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Mit Asche gepudert oder von Eis bedeckt - Von Vulkanausbrüchen und Schmelzwasserseen

Spuren der Verwüstung durch vulkanische Asche.
Foto : Prof. Dr. Oliver Korup
Spuren der Verwüstung durch vulkanische Asche.

Asche und Eis sind Stoffe, von denen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Naturgefahren um Prof. Dr. Oliver Korup gleichermaßen fasziniert sind. Deshalb untersuchen sie Vulkanausbrüche in Chile und Gletscher im Himalaya. Und sie kommen bei ihren Forschungen zu überraschenden Ergebnissen.

Nach den Ausbrüchen zweier Vulkane vor zehn Jahren im Süden Chiles waren die Bäume umliegender Regenwälder von dicken Ascheschichten bedeckt. Jahre nach den Ausbrüchen rutschten Hänge im Umfeld der Vulkane ab. Dies veranlasste Prof. Dr. Oliver Korup und seine Mitstreiter genauer hinzuschauen. Die Geografen bilanzierten zum ersten Mal systematisch diese vulkanisch ausgelösten, stark verzögert auftretenden Naturgefahren. Die Hänge in der Umgebung der Vulkane waren derart stark mit Asche bedeckt, dass die Bäume abgestorben waren. „Wir vermuten, dass sie erstickt sind. Die Wurzeln verrotten, die Bäume stehen wie Skelette ohne Äste blattlos in der Landschaft“, sagt Oliver Korup. Die Hänge verloren durch die absterbenden Wurzeln im Laufe der Zeit ihre Stabilität. Diese schleichende Naturgefahr, die durch die Vulkanausbrüche ausgelöst wurde, stellt diejenigen, die vor Ort für die Sicherheit von Straßen, Infrastrukturen und Siedlungen verantwortlich sind, vor gewaltige Herausforderungen.

Wenn ein Vulkan ausbricht, müssen die im Umland lebenden Menschen das Gefahrengebiet schnellstmöglich verlassen. Wenn der Vulkan zur Ruhe gekommen ist, oft aber auch erst nach ein paar Jahren, kehren sie in ihre Heimat zurück. So geschah es beispielsweise in Chaitén, einem Ort, der sich rund zehn Kilometer entfernt vom gleichnamigen, 1.122 Meter hoch gelegenen Vulkan befindet. Dessen letzte Eruptionen fanden dort zwischen 2008 und 2009 statt. Bereits wenige Stunden nach dem Beginn des Ausbruches im Jahr 2008 wurden die ersten Anwohner des Ortes und der Umgebung in Sicherheit gebracht. Zunächst war nicht klar, ob die Gegend aufgrund der Zerstörungen durch die Schlammströme überhaupt wieder besiedelt werden kann. Mehrere Jahre später bildeten sich Initiativen, die sich darum bemühten, die Bürger zurückzuholen, was natürlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird.

Vulkanische Asche verwüstet Gegenden für viele Jahre

Auslöser der Schäden in der Ortschaft und ihrer Umgebung waren nicht in erster Linie die Vulkanausbrüche selbst, sondern die verteilte Asche. „Der Vulkan schleudert über Wochen und Monate bis zu einem Kubikkilometer Asche in die Atmosphäre, die sich in Zentimeter bis Dezimeter dicken Schichten ablagert“, sagt Oliver Korup. Diese Schichten werden durch den Regen verschleppt, gelangen in das Gewässernetz und verschütten ganze Wälder, Häuser und die Infrastruktur. Die Wissenschaftler beobachten die Entwicklungen seit zehn Jahren regelmäßig vor Ort, vor allem die verzögert auftretenden Massenbewegungen und Erdrutsche. Für ihre umfangreichen Geländemessungen setzen sie inzwischen auch Drohnen ein. Die Region ist durch bereits vorhandene Satellitenbilder sehr gut dokumentiert. Sie erlauben den Forschern, Schäden an der Vegetation und deren Veränderungen zu erfassen und zu quantifizieren, was bisher eher eine untergeordnete Rolle beim Management der Naturgefahren spielte. „Wir stellen fest, dass die Anzahl der Erdrutsche exponentiell gestiegen ist, und zwar meist dort, wo die dicksten Ascheschichten zu finden sind“, so Oliver Korup.

Zwar existiert bereits eine Studie, die den Ausbruch des Mount St. Helens im Süden des US-Bundesstaates Washington 1980, einer der stärksten Vulkanausbrüche des 20. Jahrhunderts, erforscht. Systematische Studien wie die des Potsdamer Teams, die die schleichenden Folgewirkungen dokumentieren und analysieren, sind bisher jedoch selten. Um die Forschungen fortsetzen zu können, hat Dr. Christian Mohr, Wissenschaftler im Projekt, einen Emmy- Noether-Antrag bei der DFG eingereicht. Er möchte sich stärker hydrologischen und mechanischen Studien der Hangrutschungen um Chaitén mithilfe von Computermodellen zuwenden.

Gefährliche Seen in 5.000 Metern Höhe

Die Folgen nicht von Hitze und Asche, sondern von Kälte und Eis interessieren hingegen Georg Veh. Weil Gletscherseeausbrüche eine große Gefahr darstellen, widmen sich Wissenschaftler diesem Phänomen in letzter Zeit besonders intensiv. Der Doktorand beschäftigt sich mit den Naturgefahren, die durch Gletscherschmelzen am Himalaya entstehen. Das höchste Gebirge der Erde erstreckt sich über etwa 3.000 Kilometer von Pakistan bis nach Myanmar. Wenn Gletscher schmelzen, bilden sich Seen. Die sich ausbreitenden Seen können dazu führen, dass die durch die Gletscherbewegungen gebildeten Moränen kollabieren. Auslöser sind Gletscherteile, die in die Seen fallen und Wellen verursachen. Zudem führen Hangrutsche zu Ausbruchsfluten. In der Folge bildet sich eine riesige Flutwelle, die – mit Geschwindigkeiten von mehreren Metern pro Sekunde – ins Tal stürzt. In solchen Fällen haben die dort lebenden Menschen sehr wenig Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen oder vor den Folgen dieser Naturgefahren zu schützen. Eine frühzeitige Warnung wäre möglich, wenn nur wenige Seen zu überwachen wären. Doch im Himalaya gibt es etwa 5.000 Seen und jährlich kommen neue hinzu. Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung sind schwer zu realisieren, denn die Seen liegen oftmals an ungünstigen Orten. Das Gelände, auf dem sich der Gletscher befindet, in etwa 4.000 bis 5.000 Meter Höhe, ist schwer erreichbar und der Aufbau eines Frühwarnsystems zumindest bisher nicht möglich.

Georg Veh hat mehr als 8.000 Satellitenszenen aus einem Zeitraum von 30 Jahren ausgewertet. Für die Analyse hat er einen automatischen Suchalgorithmus entwickelt. Auf diese Weise stellen die Forscher das Schrumpfen und Verschwinden von Seen fest. „Wir können den Bildern auch entnehmen, dass sich unterhalb dieser Seen breite Sedimentfahnen bilden. Sie entstehen, wenn sich Wassermassen talabwärts bewegen und dort Sedimente ablagern“, sagt Georg Veh.

Grundlegende Hypothesen der letzten Jahre gehen davon aus, dass mit der wachsenden Anzahl der Seen auch die Zahl der Ausbrüche steigt. Zu Unrecht, wie Veh nachweisen konnte. „Wir haben nach solchen Ausbrüchen im gesamten Himalayabogen gesucht, um herauszufinden, wie oft Gletscherseeausbrüche aufgetreten sind. Die Hypothese, dass diese mit der Zahl der Gletscherseen zusammenhängen, ist zumindest für die vergangenen Jahrzehnte nicht belegbar“, sagt Georg Veh.

Diese Befunde bedeuten jedoch nicht automatisch, dass die Gefährdung gleichbleiben wird. Es gibt einzelne Regionen des Himalayas, die sehr stark betroffen sind, andere hingegen weniger. Eine genaue und differenzierte Untersuchung, das zeigen die Forschungen der Potsdamer Wissenschaftler, ist für die verlässliche Einschätzung von Naturgefahren in Zeiten des Klimawandels unabdingbar.

Die Projekte

Naturgefahren in ökologisch gestörten feuchttemperierten Regenwäldern Südchiles (coNIFER)
Laufzeit: 2014–2016
Förderung: Anschubfinanzierung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung

Graduiertenschule „NatRiskChange“ (Natural Hazards and Risks in a Changing World)
Laufzeit: 2015–2018
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Die Wissenschaftler

Prof. Dr. Oliver Korup studierte Geographie an der Universität Würzburg und promovierte 2003 an der Victoria University Wellington/Neuseeland. Seit 2011 ist er Professor für Geohazards an der Universität Potsdam.
E-Mail: oliver.korupgeo.uni-potsdamde

Georg Veh studierte Physische Geographie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Seit 2015 ist er Doktorand der Graduiertenschule „NatRiskChange“ (Natural Hazards and Risks in a Changing World) am Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Universität Potsdam.
E-Mail: georgvehuni-potsdamde

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Zwei 2019 „Daten“.