ihre Angst in Frustration und schlechte Stimmung um. Dann ist es wichtig, das offen anzusprechen. Die Kinder kriegen ja mit, dass etwas nicht stimmt, dass das Leben nicht so läuft wie gewohnt, dass vielleicht auch die Eltern besorgt sind. Wenn die Kinder Angst haben, sollte man nicht darüber hinweggehen und sagen „Es ist alles in Ordnung“. Es ist eben im Moment nicht alles in Ordnung! Und das sollte man mit den Kindern besprechen: Was genau ist nicht in Ordnung? Wo liegen die Gefahren? Das macht das Ganze verstehbarer und eben nicht so unerklärlich. Wie gesagt: Es ist das Unerklärliche, das die Angst erzeugt.

Durch das enge und permanente Miteinander kann es derzeit schneller zu Konflikten in der Familie kommen. Was sind dabei die größten Problemfelder?

Das größte Problem ist, wenn schlechte Stimmung entsteht, weil man sich langweilt, weil alle frustriert sind, weil wir Dinge nicht tun können, die wir gern tun. Wir können unsere Freunde nicht treffen, unseren Freizeitaktivitäten nicht nachgehen. Und das gilt ja für die Eltern wie für die Kinder. Wichtig ist, gegenseitig zu verstehen, wo der Grund für die schlechte Stimmung liegt. Das ist etwas, woran man gemeinsam arbeiten und dabei feststellen kann: Ich bin jetzt zwar böse, weil mein Kind sich nicht so verhält, wie ich das gerne möchte. Und die Kinder sind genervt, weil sie Dinge nicht tun dürfen, die sie sonst tun. Aber gleichzeitig sind weder die Eltern noch die Kinder daran schuld. Der Grund für die Frustration liegt außerhalb der Familie, das sollte man sich immer wieder bewusst machen. Und wenn man in der Familie zusammenhält, kann man auch gemeinsam schauen, wie sich diese Herausforderung meistern lässt.

Konflikte entstehen ja sicher auch, weil die älteren Kinder zu Hause ihre schulischen Pflichten erfüllen müssen.

Hier könnte man zum einen versuchen, auch die Pflicht ein wenig angenehmer zu gestalten. Zum Beispiel gibt es ja einige E-Learning-Angebote, Kinder könnten auch online gemeinsam arbeiten, und die Schul-Aufgaben bieten immerhin eine Abwechslung in Zeiten der Kontaktsperre. Aber es ist auch darauf zu achten, dass wir nicht nur die Pflichten erledigen, sondern uns auch die Zeit nehmen, gemeinsam etwas Schönes zu erleben und damit etwas Belohnendes zu haben. Vielleicht auch die Kinder für sich allein und die Eltern für sich allein. Wir müssen schauen, wie wir den Tag abwechslungsreich gestalten: Wo können wir auch mal unsere Energie rauslassen, gemeinsam aktiv sein? Und vielleicht können wir jetzt Dinge tun, für die sonst keine Zeit ist. Wir können anderen etwas Gutes tun, älteren Menschen helfen, oder den Großeltern, die wir nicht besuchen dürfen, einen Gruß zuschicken. Wenn wir uns sinnvoll beschäftigen, lässt sich aus dieser ungewöhnlichen Zeit hoffentlich auch etwas Positives herausziehen.


Gesendet: rbb Kultur, 23.3.2020

 

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