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Popcorn und Schneckenhäuser – Wie Stefanie Kaboth-Bahr mit Mikrofossilien und Statistiken den „Puls“ des Klimas misst

Paläoklimatologin Dr. Stefanie Kaboth-Bahr | Foto: Antje Horn-Conrad
Foto : Antje Horn-Conrad
Paläoklimatologin Dr. Stefanie Kaboth-Bahr
Die einen sehen aus wie Popcorn, andere wie plattgedrückte Schneckenhäuser: Einzeller, die im Ozean schweben oder dessen Boden besiedeln. Die als Foraminiferen bezeichneten Mikroorganismen zählen rund 10 000 verschiedene Arten. Die Paläoklimatologin Stefanie Kaboth interessiert sich besonders für die fossilen Formen, die die Jahrmillionen in über 40 000 Arten überdauert haben. Sie helfen ihr, das Klima der Vergangenheit zu verstehen.

Ein Herz für die marine Forschung

Als Stefanie Kaboth-Bahr an der Bergakademie Freiberg ganz bodenständig Geoökologie studierte, war ihr nicht klar, dass sie ihre berufliche Reise schon bald über alle Meere führen würde. Doch dann wechselte sie für ihre Diplomarbeit ans Alfred-Wegener-Institut nach Bremerhaven, ging mit auf Expedition in die Arktis und fuhr mit dem Forschungseisbrecher „Polarstern“ zum Nordpol. Von den Meeresbiologen und Paläontologen lernte sie, Mikrofossilien zu untersuchen und mit geochemischen Methoden so zu analysieren, dass man aus ihnen Rückschlüsse auf das Klima der Vergangenheit ziehen kann. Sie siebte aus Sedimenten heraus, was größer als 63 Mikrometer war und sortierte unter dem Mikroskop die vielgestaltigen Foraminiferen heraus. Anschließend mussten die Kleinstwesen zu noch kleineren Partikeln zerstoßen, im Ultraschallbad gewaschen und in Säure aufgelöst werden, um das entweichende Gas im Massenspektrometer analysieren zu können. Anhand der gemessenen Isotope lassen sich Aussagen darüber treffen, wie viel Eis es in einzelnen Perioden der Erdgeschichte gab, wie warm oder kalt das Wasser war, wo es herkam, welche Dichte es hatte. „Das war es!“, sagt Stefanie Kaboth-Bahr. Sie hatte ihr Thema gefunden. Ohnehin gab es kein Zurück mehr: „Ich hatte mein Herz auf See an die marine Forschung verloren“, erzählt sie und hebt die Hände zu einer Geste der Wehrlosigkeit.

Noch während sie am Alfred-Wegener-Institut arbeitete, kam die Zusage für ihr Promotionsstudium im niederländischen Utrecht. Sie stand gerade im Polaranzug im Kaltraum und hantierte an ihren Eisproben, als das Telefon klingelte. Die Freude war groß, auch weil es fortan in wärmere Gefilde gehen sollte. Im Golf vor Cadiz untersuchte die Doktorandin den Ausstrom des Mittelmeers in den atlantischen Ozean. „Das Mittelmeer gilt als Salzquelle für den Nordatlantik und verändert über das hineinfließende Wasser dessen Dichte. Das wiederum wirkt sich auf das Klima in Nordeuropa aus“, erklärt Stefanie Kaboth-Bahr. In ihrer Dissertation konnte sie nachweisen, dass der afrikanische Monsun eine wichtige Stellschraube dafür ist, wieviel Salz ins Mittelmeer und dann in den Atlantik fließt.

Zurück an Land – nach Afrika

Solche Zusammenhänge anhand von Mikrofossilien herstellen zu können, fasziniert sie bis heute. Diese marine Komponente bringt sie nun als Postdoktorandin in die Potsdamer Arbeitsgruppe von Martin Trauth ein, der ebenfalls in der marinen Paläoklimaforschung promovierte, jetzt aber vornehmlich auf dem afrikanischen Festland arbeitet. „Ich mache dafür einen Schritt vom Ozean aufs Land“, beschreibt die Wissenschaftlerin die Neuerung, in der sie die Perspektive verändert. Sie untersucht über große geologische Zeitskalen, wie sich die klimatischen Verhältnisse an Land und auf dem Ozean gegenseitig beeinflussten. Anhand von Statistiken aus geo- und biowissenschaftlichen Datensätzen schaut sie weit in die Vergangenheit, sucht nach wiederkehrenden Ereignissen und größeren Zusammenhängen. „Ich nenne es etwas pathetisch den ,Herzschlag des Klimas‘, aber tatsächlich lässt sich, wenn man weit genug zurücktritt und große Zeiträume in den Blick nimmt, ein Rhythmus erkennen“, erklärt Stefanie Kaboth-Bahr. Letztlich wollen die Potsdamer Forscher um Martin Trauth herausfinden, wie sich solche Änderungen des Klimas auf die Entwicklung der frühen Menschen, ihre Migrationsrouten und ihre kulturelle Entwicklung auswirkten. „Wie viele Klimavariationen braucht es für einen Evolutionsschub?“, fragt die Forscherin.

Dass an der Universität Potsdam geologische Prozesse nicht isoliert, sondern in Wechselwirkung mit biologischen Entwicklungen analysiert werden, gefällt ihr gut. Nach Potsdam gelockt hat sie aber vor allem die Expertise von Martin Trauth, der als Spezialist für statistische Auswertungen des erhobenen Datenmaterials gilt. „Ich komme hier ins gemachte Nest. In Afrika ist schon alles gemessen worden. Die Daten liegen bereits vor“, sagt die junge Wissenschaftlerin, die die Chancen des Open-Topic-Programms für Postdoktoranden für sich erkannte. „So etwas gibt es in Deutschland eher selten, da ist die Uni Potsdam Vorreiter.“ Stefanie Kaboth-Bahr freut sich, in ihrer wissenschaftlichen Karriere nun einen großen Schritt voranzukommen. Statistiken über große Zeitskalen einzubeziehen, ist neu für sie. Das will sie hier lernen. Im Gegenzug bringt sie die marine Komponente ein, die in der Arbeitsgruppe von Martin Trauth bislang zu wenig Beachtung fand. „Wir legen alles zusammen auf den Tisch und schauen, was passt“, sagt sie ganz pragmatisch.

In diesem Feld zu arbeiten, kann sie sich langfristig gut vorstellen. Als Postdoktorandin wird sie zunächst drei Jahre in Potsdam forschen, sich habilitieren. Und lehren. Erst wenige Monate an der Universität, hält sie bereits Vorlesungen zur Paläoklimatologie. Sicher wird sie auch im Alfred-Wegener-Institut auf dem Telegrafenberg vorbeischauen. Sie weiß, dass die Uni gut vernetzt ist und mit den dortigen Instituten eng kooperiert. Das wird sie nutzen. Nach Expeditionen ins Eis aber steht ihr derzeit nicht der Sinn. Ihr Blick richtet sich nach Afrika.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2020 „Energie“ (PDF).